Mittwoch, 16. Februar 2005

ROLYS GENRE LEXIKON LESSON II. HOUSE

Nachdem ich im letzten Monat die Basics in Sachen Electro zum Besten gegeben habe, betreibe ich nun etwas Aufklärung, was die revolutionäre Hausmusik betrifft, denn my house is your house and your house is mine!


Die Spielarten des House umfassen im engeren Sinne Chicago House, Disco House, Acid House, Garage House, Deep House, Minimal House, Hip House, Tech House, Funky House, French House, Filtered/Peak Hour House, Progressive House, Hard House, Dub House, Tribal House, Latin House, Bhangra House, Happy House, Vocal House und New York Freestyle, wobei ich jetzt nur auf essenziellsten Stile eingehen möchte.


Chicago House (vereinzelt auch Classic House genannt) ist die Ur-Form der heutigen House Music. Die musikalischen Ursprünge des House liegen in der Disco-Musik der späten 70er, deren Einfluss vor allem in Harmonie und Melodieführung bis heute spürbar ist. In dieser Zeit legte der DiscJockey Frankie Knuckles Disco-Klassiker und Euro-Importe im 1977 eröffneten Szeneclub Warehouse auf. Da die Disco-Maxis schon damals Club-Mixes enthielten, waren meist ausgedehnte, auf den Rhythmus konzentrierte Instrumental-Passagen vorhanden. Frankie Knuckles stellte fest, dass gerade diese Rhythmus-Teile die Gäste in Ekstase versetzte und begann sie mit Philly-Soul, P-Funk und elektronischer Musik aus Europa zu phantasievollen Collagen zu vermischen. Von nun an begannen immer mehr schwarze DJs Soul- und Funkstücke mit Kraftwerk-infizierten Dancebeats aufzufrischen. In den Plattenläden sprachen die Leute bald nur noch von „that sound they play down the house“. So erhielt die neue Musik endgültig ihren Namen und der Ur-House erblickte das Licht der Welt. Bereits 1981 gründete sich das erste Chicago House-Label Hot Mix 5. Klassiker waren u. a. Your Love (Frankie Knuckles), Move Your Body (Marshall Jefferson), Funk You Up (Jesse Saunders), Jack Your Body (Steve “Silk” Hurley), Can You Feel It (Mr. Fingers) und Bring Down The Walls (Robert Owens). House zeichnet sich durch seinen basslastigen Klang aus, der so bei Disco noch nicht existierte. Typisch sind die Snare-Schläge bzw. Handclaps auf jeder zweiten Viertelnote im Tempo von ca. 120 bpm.
Äußerst charakteristisch sind die sehr häufig eingesetzten Piano-Loops, und der typische Sound entsteht vor allem durch die Benutzung einer druckvollen Bassdrum, die im so genannten „four to the floor“, also durchgehenden vier Schlägen pro Takt gespielt wird. Besonders beliebt sind dabei die heute nicht mehr produzierten Roland TR-808 und TR-909 Drumsequenzer. Im Unterschied zum Techno mit seinem meist geraden, maschinenartigen Grundmetrum, ist House durch punktierte Sechzehntel (Shuffle) geprägt (pro Viertel wird die zweite und vierte Sechzehntel nach hinten verschoben). Essenzieller Bestandteil für die Entwicklung des House als eigenständigen Musikstil ist auch die extreme Formalisierung der musikalischen Struktur durch fast ausschließliche Verwendung von Sequenzen, deren Längen Potenzen zur Basis 2 sind. Alle acht Takte verändert sich durch das Hinzufügen oder Wegnehmen einzelner solcher Sequenzen das Klangbild, Brüche werden auf diese Weise vermieden. Hierdurch reduziert sich der Gehalt der Musik und es entsteht eine gewisse Monotonie. Später griffen die Detroiter Produzenten Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson diese neue Liebe zur Monotonie auf und entwickelten daraus Detroit Techno. Zu Beginn der 90er-Jahre verbreitete sich der Begriff House vielerorts auch als Oberbegriff für verschiedene Arten elektronischer, rhythmischer Musikstile, dem selbst anfangs die neu entwickelte Technomusik noch als Techno House untergeordnet wurde. Das führt allerdings zu einigen Verwirrungen, da es inzwischen auch einen Stil namens Tech House gibt, eine technoisierte Form moderner minimalerer House-Musik.


