Montag, 17. April 2023

Es bleibt nebulös in Sachen Cannabis-Freigabe

Eckpunktepapier zur geplanten Entkriminalisierung der Hänflinge weckt Hoffnung und Ängste zugleich

Cannabis-Freigabe, Cannabis-Legalisierung in Sicht
Artwork by mark marker

Ein Kommentar von Sadhu van Hemp

Als Gesundheitsminister Lauterbach und Agrarminister Özdemir letzte Woche das allerneueste Eckpunktepapier für die Cannabis-Legalisierung vorstellten, gab es neben Tränen der Freude auch jene der Trauer. Während fünf Millionen Hanffreunde ihr Glück kaum fassen konnten, schon bald von den Fesseln der Prohibition befreit zu werden, waren die Geschäftemacher der legalen Medizinalhanfindustrie nicht allzu amüsiert, dass ihnen die Bundesregierung das Milliardengeschäft vorzuenthalten beabsichtigt. Der Traum von der Monopolstellung im Big Business mit dem grünen Gold ist vorerst geplatzt und die Profitgier der Spekulanten ausgebremst. Genusshanf aus industrieller Produktion der Pharmakonzerne wird es sobald nicht geben.

Im Grunde bleibt alles beim Alten, wenn es so kommt wie vorgestellt. Der kommerzielle Anbau, Import und Handel bleibt in den Händen jenes mutigen Menschenschlags, der seit mehr als eine halben Jahrhundert die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Haschisch und Marihuana gewährleistet – und das zu einigermaßen sozialverträglichen Preisen. Niemand muss in den nächsten Jahren fürchten, dass die Pharmaindustrie der im Untergrund gewachsenen Hanfkultur den Boden entzieht und die „Hefe des Denkens“ zum Luxus-Lifestyle-Produkt umetikettiert.

Das Vorhaben der Bundesregierung, den Bürgern und Bürgerinnen den Besitz von 25 Gramm Cannabis und den Anbau von drei Hanfpflanzen für den Eigenbedarf zu gestatten, ist ohne Frage ein kleiner und zugleich ungewollter Geniestreich. Ähnlich wie die niederländische Regierung, die 1976 die kiffende Bevölkerung entkriminalisierte, öffnet nun auch die Ampelregierung versehentlich Tür und Tor für einen halbwegs gesitteten Umgang mit der real existierenden Hanfkultur. Was daraus erwachsen kann, zeigt sich in den Niederlanden, wo der Geist, der einmal aus der Flasche gelassen wurde, bis heute nicht wieder eingefangen werden konnte. Nun sollen auch die deutschen Hanffreunde das verbriefte Recht erhalten, selbst darüber zu entscheiden, welche Sorte Haschisch bzw. Marihuana ins Rauchgerät kommt.

Großer Dank dafür gilt der Europäischen Union, die eisern an der Prohibition festhält und Deutschland eindringlich davor gewarnt hat, in der Cannabis-Politik einen unerlaubten Alleingang zu wagen. Ohne diesen erhobenen Zeigefinger hätten die Bangbuxen der Bundesregierung eventuell doch den Mut aufgebracht, die ursprünglich angedachte Cannabis-Freigabe umzusetzen und den großen Pharmabuden und deren Aktionären Milliardengewinne zuzuschustern.

Umso genialer ist das augenblickliche Gedankenspiel der Minister, die „Legalisierung light“ über Cannabis Social Clubs in geordnete Bahnen lenken zu wollen. Den nicht-gewinnorientierten Vereinen soll erlaubt werden, Cannabis zu Genusszwecken anzubauen und an volljährige Mitglieder abzugeben. Dieses Modell ist geradezu revolutionär und widerspricht allen Regeln der asozialen Markwirtschaft, die ausschließlich auf Profit ausgerichtet ist. Nunmehr Genossenschaften, die sich nicht dem Diktat des Raubtierkapitalismus beugen, die Versorgung der Hänflinge zu übertragen, stinkt schon fast nach Kommunismus.

Erstaunlich auch, dass die Wirtschaftsliberalen der FDP zu den Legalisierungsplänen, die sie selbst mit ausgeheckt haben, schweigen. Justizminister Buschmann duckt sich weg, wohlwissend, dass die Zulassung von Cannabis Social Clubs, die ihr Gras selbst anbauen, Verrat an der eigenen Wählerklientel ist.

