Samstag, 23. November 2019

Good Cop, Bad Cop – CBD & THC

Wie CBD möglicherweise gegen die „negativen Nebenwirkungen“ von THC wirken kann 


Produzenten und Nutzer von Hanfprodukten befinden sich in der komfortablen Position, sich nicht unbedingt mit Marihuana herumzuschlagen – richtig? Schließlich stammen die Hanfprodukte nicht nur von einer unterschiedlichen Varietät als von bekannten Mary Janes, sondern sie werden auch in einer komplett anderen Art und Weise gewonnen, sind absolut sicher, besitzen keine psychoaktiven Effekte, sind legal und – last but not least – unterstehen diesbezüglich somit vollkommen anderen Regulierungen. Daher – sollte man für CBD Interesse zeigen, und zwar nur für CBD – wird man niemals etwas mit der illegalen natürlichen Rauchmittelpflanze zu tun haben. Auch müssen keine Magazine durchforstet werden, die mit Werbung für Bongs vollgestopft sind, oder man muss sich nicht vor der Polizei und Medien fürchten. Tolle Vorstellung, huh?

Unglücklicherweise – zumindest solange das allgemeine Wissen über Hanf dort bestehen bleibt, wo es derzeit ist, und Mythen und Vorurteile weiterhin die rationalen Debatten verstopfen – wird der gemeine Schildbürger bei seinem Lernprozess noch immer beim Erstkontakt mit Hanf über all dieses gefährliche „Marihuana“ und das berauschende „THC“ stolpern. Schlagworte, welche die mediale Debatte bestimmen und ankurbeln eben. Somit, auch wenn wir uns hauptsächlich für Hanf und Cannabinoide als solches interessieren (und für CBD ganz besonders), gibt es keinen Grund vorzugeben, dass dieses Problem nicht existent sei – stattdessen macht es weitaus mehr Sinn, sich der Stimmung ein wenig zu öffnen und ab und zu ein paar Dinge zu schreiben, die sich mit der „dunklen Seite der Macht“ möglicher Cannabisapplikationsformen beschäftigen. Also ja, Cannabidiol kann auch in den psychoaktiv wirkenden Cannabissorten gefunden werden. Und ja, es beeinflusst, in seiner eigenen Art und Weise, die Gehirnfunktionen. Und letztendlich – Cannabidiol hat tatsächlich in gewissen Grad einige Verbindungen zum großen Feind im Krieg gegen Hanf – dem in der gemeinen Öffentlichkeit recht unbeliebten THC. Die Natur in dieser Beziehungsgeschichte, wie dem auch sei, ist recht außergewöhnlich. Es ist sehr lange vermutet worden, dass CBD die potenziellen negativen Effekte von potenten THC-Cannabissorten abzumildern weiß. Erst kürzlich angestellte Studien und Experimente zum Thema, einschließlich sorgfältiger Recherchen, deren Ergebnisse Anfang September 2018 veröffentlicht wurden, bestätigen die Hypothese des antipsychotischen Potenzials von CBD.

Auch mit der gesamten Sympathie, die man für die Legalisierungsbewegung besitzen muss, ist es schwer möglich, die leicht unkritische Attitüde zu übersehen, die besonders die jüngeren Grassjünger für Cannabis haben, wenn es um ihr geliebtes Weed geht. Es ist schließlich schon so, dass das Rauchen von Marihuana gewisse Risiken aufweisen kann (so wie der Konsum aller Drogen, legal oder illegal!) – die am besten Dokumentierten kristallisieren sich in einem gestörten Kurzzeitgedächtnis und gewissen psychotischen Effekten. Letztere sind damit verknüpft, einem erhöhten Risiko für die Ausbildung einer Schizophrenie ausgeliefert zu sein – auch wenn dies eigentlich nur bei Personen eine Bedeutung hat, die schon zuvor eine genetische Prädestination für eine derartige Krankheit besitzen. Besonders Kinder sind diesbezüglich verletzlicher (wir müssen wohl nicht daran erinnern, das Kids von jeglichen Drogen komplett die Finger lassen sollten, oder?), aber auch Raucher, die die hoch potenten THC-lastigen Sorten Cannabis genießen. Ja, ja – wir wissen, dass der letzte Hinweis stark an die Mottenkugel-Mahnungen erinnern, die sich meist so anhören: „Das starke Skunk von heute ist nicht das gleiche Zeug wie das gute alte Pot, das man in den Sechzigerjahren rauchte.“ Also wie eine billige Phrase, die man von einem Pseudo-Experten im Fernsehen (oder eurem Onkel Armin) zu gerne hört. Aber es gibt definitiv keinen Zweifel, dass es einen großen Fortschritt gegeben hat, was das selektive Züchten von Gras betrifft. Dies hat uns ab den Siebzigerjahren auf der einen Seite auch zu den spezifischen, State-of-the-Art-Medizinalhanfpflanzen geführt, auf der anderen Seite aber auch die Nachfrage des Schwarzmarktes nach Sorten befriedigt, wo man nach Varietäten mit gut und gerne 30 Prozent THC giert – (nehmt Black Domina als Beispiel).

