Montag, 18. Dezember 2023

Zehn Jahre Cannabis-Legalisierung in Uruguay

Am 10. Dezember 2013 gab das uruguayische Parlament grünes Licht für die regulierte Freigabe von Cannabis +++ Eine Bilanz

Cannabis

 

 

Von Sadhu van Hemp

 

 

Vor zehn Jahren war’s, als Uruguays linker Präsident José „El Pepe“ Mujica das Parlament davon überzeugte, die Versorgung der Bevölkerung mit Cannabis dem Schwarzmarkt zu entziehen und dafür eine staatlich beaufsichtigte Abgabe über Apotheken und Growclubs sowie den Anbau für den Eigenbedarf zuzulassen. Die Umsetzung der Gesetzesreform vollzog sich schrittweise: 2014 begannen die Behörden mit der Registrierung von Konsumenten, Homegrowern und Anbauclubs. Gestattet wurde eine Ernte von 480 Gramm pro Jahr und Privathaushalt bzw. Clubmitglied. 2017 startete schließlich der Verkauf von Marihuana über Apotheken.

 

Die Bilanz nach zehn Jahren Cannabis-Freigabe fällt mittelprächtig aus. Nicht alles läuft rund im kleinsten spanischsprechenden Land Südamerikas mit dreieinhalb Millionen Einwohnern. Der Schwarzmarkt für Haschisch und Marihuana konnte nicht ausgetrocknet werden. Laut einer Studie des uruguayischen „Institut zur Regulierung und Kontrolle von Cannabis“ (IRCCA), das Produktion und Verkauf reguliert, erwerben nur 27 Prozent der Konsumenten ihre Rauchware über legale Bezugsquellen.

 

Das ehrgeizige Ziel, den illegalen Handelsorganisationen nachhaltig den Boden im Cannabis-Business zu entziehen, wurde nicht erreicht. Die Nationale Drogenbehörde JND verbucht jedoch als Erfolg, dass der Schmuggel von minderwertigem Marihuana aus dem benachbarten Ausland zurückgegangen sei. Aufgrund der Zunahme registrierter einheimischer Erzeuger hätten die illegalen Importeure mehr und mehr das Nachsehen, da viele Konsumenten Qualitätsware aus Uruguay bevorzugen.

 

Stand Juni 2023 haben sich 86.207 Hänflinge registrieren lassen, was einen Anteil von etwa 2,5 Prozent an der uruguayischen Gesamtbevölkerung entspricht. 66 Prozent der erwachsenen Marihuana-Konsumenten sind nach offiziellen Schätzungen nicht registriert und versorgen sich auf dem Schwarzmarkt, auf dem auch hochpotentes legal gezogenes Gras abseits der Vorschriften gehandelt wird.

 

Dass der uruguayische Weg der Legalisierung reichlich holprig ist, liegt auch daran, dass wie so oft der Teufel im Detail steckt. Den Verordnungen mangelt es an Verbraucherfreundlichkeit. Die Konsumenten beklagen u.a., dass es landesweit zu wenig Apotheken gibt, die Marihuana anbieten. Laut dem IRCCA sind derzeit 25 der rund eintausend Apotheken des Landes zum Verkauf von Cannabis registriert – allein die Hälfte davon in Montevideo. In manchen Regionen gibt es gar keine Apotheken, in denen Cannabis abgegeben wird.

Die geringe Bereitschaft der Apotheker, eine Lizenz zu beantragen, liegt zum Teil auch in der Angst begründet, sich mit dem legalen Cannabis-Business Nachteile einzuhandeln. Viele Geldinstitute weigern sich schlicht, „Drogengelder“ zu verbuchen, weil man nicht gegen internationale Geldwäschevorschriften verstoßen will.

 

Unmut herrscht auch darüber, dass umständlich ein Termin vereinbart muss, um ein Tütchen Gras zu erwerben. Überdies ist das Marihuana aus der Apotheke mit einem THC-Gehalt zwischen zehn und 15 Prozent vielen Kunden nicht potent genug. Seit Dezember 2022 haben die Apotheken jedoch eine indicadominierte Hybridsorte im Angebot, die eine deutlich höhere Psychoaktivität aufweist als die beiden bislang verkauften Sorten. Der Preis für ein Fünf-Gramm-Tütchen der Sorte „Gamma“ beträgt 460 Pesos, was rund zwei Euro pro Gramm entspricht.