Und diese Herrschaften können es gar nicht fassen, dass ihnen das Milliardengeschäft von Non-Profit-Cannabis-Clubs gestohlen werden soll. Die Bosse der Pharmabuden begrüßen zwar den Paradigmenwechsel in der deutschen Cannabispolitik, spekulieren aber weiter ungeniert auf das Monopol des Hanfanbaus. Die Wertschöpfung soll ausschließlich in Deutschland stattfinden, was nur über eine qualitätsgeprüfte Produktion in zertifizierten Gewächshäusern gehe, die staatlich kontrolliert und überwacht werden. Die Strategie der Pharmalobby ist klar: Cannabis Social Clubs ja, aber bitte nur, wenn diese ihre Rauchwaren nicht selber anbauen dürfen.

Man darf also auf den Gesetzesentwurf und die Ausführungsvorschriften gespannt sein. Die Hoffnung, dass der Krieg gegen die Hänflinge tatsächlich eingestellt wird, ist groß, doch die Zweifel an der Umsetzbarkeit der „Legalisierung light“ sind längst nicht ausgeräumt.

Quellen und weiterführende Links:

https://hanfjournal.de/2023/04/13/die-cannabislegalisierung-kommt-irgendwie-irgendwann/

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/C/Kabinettvorlage_Eckpunktepapier_Abgabe_Cannabis.pdf

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22 Kommentare
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Siggi
1 Jahr zuvor

* Selbst eine schlechte Ernte dürfte mehr als die erlaubte 25g-Menge erbringen. Und dann – also rein rechtlich 🙂 ?
* CSC: Hier muss ich wohl meine Personalien angeben. Und wann meinen Führerschein abgeben? Der Führerscheientzug hat sich ja als Zweitbestrafung etabliert.
* Welche Sollbruchstellen gibt es noch, um das Vorhaben scheitern zu lassen?

Fred
1 Jahr zuvor

//Dieses Modell ( CSC )ist geradezu revolutionär und widerspricht allen Regeln der asozialen Markwirtschaft, die ausschließlich auf Profit ausgerichtet ist. Der war richtig gut. Hier mal ein möglicher Businessplan. Drei Leute schließen sich zusammen und mieten eine Halle an. Danach gründen die drei einen Verein zum Zwecke des Cannabisanbau. Die Halle wird mit einem üppigen Aufschlag an den Verein vermietet. Für die Tätigkeiten im Verein werden selbstverständlich Gehälter an die Tätigen gezahlt. Mitglieder werden ein bisschen selektiert. Ein gutes Mitglied ist ein Mitglied ohne Vereinsinteressen. Sprich 600 Gramm Gras pro Jahr…. mehr sollte nicht von Interesse sein. Von dieser Sorte Mitglieder werden 500 Leute aufgenommen und führen entweder über Mitgliedsbeiträge oder einem Preis für das Gras zu Vereinseinnahmen. Die Einnahmen… Weiterlesen »

Greg
1 Jahr zuvor

In Spanien läuft es mit Cannabis Social Clubs auch schon seit Jahren ziemlich gut, also finde ich naheliegend, dass das hier auch rechtlich und in der Praxis funktionieren wird. Aber voll schade: Natürlich ist das Legalisierung light. Kein Handel heißt auch keine neuen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze, keine neuen Unternehmen, keine erheblichen Steuereinnahmen. Und keine importierten Delikatessen – Fairtrade Bio-Haschisch aus Nepal oder Marokko bleibt ein Wunschtraum. Auch im Land der Cannabis Social Clubs wird an den Grenzen noch Krieg gegen Drogen gefahren.

Was bleibt vorerst: Eine erhebliche Entlastung von Polizei und Justiz, eine fast akzeptable Situation für KonsumentInnen in Deutschland. Schon viel besser, aber längst nicht perfekt.

buri_see_kaeo
1 Jahr zuvor

Ja, @ Siggi, das FE-Problem; ich habe gerade bei der FDP Bremen „Dampf/Druck gemacht“. Ich bleibe hoffentlich nicht der einzige.
mfG   fE

Luigi
1 Jahr zuvor

Ich werde dann wohl zum Eigenanbau daheim übergehen. 😉 Zwei Personen = 6 Pflänzchen = passt .