Das Resultat daraus ist tatsächlich, dass das typische Produkt auf dem Straßenmarktplatz eine vielfache Wirkung des vor einigen Dekaden gehandelten Pots besitzt. Es ist insbesondere ebenso besorgniserregend, dass die Steigerung des Tetrahydrocannabinol-Gehaltes in Pflanzen auf Kosten des Vorhandenseins von CBD-Anteilen ging. Laut einer Studie von Forschern der Universität von Indiana hat sich das Verhältnis von THC zu CBD in den letzten zwei Jahrzehnten verdoppelt! Unterdessen, wie viele Wissenschaftler – einschließlich Forscher von der Universität von Indiana – behaupten, ist es genau das THC, das für das gestörte Gedächtnis und die psychotischen Episoden nach dem exzessiven Gebrauch von Marihuana verantwortlich gemacht werden kann.

Das am 5. September 2018 veröffentlichte Ergebnis, das die Resultate umfangreicher Forschungen des Forscherteams der Universität von Indiana enthält, lässt keinen Zweifel offen: „Die Studie bestätigt in einem Tiermodell, dass der Konsum von Cannabis mit hohem THC-Gehalt bei Jugendlichen langfristige Verhaltenseffekte haben kann“, sagte Hauptautor Dr. Ken Mackie, Professor am Institut für Psychologie und Gehirnwissenschaften des IU College of Arts and Sciences und Direktor des Linda and Jack Gill-Zentrums für Biomolekulare Wissenschaft an der IU Bloomington.

Hier sind jedoch drei wichtige Dinge hervorzuheben: Erstens, dass die Tests an Mäusen durchgeführt wurden (ihre kognitiven Fähigkeiten wurden mit dem Standard-NOR-Test für die Erkennung neuer Objekte getestet); zweitens, dass Erwachsene keine langfristigen Verhaltensänderungen zeigten; und schließlich testete man auch reines CBD sowie Proben mit einem ausgewogenen Gehalt an beiden Cannabinoiden. Und hier werden die Dinge interessant …

Über das antipsychotische und gedächtnisfördernde Potenzial von Cannabidiol wurde schon lange gesprochen, aber bisher wurden nur vereinzelte Hinweise oder Untersuchungen zu relativ kleinen Gruppen angeführt. Die Studie des Indiana-Teams – die erste, die so professionell, mit einer großen Themengruppe und mit dem klaren Ziel durchgeführt wurde, die CBD-THC-Beziehung speziell zu untersuchen – zeigt, dass Personen, die THC zusammen mit dem CBD konsumieren, keine langfristigen Verhaltensänderungen zeigten – weder Jugendliche noch Erwachsene! Ebenso wichtig (wenn auch weniger revolutionär) waren die Ergebnisse der Gruppe, der CBD allein verabreicht wurde – wie erwartet zeigten Individuen, die nur Cannabidiol erhielten, keinerlei Verhaltensänderungen.

Die erste Schlussfolgerung: „Dies ist die erste Studie in einem streng kontrollierten Tiermodell, in der festgestellt wurde, dass CBD das Gehirn vor den chronischen negativen Auswirkungen von THC zu schützen scheint“, sagte Mackie.

Die Studie des Teams aus Indiana ist bedeutend, da sie tatsächlich den ersten Untersuchungsprozess darstellt, der die eigentümliche Synergie der beiden am häufigsten vorkommenden Cannabinoide genauer unter die Lupe nahm.

Die Forscher haben dabei aber weder das optimale Verhältnis von THC zu CBD (ihre Studie umfasste nur die gleiche Menge von beiden) noch den mikrobiologischen Mechanismus der THC-CBD-Synergie im Detail untersucht – oder ob die antipsychotische Wirkung von THC-CBD nur in Kombination mit Tetrahydrocannabinol aktiviert wird. Trotzdem lassen sich aus diesem wegweisenden Experiment einige grundlegende Schlussfolgerungen ziehen.

Als Erstes: Haltet eure im Teenager-Alter befindlichen Mäuse von hoch potentem Cannabis fern. Falls sie jedoch aber bereits diesen schädlichen Gewohnheiten frönen, führt sie an Varietäten heran, die eine bessere Balance beim THC- und CBD-Gehalt aufweisen. Spaß beiseite – in einer Situation, in welcher einem Marihuana-Konsumenten keine große Wahl gelassen wird (so, wie es auf dem Schwarzmarkt üblicherweise der Fall ist), wird es schwer eine Sorte zu finden, die das optimale Cannabinoid-Profil besitzt. Die Lösung könnte sein, sich entweder von den besonders starken Sorten fernzuhalten (die Prozesse der THC- und CBD-Synthese in einer Pflanze sind durch eine Art Gegenkopplungsschleife verbunden, sodass der hohe Gehalt des ersten Cannabinoids nur zu einer Spurenmenge des Letzteren führt), oder CBD von externen Quellen – wie CBD-Öl – zusätzlich zu sich zu nehmen. Es versteht sich jedoch wieder einmal von selbst, dass wir von jeglichem Konsum illegaler Substanzen abraten müssen.

