Nach der Entscheidung
Beitrag von Hans Cousto
Im Dezember war die Entscheidung, wer das Amt des oder der Drogenbeauftragten übernehmen wird, noch nicht getroffen worden. Es war nicht bekannt, ob es eine Frau, ein Mann oder eine diverse Persönlichkeit werden wird. Von den bisherigen sieben Beauftragten in diesem Amt überwog der Frauenanteil mit sechs zu eins. Eduard Lintner (1992–1998), Marlene Mortler (2014–2019) und Daniela Ludwig (2019-2021) kamen aus Bayern und gehörten der CSU an. Marion Caspers-Merk (2001–2005) aus Baden-Württemberg und Sabine Bätzing aus Rheinland-Pfalz (2005–2009) gehörten der SPD an, Christa Nickels (1998–2001) war Mitglied bei den Grünen und stammte aus Nordrhein-Westfalen und Mechthild Dyckmans aus Hessen (2009–2013) war Mitglied der FDP. Bisher wurde das Amt immer an Personen aus Westdeutschland vergeben, Personen aus Ostdeutschland – den sogenannten neuen Bundesländern – wurden bisher hier nicht berufen.
Der Bundeskanzler Olaf Scholz und der Gesundheitsminister Karl Lauterbach der neuen Bundesregierung gehören der SPD an. Es war spannend, wen die beiden zur neuen respektive zum neuen Drogenbeauftragten küren werden. Wird es jemand sein, der sich in der Materie auskennt oder wieder jemand, der nur das Profil eines Parteisoldaten hat. Nun hat sich der Gesundheitsminister Karl Lauterbach entschieden. Die Wahl fiel auf den ehemaligen Abgeordneten des Bundestages Burkhard Blienert (SPD). Burkhard Blienert wurde im August 2019 als fachpolitisch versierte Nachfolge für das Amt der Drogenbeauftragten Marlene Mortler, die ins EU-Parlament wechselte, von mehreren Organisationen aus der Zivilgesellschaft der Bundesregierung anempfohlen. Dazu gehörten die drogenpolitischen Organisationen LEAP Deutschland, der Schildower Kreis, der Bundesverband Akzept e.V., das Knowmad Institut und der Deutsche Hanfverband. Mit seiner Wahl hat der Gesundheitsminister nun einen guten Brückenkopf in Sachen Drogenpolitik zu maßgeblichen Experten aus der Zivilgesellschaft.
Bei der Wahl des neuen Drogenbeauftragten hat sich der Gesundheitsminister nicht von den Lobbyisten der großen Konzerne leiten lassen, sondern auf die Expertise von echten Fachleuten sein Augenmerk gerichtet. Gute Dienste bei der Integration der Arbeit des Drogenbeauftragten in die Zivilgesellschaft im Allgemeinen und in Kreise der Wissenschaft und Forschung insbesondere könnte zum Beispiel Prof. Dr. Heino Stöver (Geschäftsführender Direktor des Instituts für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences, ISFF) bringen, da er als Vorstandsmitglied des akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik sowie als Redaktionsmitglied der Alternativen Drogen- und Suchtberichte engen Kontakt zu den unterschiedlichsten Organisationen der Drogenhilfe hat. Auch Dr. Bernd Werse, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mitbegründer des Centre for Drug Research in Frankfurt am Main und Mitherausgeber der Berichte „Monitoring-Systems Drogentrends (MoSyD)“ könnte bei der Arbeit von Burkard Blienert zu Rate gezogen werden. Sowohl die Alternativen Drogen- und Suchtberichte als auch MoSyD-Berichte waren stets viel präziser und detaillierter und vor allem informativer als die Berichte der früheren Drogenbeauftragte Daniela Ludwig in den letzten Jahren.
