Montag, 6. November 2023

Anhörung zum Cannabis-Gesetz verspricht hohen Unterhaltungswert

An diesem Montag kommen im Gesundheitsausschuss des Bundestages die „Cannabis-Sachverständigen“ zu Wort

Cannabis

 

 

Von Sadhu van Hemp

 

 

Die Liste der Fachspezialexperten zur öffentlichen Anhörung in Sachen Cannabis-Teilentkriminalisierung ist lang. Alle wollen sie mitreden bzw. herumnörgeln: Von der Psychotherapeutenkammer über den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie bis hin zur Deutschen Polizeigewerkschaft (DPoIG) sind sie alle dabei, die von sich glauben, sie seien dazu berufen, die deutsche Cannabispolitik mitbestimmen zu müssen. Von 49 Verbänden und Institutionen haben 35 detaillierte Stellungnahmen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung und dem Gegenantrag der CDU/CSU-Fraktion eingereicht, um auf den letzten Metern vor der Verabschiedung der Gesetzesreform im Parlament das Bestmögliche für die eigene Klientel herauszuholen.

 

Gehör werden vor allem die mächtigen Verbände wie die Bundesärztekammer, der Deutsche Richterbund, die Gewerkschaften der Polizei und etliche medizinische Fachgesellschaften finden, während die, um die es geht, weitgehend ungehört bleiben. Zwar sind ein paar Legalisierungsbefürworter geladen, doch da für das Hearing nur zwei Stunden und keine Debatte vorgesehen sind, werden die miteingeladenen Sachverständigen vom Schildower Kreis, dem Grüne Hilfe Netzwerk und anderen Organisationen kaum mehr als mit einem kurzen Räuspern zu Wort kommen.

 

Der mediale Fokus richtet sich auf die meinungsstarken Verbände, die einer Teilentkriminalisierung der kiffenden Bevölkerung ablehnend gegenüberstehen. So ließ die Bundesärztekammer die Öffentlichkeit vorab wissen, dass sie wegen der Cannabis-Freigabe für Volljährige ab 18 Jahren „eine relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen der jungen Generation in Deutschland“ sieht. Darüber hinaus kündigt die Glaskugel der sachverständigen Mediziner eine Zunahme des Konsums an.

 

Auch der Deutsche Richterbund sagt die Zukunft voraus und äußert „erhebliche Bedenken“. Wie die Vertreter der Polizeigewerkschaften rechnen sie mit mehr Arbeit für Polizei und Justiz, da die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die geplanten Cannabis-Clubs und den privaten Anbau überwacht und Verstöße geahndet werden müssen. Zudem wird befürchtet, dass der Schwarzmarkt nicht kleiner, sondern größer wird. Begründet wird diese Weissagung damit, dass der straffreie Besitz und Erwerb von bis zu 25 Gramm Cannabis der Polizei die Handhabe nimmt, zwischen illegal und legal erworbenen Cannabis zu unterscheiden. Kurz gesagt, man verbreitet Angst und Schrecken.

 

Ganz ohne Horrorszenarien kommt die Seite der Legalisierungsbefürworter aus. „Eine Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum ist nicht mehr zu rechtfertigen“, heißt es in der Stellungnahme der „Neuen Richtervereinigung“, einem reformorientierten Verband von Staatsanwälten und Richtern. Trotz aller Verbotsbemühungen sei der Konsum von Haschisch und Marihuana in der deutschen Gesellschaft weit verbreitet,

Auch der Deutsche Anwaltverein begrüßt die Cannabis-Teilfreigabe „ausdrücklich“. Die Justiz würde dadurch entlastet.

 

Der von der SPD eingeladene Sachverständige und Strafrechtsprofessor Mustafa Temmuz Oğlakcioğlu weist in seiner Stellungnahme die etwas seltsam anmutenden Zweifel des Deutschen Richterbundes hinsichtlich einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden zurück: „Allein die schiere Anzahl von zuletzt über 180.000 (!) konsumbezogenen Cannabis-Verfahren pro Jahr bindet offenkundig erhebliche Ressourcen.“

 

Nach der heutigen Expertenanhörung folgt der letzte Schliff des Gesetzestextes. Ende November, in der vorletzten Sitzungswoche des Jahres, soll dann der Bundestag darüber abstimmen, ob mit dem Jahreswechsel auf einen Schlag rund fünf Millionen Hanfkonsumenten aus der kriminellen Ecke geholt werden – oder eben nicht.

 

Die öffentliche Anhörung beginnt um 17 Uhr 30 und wird live im Parlamentsfernsehen übertragen.

 

 

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12 Kommentare
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Rainer
5 Monate zuvor

Wie kann man einen Unterhaltungswert finden,wenn das gehörte Wut und Verzweiflung auslöst?Zumindest verschiebt sich das Ganze zeitlich erst einmal,bis es dann endlich wegen Unvernunft abgetutet wird.

