Montag, 1. Juli 2013

Drogenaufklärung im Feuer vernichtet

Beitrag zum 80. Jahrestag der Bücherverbrennung in Deutschland
Autor: Von Michael Kleim, Schildower Kreis

Foto: Louis Lewin

„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.” 

Heine

Die „Aktion wider den undeutschen Geist“ war als eine geistige „Säuberungswelle“ im Sinne der nationalsozialistischen Diktatur gedacht.

Als Höhepunkt dieser ideologischen Brandstiftung loderten am 10. Mai 1933 Scheiterhaufen, auf denen Literatur hingerichtet wurde. Berlin und mehr als zwanzig weitere Hochschulstädte wurden zum Schauplatz dieser Terroraktion. Die Bücherverbrennung nahm vorweg, was wenig später dann auch an Menschen vollzogen wurde. Der Terror richtete sich gegen alles Jüdische, Liberale, Pazifistische und politisch Linke. Auch Schriften von Louis Lewin, dem Begründer der modernen wissenschaftlichen Drogenkunde werden symbolisch verbrannt. Dieser jüdische Wissenschaftler hatte seiner Zeit viel Anerkennung, aber auch viel Feindschaft geerntet. Heute ist er zu Unrecht nur noch Insidern bekannt. Mit Lewins Schriften verbrannte das Anliegen einer humanen, an Sachlichkeit orientierten Drogenaufklärung in den Flammen des Hasses.

1850 wird Levi Levinstein in Tuchel (Westpreußen) geboren und zieht im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern nach Berlin. Sein Vater, ein alteingesessener Kaufmann, ermöglicht im Zuge der jüdischen Emanzipation seinem Sohn eine höhere Schulbildung. Levi Levinstein studiert Medizin.

Im Deutsch-Französischen Krieg dient er freiwillig als Sanitäter. Dabei lernt er im Feldlazarett den Einsatz und die Wirkung des Morphiums kennen. Als einer der ersten Mediziner wird er später vor dem Abhängigkeitspotential dieses Schmerzmittels warnen. 1874 erlangt er den Titel eines Doktors der Medizin mit summa cum laude. Auf Grund antisemitisch motivierter Angriffe in Presse und Fachzeitschriften nimmt er 1876 einen neuen Namen an: Louis Lewin. 1906 übernimmt er den ersten Lehrstuhl für Toxikologie in der Wissenschaftsgeschichte

Mit einer regelrechten Sammelwut trägt er alles, was er erfahren kann – Reiseberichte, Dokumentationen, Drogenpräparate – über die Rauschmittel der Welt zusammen. Gleichzeitig unternimmt er zahlreiche Selbstversuche mit psychoaktiven Substanzen. Im Laufe seiner wissenschaftlichen Arbeit schreibt er über 500 Artikel zu seinem Thema. 1924 veröffentlicht Louis Lewin sein Hauptwerk „Phantastica – Die betäubenden und anregenden Genussmittel“, welches sich ausdrücklich an Ärzte und Nichtmediziner wendet. 1927 erfolgt die zweite Auflage.

Dieses Buch, welches die Wirkung, Anwendung und zum Teil auch kulturelle Bedeutung zahlreicher psychoaktiver Substanzen beschreibt, wird viel gelesen und bald als Standardwerk gesehen. Auf Grund seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse fordert Louis Lewin von der Politik, Drogenprobleme in der Verantwortung der Mediziner zu belassen, da Polizei und Justiz schon rein sachlich dafür nicht zuständig sein können.

Noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten, im Jahr 1929 stirbt Louis Lewin. Seine Bücher werden 1933 vom braunen Mob während der Bücherverbrennung auf den Scheiterhaufen geworfen. In der Reichspogromnacht 1938 wird sein Grab verwüstet. Clara Lewin, seine Witwe, wurde im KZ Theresienstadt umgebracht.

 

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