Der zweite Rückschluss der Studie dürfte so aussehen, dass man die Möglichkeit der Existenz „eigenständiger“ zuträglicher Effekten von CBD auf die kognitiven Funktionen erkennt. Es erscheint doch logisch – da CBD in der Lage ist, den negativen Auswirkungen von THC entgegenzuwirken, sollte es sich auch positiv auswirken können, wenn es den Widerstand seines böswilligen Bruders nicht wahrnimmt, richtig? Die mikrobiologischen Mechanismen sind jedoch weit komplexer, und es ist möglich, dass diese besondere Wirkung von CBD nur in Gegenwart von THC aktiviert wird. Wie dem auch sei – das antipsychotische Potenzial von CBD in Kombination mit THC ist in der Tat ein triftiger Grund, die Erforschung der Auswirkungen von Cannabidiol auf das Gehirn zu intensivieren. Daher sollten wir in der kommenden Zeit damit rechnen, mehr darüber in Erfahrung bringen zu können.

Die dritte mögliche Schlussfolgerung, die aus den Ergebnissen der Studie von der Universität von Indiana gezogen werden könnte, ist eher philosophischer Natur – auch wenn daraus weitere praktische Voraussetzungen abgeleitet werden könnten. Es scheint, dass die „Weisheit der Natur“, oder – falls ihr mögt – die Hunderte von Millionen von Jahren der Evolution und ihres Trial-and-Error-Vorgehens nicht unterschätzt werden sollten: Das ursprüngliche Cannabinoidprofil der Pflanze scheint für den Menschen auf irgendeine Weise vorteilhafter zu sein als einige übermäßig „verdrehte“ Sorten (obwohl von der anderen Seite betrachtet – es waren die Züchtungen, die uns medizinische Varietäten brachten, sowie den immensen Reichtum bei anderen Pflanzen, die wir zu uns nehmen; beispielsweise den Mais). Es ist daher stets wert sich daran zu erinnern, wenn man sich für jedwede Cannabisprodukte entscheidet – nicht unbedingt nur für jene, die derzeit illegal und psychoaktiv wirken: Auch wenn die THC-CBD-Synergie vielleicht ein Vergnügen sein mag, das eher von den Freizeitkonsumenten genossen wird, enthält die Hanfpflanze Dutzende nicht-psychoaktiver Cannabinoide, deren direkte Beziehungen noch entdeckt werden müssen. Vertraut man auf die Weisheit der Natur, lohnt es sich, solche Hanfprodukte zu wählen, die das gesamte Spektrum der natürlich vorkommenden Cannabinoide bewahren.

Beitrag von Robert Kania/Übersetzt aus dem Englischen von mze

Quellen:

Fryling K. D.: CBD may protect against psychiatric risk from high-THC cannabis strains
http://www.innovations-report.com/html/reports/medicine-health/cbd-may-protect-against-psychiatric-risk-from-high-thc-cannabis-strains.html

Mehmedic Z. et alChanges in cannabis potency over the last 2 decades (1995–2014): analysis of current data in the United States https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/26903403?dopt=Abstract

Murphy M. et al.: Chronic Adolescent Δ9-Tetrahydrocannabinol Treatment of Male Mice Leads to Long-Term Cognitive and Behavioral Dysfunction, Which Are Prevented by Concurrent Cannabidiol Treatment
http://online.liebertpub.com/doi/10.1089/can.2017.0034

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2 Kommentare
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Mensch gehts noch
4 Jahre zuvor

was nützt die Erkenntnis von Wissenschaftlern, wenn in Deutschland die ganze Pflanze stigmatisiert, bzw. verteufelt wird. Derzeit wird von “investigativen” und “wissenschaftlichen” Magazinen (Report, 3 Sat) CBD an den Pranger gestellt. Dabei wird wie üblich falsch gerechnet, polemisiert und der Verbraucher als Dummerchen dargestellt, der nicht wissen kann, was ihm gut tut. Als geistreiche Alternative werden Menschen zitiert, deren Fachwissen aus Reagenzgläsern resultiert.
Hanf ist eine der vielfältigsten Kulturpflanzen und wird es auch bleiben. Wenn unsere Staatenlenker das nicht akzeptieren, werden weiterhin die Umwelt in unnötiger Weise geschädigt, kriminelle Strukturen gefördert, die Gesundheit Jugendlicher geopfert und Unschuldige Ihrer Grundrechte beraubt und kriminalisiert.

Rainer Sikora
4 Jahre zuvor

Wenn ich mich weder versklaven noch ausbeuten lassen möchte,ist das ein Indiz dafür,das mein Gehirn geschädigt ist?