Blienert war Bundestagsabgeordneter in der großen Koalition von 2013 bis 2017. Er war damals drogenpolitischer Sprecher und unter anderem Mitglied des Gesundheitsausschusses. In seiner Zeit als drogenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion hatte sich Blienert einen Namen gemacht, weil er als einer der ersten Sozialdemokraten für einen Kurswechsel seiner Partei in der Drogenpolitik eintrat und die Forderung nach einer Freigabe von Cannabis erhob. In einem 2015 veröffentlichten und maßgeblich von Blienert erarbeiteten Positionspapier des SPD-Arbeitskreises Drogenpolitik hieß es, die aktuelle Verbotspolitik sei gescheitert. In dem Positionspapier, das unter dem Titel „von Repression zu Regulierung – Eckpunkte einer sozialdemokratischen Drogenpolitik“ erschien und von der Friedrich Ebert Stiftung herausgegeben wurde, heißt es wörtlich:
„Der »Krieg gegen Drogen« und die aktuelle Verbotspolitik sind gescheitert, sowohl mit Blick auf ihren beschränkten Nutzen und ihre enormen Kosten als auch hinsichtlich ihrer fatalen Nebenwirkungen. Die Verbotspolitik hält die Kosument_innen augenscheinlich nicht vom Konsum ab, sondern erschwert und verhindert vielmehr eine effektive wie flächendeckende Prävention und Hilfe. Das Verbot stärkt das Organisierte Verbrechen und unterstützt die Entstehung unkontrollierter Schwarzmärkte, durch welche die Drogen gefährlicher werden, als sie eigentlich sind. Gleichzeitig stigmatisiert und schädigt die strafrechtliche Verfolgung die Konsument_innen und bindet Ressourcen, die besser in der Prävention sowie im Kampf gegen das Organisierte Verbrechen eingesetzt werden könnten. Die Prohibition schützt auf diese Weise weder den/die Einzelne/n noch die Gemeinschaft, sondern schadet letztlich dem Gemeinwohl.“
In dem Papier wurde nicht nur die aktuelle Situation beklagt und kritisiert, sondern es wurden auch klare Forderungen formuliert, so zum Beispiel:
„Eine Politik, die geeignet ist, die oben genannten Ziele zu erreichen, muss erfolgreiche Maßnahmen aus den Säulen »Prävention und Frühintervention«, »Beratung und Behandlung«, »Schadensminimierung« und »Angebotsreduktion« ausgewogen kombinieren. Dabei müssen die Drogen entsprechend ihrer jeweiligen Schadenspotenziale differenziert behandelt werden. Bezüglich der Wirksamkeit drogenpolitischer Maßnahmen und der Schadenspotenziale muss sich die Drogenpolitik daher stärker als bisher auf Erkenntnisse aus der Wissenschaft stützen.
Unmittelbarer politischer Handlungsbedarf besteht in Deutschland insbesondere im Umgang mit Cannabis, macht diese Droge doch das Gros des illegalen Konsums und der verfolgten konsumnahen Delikte aus. Angesichts der mit dem Cannabiskonsum verbundenen und weiter zu erforschenden Gesundheitsrisiken ist die Antwort auf das Scheitern der Prohibition ausdrücklich keine marktorientierte Legalisierung bzw. ungezügelte Liberalisierung. Vielmehr sollte im Sinne der oben genannten Ziele die Entkriminalisierung der Konsument_innen mit dem Aufbau eines staatlich regulierten Marktes einhergehen, in dem der Zugang, die Produktqualität, der Anbau und der Vertrieb streng geregelt und kontrolliert sind. Diesbezüglich sollte Deutschland Erfahrungen anderer Länder auswerten und aufgreifen.“
Das Hanf Journal wünscht dem neuen Drogenbeauftragten viel Erfolg bei der Umsetzung der bereits 2015 von ihm und dem SPD-Arbeitskreis Drogenpolitik publizierten Empfehlungen. Möge das seinerzeit ausformulierte Ansinnen Wirklichkeit werden und dabei alle Störfeuer der Prohibitionisten wegspülen.
Burkhard Blienert wurde auf Twitter vom so gen. Weedmob gebührend empfangen und die Follower auf seinen Twitteraccount stiegen innerhalb 24 Stunden von anfänglichen 460 auf über 3000 . Der DHV veröffentlichte ein Interview von 2017 mit BubatzBlienert, so nennen ihn einige und der erste Eindruck war, daß er in den Reihen der eigenen Partei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten hat. Es ist klar, daß hier noch dicke Bretter zu bohren sind. Geduld ist nicht meine Stärke, aber viele von uns warten halt schon so lange.
Auf jeden Fall gibt es wieder mehr und längeren Dikussionsbedarf.Wer da diesmal zu Rate gezogen wird?Wie gefährlich ist die Pflanze eigentlich?Harmlos ist sie jedenfalls nicht.Und sollte man so etwas in Deutschland erlauben?Fragen über Fragen auf der Spießrutenlaufrennstrecke mit Burkhard Blienert.Das Ziel ist der Start.Und nochmal von vorne.
Wenn ich mir so die Riege der Drogenbeauftragten der letzten Jahrzehnte anschaue, dann dürfte die Wahl des Herrn Blienert als bekanntem Verfechter einer alternativen Drogenpolitik die bislang vernünftige und klügste sein.
Bei Herrn Blienert als Drogenbeauftragten bin ich mir erstmals sicher, dass er sich auch tatkräftig dafür einsetzt.
Die schrägen Zeiten der einseitigen Cannabisprohibition vom Schlage einer erzkonservativen Frau Mortler und ihrer Nachfolgerin scheinen nun doch bald der Vergangenheit anzugehören.