 

Für den Eigenanbau in den eigenen vier Wänden haben sich 17 Prozent der offiziell registrierten Konsumenten angemeldet, während sich über Cannabis-Anbauclubs zwölf Prozent selbstversorgen. Viele der 308 Anbaugenossenschaften haben jedoch lange Wartelisten, da maximal 45 Mitglieder gesetzlich zugelassen sind. Pro Jahr dürfen nicht mehr als 99 Pflanzen zur Blüte gebracht werden.

 

„Die größte Errungenschaft ist die Schaffung eines legalen Marktes, den es vorher nicht gab, und wie jeder legale Markt hat er Vorteile“, sagt der Politikwissenschaftler Rosario Queirolo, der an der Katholischen Universität Uruguay lehrt und die Auswirkungen des Gesetzes untersucht hat. Es sei von immensem Vorteil, dass den Konsumenten die Möglichkeit eröffnet wurde, sich aus dem kriminellen Drogenmilieu zu lösen und vor allem über Apotheken qualitätsgeprüftes Cannabis zu einem günstigen Preis zu erwerben.

 

Erfreulich auch, dass sich die Legalisierung medizinischen Marihuanas zu einer sprudelnden Geldquelle für Vater Staat entwickelt hat. Seit 2019 hat der uruguayische Fiskus dank des Exports mehr als 20 Millionen Dollar eingenommen. Hauptabnehmer sind die Nachbarländer Brasilien und Argentinien sowie die Schweiz, Israel, Portugal, die USA und auch Deutschland.

 

Das derzeit regierende Mitte-rechts-Bündnis um Präsident Luis Lacalle Pou steht dem Cannabis-Boom zwar ablehnend, aber zugleich machtlos gegenüber. Die neuen Wissenschafts- und Wirtschaftszweige, die nach der Legalisierung entstanden sind, strotzen vor Kraft und Tatendrang.

Auch die Zustimmungsrate in der Bevölkerung für einen entspannten Umgang mit der Hanfpflanze wächst. Die Zahl der Prohibitionsbefürworter sank von 66 auf 45 Prozent. Der Meinungsumschwung ist unstrittig darauf zurückzuführen, dass die Menschen angesichts der Vorteile, die die Freigabe mit sich bringt, zusehends die Angst vor der bösen Haschgiftpflanze verlieren. In Uruguay ist die Mehrheit der Gesellschaft offensichtlich nicht mehr willens, sich dem Diktat des internationalen Hanfverbots zu beugen und wie vor 2013 Straftäter am Fließband zu produzieren

 

 

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7 Kommentare
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Rogg
11 Monate zuvor

Der Grund für nicht mal 30% legalen Marktanteil könnte hausgemacht sein. Regelungen wie niedriger THC Gehalt, wenige Pflanzen für private Haushalte und schlechte Verfügbarkeit ( gibt nur zwei staatliche Anbieter) in Apotheken, machen einen legalen Markt eben wenig attraktiv. Wenn man an Konsumentenwünschen und der Realität vorbei reguliert, kann das kein Erfolg, im Sinne der Marktübenahme, werden. Auch bei uns könnte die Kaputtregulierung durch die Bremser, das Clubmodell als Rohrkrepierer Enden lassen. Viel Zeit zu beweisen, dass es funktioniert, bleibt nun eh nicht mehr. Im Sommer “soll” es losgehen…soll. !!
Mal abwarten. D.h. man kann frühestens im Herbst mit der Abgabe beginnen…1 Jahr bevor alles wieder eingestampft wird. Ich lach mich kaputt…

Qi San
11 Monate zuvor

@Rogg
Die Apothekenblüte Purple Dog Bud aus Uruguay war mit 23,3 % medizinisch wirklich hervorragend. Leider nicht mehr von Fotmer Life Sciences erhältlich – das von Tilray ist deutlich weniger wirksam (und teurer).

Das ”deutsche Modell“ ist eine 200 Seiten umfassende Totgeburt.
Bremser-Scholz und Heizer-Lauterbach halten die Lok im Schuppen und den Kessel kalt.
Ende der Geschichte.