@Siggi alles über der 25g Oberkante muss natürlich augenblicklich verbrannt werden.

Zuletzt bearbeitet 1 Jahr zuvor von Luigi
Rogg
1 Jahr zuvor

Zum Thema 25 Gramm….
Ist es sicher, dass die 25 Gramm die Besitzmennge insgesammt, also auch nach dem Anbau ist, oder die erlaubte Menge die außerhalb der privaten Gemächer mit sich geführt werden darf…??? Ich hab schon beide Versionen gehört…

Fred
1 Jahr zuvor

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/pressemitteilungen/eckpunkte-cannabis-12-04-23.html

Hier ist das aktuelle Eckpunktepapier. Dort wird auch sehr eindeutig auf die 25 Gramm Grenze eingegangen.

Lesen. Damit das endlich mal aufhört mit dem Rätselraten um die 25 Gr.

Rogg
1 Jahr zuvor

ok…wer lesen kann ist klar im Vorteil. Im Eckpunktepapier steht…: “Straffreier Besitz (Mitführen in der Öffentlichkeit) ist möglich zum Eigenkonsum bis 25g” Darüber hinaus steht da…etwas nebulös…: “es gelten Strafvorschriften für darüber hinaus gehenden Besitz” Da sollte mal klar gesagt werden, wieviel und was mit “darüber hinaus gehenden Besitz” gemeint ist und ob dieser Besitz auch das Gras beinhaltet, dass in der eigenen Behausung gelagert ist. Z.Bsp. nach der Ernte. Hier sollte dringend geklärt werden, was gemeint ist. Ausserdem zum Thema Pflanzen und deren Anzahl…: “Der straffreie private Eigenanbau umfasst max. 3 weibliche blühende Pflanzen” und “max. 7 Samen oder 5 Stecklinge pro Monat” Das läßt vermuten, daß man unbegrenzt “nicht blühende” Pflanzen besitzen darf. Von “nicht blühenden” Mutterpflanzen sowie… Weiterlesen »

AngryFrog
1 Jahr zuvor

Ich halte CSCs für keine Lösung da ich persönlich keine Lust habe mich mit der Klientel die zwangsläufig dort aufschlägt auseinander zu setzen.

Rogg
1 Jahr zuvor

Tja, dann bleibt dem edlen Herrn wohl nur der Eigenanbau…

Fred
1 Jahr zuvor

@Rogg

Bei diesem Papier handelt es sich um das Eckpunktepapier, aus dem dann ausformuliert die Gesetzesvorlage und hinterher das Gesetz wird. Wie die einzelnen Punkte ausformuliert werden ist jetzt offen. Lediglich die Richtung ist klar. Man kann dem ganzen aber mit Logik näherkommen. Eine Mengenbegrenzung der Ernte z.B kann es nicht geben. Außerdem gibt es im Papier keine Begrenzung der häuslichen Aufbewahrungsmenge. Dann ist die auch wahrscheinlich nicht vorgesehen.

Generell gilt es aber auf das Gesetz zu warten. Soll ja im April kommen, dann sind wir alle schlauer.

Rogg
1 Jahr zuvor

@Fred
So hoffe ich….Klarheit für alle

Rainer
1 Jahr zuvor

Und wieder gehen Monate ins Land,in denen nichts passiert.Und ob danach was passiert,läßt sich nicht mit Sicherheit sagen.

trec.
1 Jahr zuvor

Hallo liebe lebende Lesende,

Säule 1: Austritt aus EU.
Säule 2: Austritt aus UN.
(VN / WHO und sonstigen Vertragspartnerinnerinerinnenund -nenernenneriterschischem)
Säule 3: Streichung bestimmter Passūsse (Schlagwortfilter) aus allen Verträgen und dies auf immerwährende Zeit.
Säule 4: Wiedereintritt in umgekehrter Reihenfolge.

