Dienstag, 2. April 2019

Israel entschärft Cannabis-Verbot – für drei Jahre

Cannabis-Konsumenten werden seit 1. April im Rahmen einer dreijährigen Versuchsphase „teilentkriminalisiert“

 

Sadhu van Hemp

 

 

Während in Deutschland der Verfolgungsdruck auf Cannabis-Konsumenten stetig steigt und die polizeiliche Kriminalstatistik immer mehr Rauschgiftdelikte ausweist, beabsichtigt Israel, die Jagd auf kleine Kiffer nicht weiter auf die Spitze treiben zu wollen. Gestern startete eine dreijährige Versuchsphase, in der Cannabis-Besitz nicht mehr automatisch zur Strafanzeige führt. Geduldet wird fortan der Besitz kleiner Mengen Marihuana zum persönlichen Gebrauch in den eigenen vier Wänden – und das war’s auch schon mit der guten Nachricht.

 

Die neuen Richtlinien erwecken zwar den Eindruck des Freifahrscheins für Freizeitkiffer, doch unterm Strich bleibt alles beim Alten. Wer im öffentlichen Raum kifft oder mit Cannabis angetroffen wird, darf von den Strafverfolgungsbehörden weiterhin drangsaliert werden. Der Unterschied besteht nur darin, dass nicht vorbestrafte Personen, die mit Marihuana und Haschisch angetroffen werden, künftig nicht mehr sofort als Straftäter eingestuft werden, sondern beim ersten Verstoß mit einer Geldstrafe in Höhe von 1000 Schekel (250,00 Euro) zur Räson gebracht werden sollen. Kommt es binnen fünf Jahren zu einem erneuten Verstoß gegen das Hanfverbot verdoppelt sich die Geldstrafe. Beim dritten Gesetzesübertritt innerhalb von sieben Jahren wird ein Strafverfahren eingeleitet, das nur abgewendet werden kann, wenn der Haschgiftverbrecher die Zahlung einer saftigen Geldstrafe, den Entzug der Fahrerlaubnis bzw. des Waffenscheins akzeptiert.

 

Die israelische Regierung geht somit nach wie vor davon aus, dass der Genuss von Cannabis negative Einflüsse auf das gesellschaftliche Zusammenleben hat und auch zukünftig zu unterbinden ist. Allerdings soll sich der Fokus nunmehr darauf richten, Cannabiskonsum vorrangig als ein Problem der Volksgesundheit zu betrachten, das es zu lösen gilt, ohne gleich alle Kiffer in die kriminelle Ecke zu stellen. Israel folgt somit dem portugiesischen Rechtsverständnis, Cannabis-Konsumenten erst dann juristisch in die Mangel zu nehmen, wenn sie unbelehrbar an ihrem kleinen Laster festhalten.

 

Für die Polizei ändert sich mit den neuen Richtlinien für die Strafverfolgung von Kiffern rein gar nichts. Die Kifferjagd kann unvermindert fortgesetzt werden in einem Land, in dem Polizei und Militär wie die Schießhunde auf die Bürger aufpassen. Mit Nachsicht von Seiten der Polizei wird der ertappte Haschsünder also nicht rechnen können, zumal der Gesetzgeber keine Angaben darüber macht, ab welcher Menge eine Strafanzeige unumgänglich ist. Die israelische Anti-Drogenbehörde empfiehlt, den Besitz von bis zu 15 Gramm Cannabis als geringfügig anzusehen. Doch wie wenig oder wie viel Rauchware von der Polizei auch aufgespürt wird, in jedem Fall wird sie konfisziert.

Ausgeschlossen von der neuen Regelung bleiben Soldaten und Strafgefangene, für die unverändert ein striktes Hanfverbot gilt. An den Kragen geht es auch minderjährigen Konsumenten, die mit der obligatorischen Jugendstrafe inklusive aller Konsequenzen zu rechnen haben.

 

Die israelische Regierung glaubt, dass die Reform ein wichtiger erster Schritt in Richtung einer „begrenzten Legalisierung“ ist, doch letztlich war es nur ein Tippelschritt, der keinen Fortschritt bringt, um das Elend der Prohibition wirklich zu beenden. Die Chance, einen echten Paradigmenwechsel in der Hanfpolitik hinzukriegen, ist vertan. Dafür wurde mit dieser neuen Regelung absichtlich oder unabsichtlich der Polizei Tür und Tor geöffnet, um Hinz und Kunz im Vorbeigehen unbürokratisch und kostengünstig abzustrafen.

 

 

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

5 Kommentare
Ältester
Neuster Bewertung
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen
Otto Normal
4 Jahre zuvor

“…im Rahmen einer dreijährigen Versuchsphase…”

Was passiert wenn der “Versuch” fehlschlägt?
3 Jahre “Schonzeit” um danach bei “frischen Wildbestand” um so mehr zum Hallalli der Kifferjagt zu blasen?
Erinnert mich an die Wildschweinjagt.

Tom
4 Jahre zuvor

„begrenzte Legalisierung“, wasn das fürn Blödsinn? Entweder etwas ist legal, also gesetzeskonform, oder es ist eben illegal, also nicht gesetzeskonform. Wie kann etwas ein bisschen gesetzeskonform sein? Hängt das von der Nasenlänge oder der Haartracht des Kiffers ab, oder etwa davon ob der Polizeichef ne harte Nacht hatte und jetzt die Sau rauslassen will? Sorry, aber dafür gibt es einen Namen: WILLKÜR, und diese öffnet der Korruption Tür und Tor. Das Endergebnis sollte man gerade in Israel kennen.

Rainer Sikora
4 Jahre zuvor

Es kommt mir so vor,als wollte man die echten Konsumenten herausfiltern.Also diejenigen, die sich nicht von staatlichen Erziehungsmethoden abhalten lassen.Soviel ziviler Ungehorsam kriegt die volle Ladung verpaßt.In Ruhe alt werden und sterben geht nur mit zivilen Gehorsam.Aber immer schön Steuern zahlen,als Belohnung für Beamte.

Harald
4 Jahre zuvor

Bei Nacht sind alle Katzen grau! 🙂

Le TelAvivien
4 Jahre zuvor

War der Autor in den letzten Jahren in Israel? Auch wenn (schon heute nur) eine Geldstrafe auf den Besitz von Cannabis steht – die Polizei interessiert das herzlich wenig. Der Strand von Tel Aviv ist das beste Beispiel. Die Formulierung “Polizei und Militär wie die Schießhunde auf die Bürger aufpasse” erinnert eher an das bewachen in einem Konzentrationslager, denn das Beschützen für die gute Sicherheitslage. Ja, es ist ungewohnt dass im Supermarkt Soldaten mit Sturmgewehr einkaufen. Die Kontrollposten sind in der Regel gut gelaunt und hilfsbereit. Und tragen dazu bei, dass man sich auch in der Altstadt von Jerusalem sicher fühlen kann. Ich empfehle, diesen Satz der Realität anzupassen. Genau wie sich die Regierung der Realität anpasst, in der bereits… Weiterlesen »