Um 1985 wurde in Chicago, relativ parallel zur Entstehung von Techno in Detroit, Acid House entwickelt und schwappte 1987 auch nach Europa. Acid House ist minimalistische House Music mit einem pumpenden 4-to-the-floor-Beat in einer Geschwindigkeit von 118 bis 135 bpm, die auf den hämmernden Rhythmus des Drumcomputers Roland TR-808 und andere Klangspielereien reduziert ist. Die meist vocallosen Tracks bauen sich langsam auf und steigern ihre Intensität bis zum Break. Auf die Loops werden oft Echos und Back-Spins gelegt.
Dazu kommt der charakteristische Acid-Sound: ein stark verzerrtes Blubbern und Zwitschern, das mit dem Bass-Synthesizer Roland TB-303 Bass Line erzeugt wird. Im Gegensatz zum Chicago House sind beim Acid House keinerlei Discoeinflüsse mehr zu spüren. Acid House-Klassiker waren vor allem Acid Tracks (Phuture, 1986), Beat Dis (Bomb The Bass, 1987), Voodoo Ray (A Guy Called Gerald, 1988), Theme From S-Express (S-Express, 1988) und We Call It Acieed (D Mob, 1988).


Garage House (auch als New York House bezeichnet) ist eine House-Stilart bei 115 bis 125 bpm mit vielen gospel- und soulbasierten Vokalpassagen, die vom Philly Soul beeinflusst wurden.
Garage House ist weiterhin von einem breiten Bassline-Repertoire und häufigem Hi-Hat-Gebrauch gekennzeichnet und klingt viel soul- und discobeeinflusster als Chicago House. Einflussreiche DJs waren Tony Humphries, Little Louis Vega und Kenny Dope Gonzales, und wichtige Garage House-Tracks erschienen mit Don’t Make Me Wait (NYC Peech Boys), If You Should Need A Friend (Blaze) und I Can’t Get No Sleep (Masters At Work).


In New York entwickelte Fingers Inc. 1986 den Deep House, der sich mit seinen jazzigen, gesangslastigen Arrangements von Garage House abhebt. Deep House hat ungefähr die selbe Geschwindigkeit wie Disco, aber hypnotisierendere Grooves und war eine Reaktion auf die vorherrschende hysterische Party House Music. Elementar und charakteristisch neben einer kräftigen Portion Soul ist die Nighttime-Atmosphäre, betont durch Strings- und Flute-Sounds.
Tyree Coopers Klassiker Nighttime (1989) und Summertime (1989), Fast Eddies Can U Still Dance (1988) und Marshall Jeffersons Truth Open Your Eyes (1988) waren exzellent, und zu den stilprägenden Alben gehören u. a. Frankie Knuckles’ Deep House und Joe Smooths Promised Land. Musikgeschichtlich gesehen war die Entwicklung des Deep House die Weiterentwicklung des Chicago House mittels der Fusion mit dem Garage House aus New York zu einem neuen gemeinsamen Sound und einer Vereinigung und Annäherung der beiden bisher sehr getrennt und autark existierenden Szenen. Deep House ist bis heute der in den Clubs am weitesten verbreitete House-Stil.


Speed Garage ist eine Musikrichtung, die 1997 in England entstand. Mit dem Begriff wird eine schnelle Spielform des Garage House (ca. 130 bis 140 bpm) bezeichnet, der jedoch mit Elementen aus dem Drum&Bass gespickt ist, vor allem mit den typischen Subbässen, die für dieses Genre charakteristisch sind. Speed Garage wurde in England von einer sehr schicken Szene konsumiert, und die Veranstaltungen waren meist nachmittags (statt nachts). Die Modewelle ebbte jedoch schnell wieder ab, bis um die Jahrtausendwende der Stil zum 2Step mutierte.

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