Pflanzen zu verbieten hilft beim: Menschen zu verbieten. 🙂

Brandschutz: Ja.
……………………………………………………………………………………………………………………………………………………

……….https://www.youtube.com/watch?v=CGyEd0aKWZE

Zuletzt bearbeitet 1 Jahr zuvor von Trec 0.1
MicMuc
1 Jahr zuvor

@Admin Greg: “Was bleibt vorerst: Eine erhebliche Entlastung von Polizei und Justiz, eine fast akzeptable Situation für Konsument Innen …”?!

Das führst Du als positiv zu wertendes Argument an? Ernstfaft?!

Sie sollten unter der Last Ihrer menschenverachtenden Verfolgung und Zerstörung Millionen unschuldiger Menschen sowas von zusammenbrechen, daß sie
a) keinen Schaden mehr anrichten können und
b) ihre amoralischen Untaten endlich abbüßen müßten …

Zuletzt bearbeitet 1 Jahr zuvor von MicMuc
MicMuc
1 Jahr zuvor

@trec:Du hast mit Deinem Vorschlag absolut recht. Wenn ein systematisches staatliches Unrecht derart gravierend ist, sollte das die Konsequenz sein. Es müßten international gewichtige Länder nur in ausreichend großer Zahl machen, dann wären diese faschistischen Unrechtsverträge vom Tisch‼️‼️‼️‼️‼️

MicMuc
1 Jahr zuvor

Heute habe ich in der Augsburger Allgemeinen gelesen …
“Söder will keine Cannabis-Freigabe in Bayern – Deutsche sind gespalten”
… wonach 46% zu 42% sich positiv hinsichtlich Söders Blokade zur Cannabisfreigabe aussprechen.

Diese “Spaltung” taugt aber weniger zu einem politischen Diskurs als vielmehr für eine Psychotherapie fachkundiger und erfahrener Ärzte.
Doch hinsichtlich der übergroßen Zahl dissoziativ gestörter Mitbürger dürften die allermeisten weggestorben sein, bevor sie überhaupt einen Termin oder gar einen Therapieplatz bekommen …

Ich bin zwar kein Mediziner, weshalb ich nur als Philosoph ein Urteil abgeben kann hinsichtlich der Frage, ob unsere Gesellschaft noch zu retten ist. Nach kurzem Überlegen fällt meine Prognose negativ aus …

MicMuc
1 Jahr zuvor

https://www.augsburger-allgemeine.de/bayern/muenchen-ausstellung-im-justizpalast-erinnert-an-opfer-der-ns-justiz-id66198281.html

Ausstellung im Justizpalast erinnert an Opfer der NS-Justiz
________
Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU). “Mit der neuen Ausstellung halten wir die Erinnerung an ihre Schicksale wach und zeigen, wohin es führt, wenn Unrecht anstelle des Rechts tritt.”
________

Eine Ausstellung der Justiz im Justizpalast❗
Ausgerechnet‼️

Wer die Justizgeschichte der Nachkriegszeit bis heute nur ansatzweise kennt (#FritzBauer, #Wies!’n-Attentat, #NSU, #Züchtigungsparagraph, #§175, BtMG … ###) wundert sich über das unglaubliche Maß von Hohn und Schamlosigkeit und den Umstand, daß dies niemandem aufstößt.

https://taz.de/Podcast-Searching-Blanka/!5926129/

Mein Rat: Besuchen und – wenn möglich – einen passenden Gästebucheintrag hinterlassen‼️

MicMuc
1 Jahr zuvor

Mutmaßliche Beweggründe für die Streichung von §175 im Jahre 1994:: – Schwuler Umgang ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und somit gesellschaftliche Realität. – §175 bringt keinen nennenswerten Nutzen, das heißt: dadurch wird die Unzucht nicht verhindert, sondern vielmehr entziehen sich Schwule aufgrund der Stigmatisierung staatlicher Kontrolle – Man muß Schwulen staatliche Hilfe und Unterstützung anbieten. Therapie statt Repression! – Die Strafverfolgung angezeigter Unzucht überlastet nur Polizei und Justiz und kostet unnötig Steuergelder – Natürlich muß dabei der Jugendschutz gewahrt werden. Oder wie Fritz Merz es richtig formulierte: „Über die Frage der sexuellen Orientierung: Das geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist… Weiterlesen »