Montag, 7. Oktober 2024

Ist das bayerische Cannabis-Sondergesetz verfassungswidrig?

Parteiübergreifendes Bündnis reicht beim Landesverfassungsgericht des Freistaats Bayern eine Popularklage gegen das Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz ein

Cannabis

 

 

Von Sadhu van Hemp

 

 

 

Die im 4. Jahrhundert aus Böhmen illegal ins Alpenvorland des Römischen Reiches emigrierten Bajuwaren sind schon ein ulkiges Völkchen. Laut Ausweis handelt es sich zwar um lupenreine deutsche Staatsbürger mit allen Privilegien, doch so richtig eingedeutscht sind sie bis heute nicht, die Bayern. Unter weißblauem Himmel tut man sich schwer mit einem Deutschland, das das schöne Bayernland ständig wie ein kleines Kind bevormundet und mit bayernuntauglichen Gesetzen gängelt. Mia san mia, heißt es dann, gefolgt von Ungehorsam und Halsstarrigkeit.

 

Bestes Beispiel für diese Widerspenstigkeit ist die Weigerung der bayerischen Landessregierung, die vom Deutschen Bundestag beschlossene Cannabis-Teillegalisierung ohne Wenn und Aber auch im Bundesland Bayern durchzusetzen.

In einfachen Worten ausgedrückt: Der Freistaat Bayern scheißt auf die Teilfreigabe – mit der Folge, dass zwischen Coburg und Passau im Umgang mit Cannabis strengere Regeln gelten als anderswo.

 

Zu diesem Zweck hat die CSU-geführte Landesregierung mit den Stimmen von Freien Wählern und AfD das bayerische Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz aus dem Hut gezaubert, dass den Genuss von Haschisch und Marihuana auf Volkfesten und in der Gastronomie unter schwerer Strafandrohung einschränkt. Zudem sind bayerische Städte und Kommunen befugt, das Verbot nach eigenem Gutdünken auf bestimmte öffentliche Flächen auszuweiten.

 

Das Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz made in Bavaria hat zur Folge, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer, Cannabis genießen, nach der bundesweiten Teilfreigabe in Bayern weiterhin stigmatisiert, diskriminiert und auch kriminalisiert werden.

Dieses Unrecht sieht auch ein parteiübergreifendes Bündnis, das letzten Mittwoch der Presse den Schriftsatz einer Popularklage gegen das Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz vorstellte – mit der Argumentation, dass sich die bayerische Staatsregierung rechtswidrig gegen den beschlossenen Paradigmenwechsel im Umgang mit Cannabis stelle, den der Bundesgesetzgeber vorgegeben habe. Die progressive Drogenpolitik werde konterkariert und die Stigmatisierung von Cannabis-Patienten und -Konsumenten fortgesetzt.

 

Die Kläger beanstanden, dass keine Gesetzgebungskompetenz des Freistaates Bayern für das Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz gegeben sei. Der Konsum von Cannabis sei durch den Bund im Cannabisgesetz (CanG) und im Konsumcannabisgesetz (KCanG) geregelt worden.

„Der Bundesgesetzgeber kann nicht gewollt haben, dass durch abweichende Regelungen einzelner Bundesländer in diese Normensystematik eingegriffen wird. Denn hierdurch bestünde die Gefahr, dass einzelne Bundesländer die vom Bundesgesetzgeber vorgenommene Abwägung untergraben und durch eigene Wertungen ersetzen; folglich muss nach dem Willen des Bundesgesetzgebers eine abschließende Kodifikation erfolgt sein, damit einzelne Bundesländer die vollständige Neustrukturierung des Umgangs mit Cannabis durch den Bundesgesetzgeber und die damit einhergehenden Abwägungen nicht unterlaufen“, heißt es in der Klageschrift.

 

Auch sind die Kläger der Auffassung, dass die bayerische Staatsregierung gegen das Gebot der Bundestreue und das Rechtsstaatsprinzip verstößt. Ziel des bayerischen Cannabisfolgenbegrenzungsgesetzes sei, den Cannabiskonsum aus dem öffentlichen Raum zu verbannen, was „die Grundkonzeption des Bundes, einen eigenverantwortlichen Umgang mit Cannabis für Erwachsene zu fördern, grundlegend unterlaufe“.

 

Die Kläger, darunter die Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge (SPD), Kristine Lütke (FDP) und Ates Gürpinar (Linke), sehen überdies die Berufsfreiheit von Gastronomen verletzt. In der Klageschrift heißt es dazu: „Ein striktes Verbot des Konsums von Cannabis durch Rauchen oder Verdampfen in Außenbereiche von Gaststätten und auf Volksfestgeländen ist nicht erforderlich, da mehrere relativ mildere Mittel bestehen. Denn es wäre gleich effektiv und gleichzeitig ein geringerer Eingriff in die Berufsfreiheit, den Betreibenden freizustellen, ob diese den Konsum von Cannabis in Außenbereichen verbieten oder nicht und insoweit lediglich eine Kennzeichnungspflicht von Gaststätten zu normieren. Dann könnten Nichtrauchende vor dem Betreten der Gaststätte bewusst entscheiden, ob sie sich Cannabisrauch oder -dampf aussetzen wollten oder nicht.“

 

Hinsichtlich der Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken führt die Klageschrift an, dass ein Konsumverbot erst recht verfassungswidrig sei, „da gleichzeitig das Freiheitsrecht der körperlichen Unversehrtheit betroffen ist, ein nicht zur Disposition stehender personenbezogener Anknüpfungspunkt besteht (Cannabis als Medikation) und ein in Art. 3 Abs. 3 GG genanntes Rechtsgut berührt ist“. Kurz, es lasse sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen, medizinisch indizierten Cannabiskonsum zu verbieten, zugleich aber den ausschließlich zu Genusszwecken erfolgenden Tabakkonsum zu gestatten.

 

Die Erfolgsaussichten der Kläger, dass der Münchener Verfassungsgerichtshof mit einer schnellen Entscheidung den Prohibitionsfanatikern der CSU auf die Füße tritt, dürften jedoch nicht sehr groß sein. Anno 2023 befasste sich das Gericht mit 13 Popularklagen, die allesamt abgewiesen wurden.

Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) kann der Klage also gelassen entgegensehen. „Denn wir sind überzeugt, dass das bayerische Gesetz zur Begrenzung der Folgen des Cannabiskonsums verfassungskonform und auch in der Sache richtig ist.“

 

 

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