Sonntag, 20. März 2022

Cannabisrezepte lassen nach

Die Barmer verzeichnet rückläufige Zahlen – andere auch?

Als Medizinalcannabis vor fünf Jahren legalisiert wurde, war der Ansturm groß: Die Zahl der Cannabisrezepte wuchs rasant an, zehntausende Einheiten wurden in den folgenden Jahren bundesweit verkauft. Auch wenn hier noch lange kein Ende in Sicht ist, scheint der Boom erstmal vorbei. Denn: Die Krankenversicherung Barmer verzeichnet erstmals einen Rückgang bei den Anträgen auf Cannabisrezepte.

Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer, sieht die Lage nüchtern: “Der große Hype um Cannabis scheint vorbei, und es wird gezielter eingesetzt. In einem therapeutischen Gesamtkonzept kann Cannabis bei Schwerkranken sinnvoller Teil der Behandlung sein. Aber es ist eben kein Allheilmittel und als Schmerzmittel allein unzureichend,” so Straub gegenüber der Welt am Sonntag. Er betonte zusätzlich dass die Forschungslage um Cannabis bisher noch unausgereift sei; die Wirkmechanismen seien oft noch nicht zu Genüge verstanden um sie in Behandlungskonzepte aufzunehmen.

Der Rückgang ist dabei nicht zu unterschätzen: 2019 gab es noch 5824 Anträge beim Versicherer, in den folgenden Jahren waren es nur noch 4881 und 4272 – das sind jährliche Rückgänge zwischen 10 und 20 Prozent. An der Versicherung liegt dies nicht: Mit 70 Prozent bewilligt die Barmer mehr als zwei Drittel aller Anträge. Die meisten Anträge (prozentual gesehen) stammen im Übrigen aus dem Saarland, Bayern und Berlin. Sachsen stellt das Schlusslicht, mit lediglich 198 Anträgen auf 100.000 Einwohner. Ob die baldige Legalisierung beim Rückgang eine Rolle spielt, lässt sich nicht sagen.

Möglicherweise ist die dennoch geringe Versorgung auch anderen Faktoren geschuldet: Cannabis darf nur als Rezept verschrieben werden, wenn kein anderes Medikament in Frage kommt. Zudem sind die Kosten oftmals sehr hoch – je nach Produkt schwanken die Preise stark, halten sich aber mitunter trotzdem auf dem Schwarzmarktniveau. Zudem lässt sich sagen, dass die Barmer zwar einen Hinweis auf die Lage der Cannabisrezepte geben kann – die Zahlen anderer Versicherer waren allerdings nicht einsehbar. Denn auch wenn die Barmer rückläufige Anträge verzeichnet: Die Nachfrage nach Cannabis selbst war vergangenes Jahr so hoch wie noch nie.

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5 Kommentare
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buri_see_käo
2 Jahre zuvor

“Rückgang bei den Anträgen auf Cannabisrezepte”, wer hätte das gedacht???, es strebt jede Entwicklung einer Sättigung zu, auch wenn alle BWL-er ihrem Publikum einreden, es gäbe unendliches Wachstum. Als ich im Kinderalter eine Verstauchung hatte, schmierte der Ur-Opa ‘ne Salbe drauf und sagte: “Morgen ist nur noch halb so schlimm…”. Shycae, dachte ich, und in 2 Tagen viertel so schlimm, u.s.w.. Damals ging ich noch nicht zur Schule!, war o.g. Personen aber schon voraus.
mfG  fE

Rainer
2 Jahre zuvor

Man darf dabei nicht vergessen,daß es um Anbauverhinderung ging,und nur zweitrangig,ob die Pflanze den Anforderungen einer Arznei entspricht.Und so kompliziert und schwierig der Erwerb über Rezept und Kasse,ist auch so gewollt.Da scheut man zurück.Vor allem,wenn man keinen entsprechenden Befund hat.Wenn man das ganze ohne Krankenkasse selber zahlen kann,ist es schon einfacher.Ich habe mich noch nicht nach einem Arzt erkundigt,den man kontaktieren könnte.Aber so einen braucht man auch.Und privatversichert scheint auch hilfeich zu sein.Der Arzt muß trotzdem erklären können,wozu ich so ein Rezept brauche.

Ramon Dark
2 Jahre zuvor

Wenn es sich nur um einen Rückgang der Anträge handelt so bedeutet das nicht unbedingt einen Rückgang des Einsatzes von Cannabis als Medizin. Diejenigen, deren Antrag bereits von der Kasse bewilligt wurde brauchen keinen weiteren Antrag mehr zu stellen und bekommen es einfach so lange verordnet und von der Kasse bezahlt, wie die behandelnden Ärzte es für richtig halten. Ich erhalte es schon seit Einführung dieser Gesetzeslage (allerdings erst nach Widerspruch auf Ablehnungsbescheid). Nach einem halben Jahr erfolgreicher Einnahme wollte die AOK die Zahlungen einstellen, aber nach einem erneuten Widerspruch mit Hinweis auf ärztliche Unterlagen und ein Hildesheimer Sozialgerichtsurteil v.21.11.2017 (AZ: S 32 KR 4041/17 ER) sowie einer eingeleiteten Untätigkeitsklage beim für mich zuständigen Sozialgericht bekam ich es schliesslich doch… Weiterlesen »

Kommaklaaa
2 Jahre zuvor

Der einzige Grund, warum die Zahlen rückläufig sind, ist, dass der Schwarzmarkt um einiges billiger ist. Und ich rede nicht von einem Gramm für 10€. Jeder der sich für einen Monat eindeckt, weiß wovon ich schreibe

Haschberg
2 Jahre zuvor

Dass bei den noch immer sehr hohen Hürden einen Antrag auf Cannabis als Medizin überhaupt genehmigt zu bekommen, viele Patienten die Lust verlieren, sollte niemanden verwundern.
Viele Ärzte haben erst gar kein Interesse, diese zeitraubenden Genehmigungsverfahren mit den KK auf sich zu nehmen und winken genervt ab.
Auch das völlig idiotische Argument, man müsse erst andere Alternativen ausgeschöpft haben, um überhaupt Cannabismedizin zu bekommen, halte ich für außerordentlich absurd und patientenfeindlich.
Da muss die neue Regierung dringend nachsteuern und für vereinfachte Verschreibungen sorgen, so wie bei allen anderen Medikamenten auch.