Fred
5 Monate zuvor

Zwischen 12 und 14 Mrd Euro ist der illegale Schwarzmarkt nach Schätzungen wert. Und ich habe mich nicht verschrieben, es sind tatsächlich Milliarden. Angesichts dieser Summen müssten alle Argumente gegen eine Legalisierung auf der Stelle verstummen. Um 14 Mrd Euro Umsatz zu generieren muss der Vertrieb flächendeckend organisiert sein. An jedem Ort in Deutschland und zu jeder Zeit muss Cannabis angeboten werden, ansonsten käme man nicht auf eine solch gigantische Umsatzgröße. Allen Gegnern einer Legalisierung sollte bewusst sein, das erst das Verbot von Cannabis diesen Markt hat entstehen lassen. Der übrigens jedes Jahr ordentliche Wachstumsraten aufweist, und mit Mitteln die man in Demokratien anwenden kann, niemals wieder verschwinden wird. Ich darf dran erinnern, das hat man 60 Jahre oder noch… Weiterlesen »

Rogg
5 Monate zuvor

“dass der straffreie Besitz und Erwerb von bis zu 25 Gramm Cannabis der Polizei die Handhabe nimmt, zwischen illegal und legal erworbenen Cannabis zu unterscheiden” ….das ist eine interessante Aussage, die in Zukunft tatsächlich noch ordentlich Probleme bereiten dürfte….Für uns, nicht für die Blauen. Denn diese Aussage läßt vermuten, dass wir, sollten wir mit Cannabis aufgegriffen oder erwischt werden, der Bullerei beweisen müssen den Stoff legal erworben oder selbst gezogen zu haben. Hat man seine Pflanzen auf einem Balkon wird es eh nicht lange dauern bis die Blauen einen belästigen…im Zweifel wiederholt oder nach der vermuteten Ernte. Alles über 25 Gramm ist eine Straftat…nicht vergessen !! Solange es keine legalen Abgabestellen ( Clubs ) gibt, besteht auch nicht die Möglichkeit… Weiterlesen »

Hans Dampf
5 Monate zuvor

Der Besitz von bis zu fünfundzwanzig Gramm Cannabis soll frei sein.
@Rogg,
Und das unabhängig von der Herkunft.

Rogg
5 Monate zuvor

@ Hans Dampf
….ich bin überzeugt, dass die süddeutschen Bullen das anders sehen bzw. interpretieren werden. Warte ab….wir werden Freiwild bleiben…!!!

Reflex
5 Monate zuvor

Es wird immer Menschen geben die dagegen sind und es nicht gut finden, genauso wie bei Alkohol oder anderen Drogen. Wenn morgen Koks legal wäre würde ich nicht gleich los laufen und mir Koks kaufen und genauso ist es bei Gras auch. Der der es will nimmt es auch jetzt und wer nicht, der wird in Zukunft auch nicht zum abhängigen kiffer ‍♂️

Hans Dampf
5 Monate zuvor

@Rogg, bei dem ,, wir werden Freiwild bleiben“, gebe ich dir recht. Sehe ich auch so. Bis der öffentliche Umgang mit Cannabis von der Politik, Polizei und Bevölkerung als so ,,normal“ angesehen wird wie bei Tabak und Alkohol, kann und wird es noch dauern. Probleme wird es insbesondere wegen der erlaubten Besitzmenge zu Hause und die geplanten Abstandsregeln zu Kinder- und Jugendeinrichtungen geben. Auch die Kontrollwut der Polizei lässt böses erahnen. Hoffentlich setzt sich auf den letzten Metern noch etwas Vernunft durch und das Gesetz wird entsprechend angepasst. Sollte es jedoch nur bis zur Säule eins kommen, wird der Schwarzmarkt weiterhin bestehen bleiben und das ganze Vorhaben endet als,,Totgeburt“. Schade finde ich, dass die Chance einer echten Liberalisierung dermaßen vertan… Weiterlesen »

Qi San
5 Monate zuvor

@Rogg
Gute Zusammenfassung … die Grauzone reicht bis zum Horizont 🙂
Die deutsche Politik kriegt doch nichts Richtiges mit Vernunft und Hirn gebacken.
Ausser eine einflussreiche Lobby-Gruppe schreit nach mehr Wärmepumpen, Hausdämmung
oder mehr Schutz der Reichen und Wohlhabenden vor Besteuerung – dann fluscht das …

@Fred
… die Sache mit den Organisierten … ob der Ärzteverband, die Mafia …

Hanf ist mehr viele mehr – z.B. Hanfstoffe:
https://www.naturstoff.de/shop/hanfgewebe/900035/c.html

Dr. Voss
5 Monate zuvor

Absatz 4, Zeile 6: ………”legales- illegales Cannabis nicht zu unterscheiden”…… Das Argument kann nicht ziehen, da bei Freigabe niemand mehr an illegalem Cannabis interessiert sein wird. Ebenso wenig wie an illegal hergestelltem Alkohol. MeCaDt