Zuletzt bearbeitet 11 Monate zuvor von QiSan
Fred
11 Monate zuvor

27 % Rückgang beim Schwarzmarkt halte ich schon für bemerkenswert.
Bedenkt man die Melde und Registrierungspflichten der Uru’s ist das schon fast ein Wunder. Zeigt aber auch deutlich, daß ein legales Angebot die illegale Seite zurückdrängen kann.

Je klarer und unbürokratischer eine Legalisierung eingeführt wird, je größer ist der Erfolg. Oder umgekehrt: Umso mehr Bedenkenträger ihren Einfluss in die Gesetzgebung einfließen lassen und das Gesetz verwässern, desto schlechter fällt das Ergebnis aus.

Ramon Dark
11 Monate zuvor

Nun, wenn die Ursachen und Hintergründe des Schwarzmarktfortbestehens doch eindeutig bekannt sind wird die dortige reaktionäre Regierung alles tun, um sie mindestens aufrechtzuerhalten. Es braucht da ebenso eindeutig neuen politischen Schwung in der Sache. Sich als cannabiskonsumierende Person erst registrieren lassen zu müssen ist ja auch schon allein abschreckend und diskriminierend genug. So etwas bei Alkohol mit seinem hohen organzerstörenden körperlichen Suchtpozenzial einzuführen würde dort dann ungerechterweise auch garantiert niemand machen.

Haschberg
11 Monate zuvor

Respekt !
An so viel Weitsicht in Sachen gut funktionierender moderner Drogenpolitik können sich unsere armseligen, konservativen Volksverarscher in der Regierung gerne mal orientieren, anstatt die Bevölkerung unablässig mit ihren teuflischen und dennoch legalen Todesdrogen krank zu machen und ihr ausgerechnet das gute medizinisch wertvolle Cannabis zu verbieten.
Eine solch üble, ja geradezu hundsgemeine Perversität werden sich immer weniger aufgeklärte Menschen gefallen lassen und künftig einfach das konsumieren, was sie aus gutem Grund für ihre Gesundheit für richtig halten.

buri_see_kaeo
11 Monate zuvor

Na, na, na, Haschberg… aufgeklärte Menschen… ich rate zu YT, Suchbegriff “freie Energie”. Da löten welche ‘nen Draht an PKW-Zündkerzen, ‘ne Lampe d’ran: power = 30000 Watt. Aufgeklärte Menschen waren neulich in Berlin, brüllen Neuwahlen, Neuwahlen… Ja, brauchen wir… damit’s aufhört, dass der Schwanz mit dem Hund wedelt, dann wäre die AfD der Hund. Das sehe ich als die vom gestrengen Oberlehrer durch Hass, Hetze, Lügen herbeigeführten Folgen. Schöne Neuwahlen in Berlin, da könnte AfD > CDU. Zur Destabilisierung unserer politischen Systeme braucht niemand einen Putin, in DE haben wir den Braunen Fritz, die Niederländer ihren Nazi-Mozart-den-Zweiten. Und da war man so eifrig daran, mit Argumenten (bitte mal die Begriffserklärung verstehen) eine Veränderung zu bewirken… kommt Hr. Fiedler: …ich war… Weiterlesen »

Ralf
11 Monate zuvor

Leider enttäuscht mich auch ein Sadhu van Hemp hier, indem er nichts anderes zu tun hat als in der zweiten Zeile pauschal auf den “Schwarzmarkt” einzuprügeln indem er ihn als Hauptargument für eine Legalisierung anführt. Es scheint aber ja doch so dass die Kosumenten ihren ehrlichen und wohl bekannten “Schwarzhändler” dem pseudolegalen Hanflizenzinhaber oder gar Konzernbonzengras vorziehen.
Das Hauptargument lautet nämlich GERECHTIGKEIT aber natürlich macht dies auch vollkommenklar um was es dabei geht nämlich um den Manmmon und nicht um die Menschen.
Die weiterhin bestehende himmelschreiende Ungerechtigkeit gegenüber dem Alkohol scheint ja mittlerweile jedem am Arsch vorbei zu gehen und solange das weiter stattfindet kann man mich mit jeglicher Art verlogener Nebelkerzenlegalisierung am Ar…. lecken.