Dr. med. Franjo Grotenhermen
Mitarbeiter des nova Institutes in Hürth bei Köln und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM).
Dass Cannabiskonsum schizophrene Psychosen bei entsprechend veranlagten Personen auslösen kann, ist seit vielen Jahren bekannt. Weitere Studien geben Hinweise darauf, dass Cannabiskonsum das Risiko für die Entwicklung einer Psychose auch bei Personen, die keine Neigung für diese Erkrankung aufweisen, erhöhen kann. Dies gilt vor allem bei einem Konsum im Jugendalter und bei jungen Erwachsenen. Das Bild über die Beziehung zwischen der Verwendung von Cannabis und schizophrenen Psychosen wird nun durch eine aktuelle Studie aus den USA erweitert. Danach profitierten einige Patienten, die seit vielen Jahren an einer schweren, sonst nicht behandelbaren Schizophrenie litten und im Krankenhaus behandelt werden mussten, deutlich von einer Therapie mit THC.
Die Idee für die Verwendung von THC entstand durch das überraschend gute Ansprechen eines Patienten, der stark psychotisch, gewalttätig und desorganisiert war und auf keine anderen Medikamente ansprach. Bei der Durchsicht seiner Krankenakte war aufgefallen, dass er eine mehrjährige Phase ruhigen Verhaltens aufgewiesen hatte, in der er Cannabis konsumiert hatte. Die Behandler entschlossen sich daher zu einem Behandlungsversuch mit oralem THC. Dabei wurde er innerhalb von Tagen ruhig, logisch und kooperativ und konnte innerhalb von einigen Wochen aus der Klinik entlassen werden.
Von der zuständigen Ethikkommission in New York erhielten die Studienleiter zunächst die Erlaubnis für einen Therapieversuch bei weiteren 3 Patienten, und diese Erlaubnis wurde später um weitere 2 Patienten erweitert. Von etwa 200 Patienten mit chronischer Psychose wurden diese 5 Patienten identifiziert, die die folgenden Bedingungen erfüllten: eine bekannte anhaltende Verbesserung durch chronischen Cannabiskonsum in der Vorgeschichte, ein Fehlen eines relevanten Konsums anderer Drogen, eine gute körperliche Gesundheit, eine Schizophrenie-Diagnose und eine schwere, langzeitige und sonst nicht behandelbare Erkrankung. Alle Teilnehmer hatten eine Vielzahl antipsychotischer Medikamente ausprobiert, mit minimalem oder keinem Ansprechen.
Die Therapie wurde mit zweimal täglich 2,5 mg THC begonnen und auf zweimal täglich 5 mg in der zweiten und auf zweimal täglich 10 mg in der dritten Woche gesteigert.
Insgesamt wurden 6 Patienten (5 Männer, 1 Frau) im Alter zwischen 21 und 43 Jahren in die Studie eingeschlossen. Vier der 6 Patienten zeigten eine klinisch signifikante Verbesserung. Drei der 6 Patienten zeigten ein robustes Ansprechen mit moderater bis erheblicher Reduzierung psychotischer Kernsymptome. Zwei dieser Patienten zeigten eine Verbesserung innerhalb von wenigen Wochen nach Beginn der Therapie, während der dritte Patient acht Wochen benötigte, um eine signifikante Verbesserung zu erzielen. Diese drei Patienten waren vor Beginn der Therapie mit THC schwer krank, konnten jedoch durch den Cannabiswirkstoff so weit stabilisiert werden, dass sie aus der Klinik entlassen werden konnten. Die Behandler weisen ausdrücklich darauf hin, dass die Verbesserungen bei diesen drei Patienten nicht durch eine unspezifische Beruhigung durch THC erklärt werden können.
Bisher wurde in epidemiologischen Studien nur von einer Verschlechterung oder einem unveränderten Bestehenbleiben der Symptomatik von Patienten mit Schizophrenie durch Cannabis berichtet. Zudem haben Studien ergeben, dass die Verwendung von Cannabis das Risiko für die Entwicklung schizophrener Psychosen erhöht. Allerdings war das Risiko nur für Jugendliche und junge Erwachsenen, die die Droge verwendeten, erhöht, und nur ein kleiner Teil der Konsumenten entwickelte eine Psychose. Auch die Verschlechterung der Symptome bei bereits bestehender Psychose betrifft nur einen Teil der Patienten. Daher wurde die Hypothese aufgestellt, dass von den negativen Effekten durch THC bzw. Cannabis genetisch vorbelastete bzw. entsprechend empfindliche Personen betroffen sind.
Eine Studie aus dem Jahr 2005 zeigte, dass THC die psychotischen Kernsymptome einer bestehenden Schizophrenie bei 13 Patienten verschlechterte. Allerdings wurde THC in vergleichsweise hohen Dosen, die zu deutlichen psychischen Wirkungen führten, direkt in die Blutbahn verabreicht. In der aktuellen Studie aus New York wurden jedoch Dosen verwendet, die nach Angaben der Patienten keine psychischen Wirkungen verursachten.
Es ist bisher nicht bekannt, wie die vermutlich wenigen Patienten identifiziert werden könnten, die auf THC ansprechen. Die Kombination von mangelndem Ansprechen auf übliche Medikamente (so genannte Dopamin-Antagonisten) und selbst berichtete Verbesserungen durch Cannabis könnte ein erster Ausgangspunkt sein. Weitere klinische Untersuchungen werden erforderlich sein, um den Wert von THC bei der Behandlung der Schizophrenie einzuschätzen und insbesondere um Kriterien zu entwickeln, mit denen auf Cannabisprodukte ansprechende Patienten identifiziert werden können.
Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin