Mittwoch, 25. August 2021

Wenn Kiffer Benzin im Blut haben

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Des Deutschen liebstes Spielzeug ist das Automobil. Doch nicht jeder der 54 Millionen Fahrerlaubnisbesitzer weiß damit vernünftig umzugehen – mit dem Ergebnis, dass jährlich unzählige Verkehrsteilnehmer im Leichensack oder Rollstuhl landen. Wo gehobelt wird, fallen Späne, sagen die, die sich daran berauschen, mit der PS-Blechbüchse Russisch-Roulette zu spielen. Fußgänger und Radfahrer sind die Opfer dieses aberwitzigen Autokults made in Germany, der auch so manchen Hanffreund high macht.

Kiffen und Autofahren – das wohl heikelste Thema für Millionen Hanffreunde, die sich ein Leben ohne Auto nicht vorstellen können. Doch angesichts der inflationär ansteigenden Zahl von Fahrerlaubnisaberkennungen wegen Hanfkonsums per Verwaltungsbeschluss, wird so manch ertappter Cannabis-Sünder vor die Wahl gestellt, entweder aufs Bierchen oder Fahrrad umzusteigen.

Das ist natürlich eine fiese Sache, wenn der Gesetzgeber dem Genusskiffer den Gute-Nacht-Joint verbietet und damit indirekt den Pharmacocktail bzw. hochprozentigen Schlaftrunk empfiehlt. Die Gesundheitsapostel raten sogar zu gänzlichem Verzicht, da man ja auch ohne Drogen ein erfülltes Leben haben kann. Schließlich könne man sich ja auch mit einem Kasten Konfekt und der Bibel in den Schlaf wiegen.

Doch Hand aufs Herz! Wer bewältigt den Stress des Alltags und die Ruhelosigkeit des Lebens nicht mit grenzwertigen Hilfsmitteln, die beruhigen und entspannen? Während die einen mit Drogen aller Art das hormongedopte Kreislaufsystem zur Nachtruhe herunterfahren, schalten andere erst nach einer halbstündigen Amok-Heimfahrt auf Stand-By-Modus. Niemand kann wirklich von sich behaupten, er lebe nicht für die vielen kleinen Rauschmomente des Tages, die Herz und Seele befreien. Glückshormone sind der Kraftstoff des Menschen, und jeder versucht auf seine Weise dem Körper ein schönes Gefühl zu entlocken.

Nun würde in Deutschland niemand auf die Idee kommen, Bürgern die Fahrerlaubnis zu entziehen, nur weil sie sich gerne an fettem Essen berauschen, sich in der Spielsucht verlieren oder die körpereigenen Endorphine mit einem kleinen Triathlon herauskitzeln. Die Frage stellt sich gar nicht, ob ein Weinliebhaber wegen seines Hanges, täglich den Geist des Weines zu rufen, überhaupt noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, um am Straßenverkehr teilzunehmen. Wer ein oder zwei Schoppen intus hat, kann sich guten Gewissens hinters Steuer setzen und den Schwips sogar noch mit ein bisschen Geschwindigkeitsrausch verstärken. Und wenn man dann mal über die Stränge schlägt und dabei erwischt wird, halb so schlimm: Das Bußgeld wird aus der Portokasse gezahlt und weiter geht die „freie Fahrt für freie Bürger“.

Das alles und noch viel mehr dürfen die Cannabiskonsumenten nicht. Kiffern wird per se die charakterliche Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs abgesprochen. Wer die Finger nicht vom Joint lassen kann, ist in den Augen des Gesetzes geistig minderbemittelt und körperlich behindert – und das so lange, bis nach intensiven medizinischen Untersuchungen und seitenlangen Expertisen Cannabis-Abstinenz nachgewiesen werden kann.

Dass diese Ungleichbehandlung der Kiffer mehrfach gegen die Grundrechte verstößt, ficht Polizei, Justiz und Fahrerlaubnisbehörden nicht an, Ein bisschen Willkür seitens des Staates darf es schon sein, zumal Cannabis ja kein Brokkoli ist.

Die Rechtsauffassung, Menschen allein auf Grund des Hanfkonsums die Fahrtauglichkeit abzusprechen, ist gruselig und erinnert an die „Rechtsprechung“ der Inquisition der römisch-katholischen Kirche. Wie damals soll den Menschen der Dämon – diesmal in Gestalt der Hanfpflanze – ausgetrieben werden.

Zwar werden die vom bösen Kraut Besessenen nicht gefoltert, gevierteilt und auf dem Scheiterhaufen gebracht, aber ein bisschen Existenzvernichtung muss schon sein. So führt die Maßregelung der ertappten Hanfsünder in einer mobilen Gesellschaft zu unnötigen Härtefallen, denn oftmals geht mit dem Entzug des Lappens auch der Arbeitsplatzverlust einher, der den Betroffenen in den Strudel des sozialen Abstiegs reißt.

Die Rechtsethiker schweigen zur Unrechtspraxis, Hanfkonsumenten vorsorglich als Verkehrsrowdys zu denunzieren und per Verwaltungsakt aus dem Straßenverkehr zu entfernten. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier die Staatsräson über dem hohen Gut des Rechts steht, frei nach dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen. Wenn Vater Staat den Übeltäter schon nicht wegsperren kann, dann beraubt man ihn eben der Mobilität.

Das Beste an dieser vorsintflutlichen Rechtspraxis ist, dass sie funktioniert. Offensichtlich ist die Angst vor dem Mobilitätsentzug, also der Wegnahme der Pappe, größer als Gerechtigkeitssinn und Widerspruchsgeist. Millionen kiffende Autofahrer schwimmen mit im Schwarm der anderen Rußfurzer – begleitet von der Angst, dass die Mausefalle jederzeit zuschnappen kann und die Tüte vom Vorabend zum Verhängnis wird. Ein Ausscheren ist in dieser Lage unmöglich, und wer Gesicht zeigt, der macht sich nur zum kostenintensiven Opfer des MPU-Gewerbes. Während es in die Hippiezeit noch üblich war, sich ein Hanfblatt auf die Ente oder den R4 zu pappen, wagt es heute niemand mehr, auch nur den Anschein eines Kiffers zu erwecken.

Doch was hilft alle Tarnung, wenn selbst die, die die Getarnten enttarnen, getarnt sind? Ein Polizist von heute kennt sich aus und sieht es den Leuten an der nicht vorhandenen roten Nasenspitze an, dass nicht pusten, sondern pinkeln angesagt ist – und die hohe Trefferquote gibt ihm Recht.

Während andere Autofahrer die Straßenverkehrsordnung frei interpretieren und munter ausreizen, muss der Hanffreund stets darauf achten, sich möglichst unauffällig im Verkehr zu verhalten. Hänflinge können sich nicht das Recht herausnehmen, mit rücksichtsloser Fahrweise aufzufallen – im Vertrauen darauf, dass die Rechtschutzversicherung einen „Fauxpas“ wieder geradebügelt. Auch eine Mitgliedschaft im Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC) hilft den THC-positiven Autofahrern nicht, um aus der Zwickmühle herauszukommen. Zwar verfügt der ADAC mit seinem 17 Millionen Mitgliedern über ordentlich Macht, um zu Gunsten der vielen Möchtegern-Rennfahrer, die süchtig nach Temporausch sind, politischen Einfluss zu nehmen, aber das Thema „Cannabis im Straßenverkehr“ ist tabu. Solidarität mit den kiffenden Clubmitgliedern zeigt der ADAC nicht.

Solidarität unter den Autofahrern ist ohnehin eine Illusion. Letztlich sind selbst die im ADAC organisierten Autonarren allesamt nur Einzelkämpfer, die sich im öffentlichen Straßenland bis aufs Blut bekriegen und dem Verkehrspartner auch nicht die kleinste Lücke gönnen. In letzter Konsequenz würde der PS-Junkie niemals auf seine tägliche Dosis Benzindämpfe verzichten, wohl aber auf die aus der Haschpfeife.

Eine breite Front der Hanffreunde gegen die Willkür der Fahrerlaubnisbehörden wird es vorläufig nicht geben. Erst wenn der amtliche Kahlschlag die Autoindustrie spürbar straft, wird Bewegung in die Sache kommen. Denn jede entzogene oder nicht erteilte Fahrerlaubnis bedeutet eine Konfektionsschachtel weniger auf der Straße. Anno 2000 besaßen noch 52% der 18- bis 29-jährigen deutschen Männer ein Auto, heute sind es gerade mal knapp 30%. Doch bei mehr als fünfzig Millionen zugelassenen Fahrzeugen und jährlich rund 100.000 Führerscheinverlusten relativiert sich auch das, und der Haschfreund wird mit dem Damoklesschwert, das bei jeder Fahrt über ihm schwingt, auch weiterhin leben müssen.

Doch dieser Nervenkitzel muss nicht stets und immer sein! Wer ehrlich ist, muss zugeben, dass ein erheblicher Teil der Autofahrten überflüssig ist. Die Hälfte aller mit dem Auto zurückgelegten Wege ist kürzer als sechs Kilometer, weiß die Statistik des Bundesverkehrsministeriums. In Berlin sind es gar weniger als dreitausend Meter. Wer klaren Verstandes ist, kommt nicht umhin, mal in sich zu gehen und den inneren Schweinehund davon zu überzeugen, dass man zum Bäcker auch mit dem Drahtesel fahren kann. Der kluge Kiffer hat das „Eisenschwein“ längst überwunden, denn letztlich bereitet die „überdachte Zündkerze“ nur Hektik und Stress, sei es im Stau oder in der Verkehrskontrolle. Und dieses Lebensgefühl widerstrebt dem Hanffreund, der es nun mal entspannt und entschleunigt mag, gemäß der Weisheit des Fußgängers Konfuzius: Der Weg ist das Ziel.

Bleibt nur noch, denjenigen Brüdern und Schwestern, die aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen auf das Automobil angewiesen sind, allzeit gute und unfallfreie Fahrt zu wünschen. Und vielleicht finden sich ja mal ein paar kiffende ADAC-Mitglieder, die mit Massenaustritt drohen, wenn der größte Verein Deutschlands die Problematik weiterhin bagatellisiert.

Eine Glosse von Sadhu van Hemp

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Rainer
2 Jahre zuvor

In den anderen europäischen Ländern,würde so Mancher seinen Führerschein noch haben,der ihn hier jetzt nicht mehr hat.Frankreich ist ähnlich canna phob glaube ich.Aber die Grenzwerte im Serum oder im Blut sind auch verschieden bewertet.In Deutschland möchte ich keinen Führerschein mehr haben.Auch wenn man sich nicht schuldig macht,bleibt so eine allgemeine Verkehrskontrolle eine abartige Erfahrung.