Atomschutzbunker kein sicherer Ort für Hanfgärtner
Sadhu van Hemp
Im Südwesten Englands liegt die Grafschaft Wiltshire, die berühmt für den in der Jungsteinzeit errichteten Steinkreis „Stonehenge“ ist. Historiker vermuten, dass bereits vor 10.000 Jahren zwischen Ärmelkanal und Wales reger Betrieb herrschte – auch unterirdisch. Gegraben und gebuddelt wurde nämlich zu allen Zeiten, aber nicht nur, um Mutter Erde die Bodenschätze zu entreißen, sondern auch um sich vor oberirdischen Gefahren zu schützen.
Doch Gefahren kommen und gehen. Wer sich gestern einen Atombunker in den Garten pflanzte, hinterlässt heute seinen Erben eine bis dato ungenutzte unterirdische Schrottimmobilie, die wieder loszuwerden ein kostspieliges Unterfangen ist. Einer dieser vergessenen Orte unterhalb der Erdkrume findet sich in Wiltshire, wo sich die Luftstreitkräfte des Vereinigten Königreichs in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts tief in den Boden eingegraben haben, um sich vor Angriffen aus der Luft zu schützen. Nach dem Sieg über Nazideutschland wurde das Areal um das Dörfchen Chilmark vornehmlich als Waffendepot genutzt, verlor aber mit dem Ende des Kalten Krieges an strategischer Bedeutung und wurde 1995 von der RAF endgültig aufgegeben. Geblieben ist eine unterirdische Brache – inklusive eines ausrangierten Atomschutzbunkers.
Und so wuchs seitdem Gras über die ungenutzte Liegenschaft – und das sogar unterirdisch, wie sich herausstellte. Letzten Mittwoch offenbarte sich etwas, das es so in England noch nicht gegeben hatte: Zu mitternächtlicher Stunde blies die Polizei zum Generalangriff auf den in den 80er Jahren gebauten Atombunker, und zum Vorschein kam eine Cannabis-Farm, deren Wert inklusive sichergestellter Ernte auf über eine Million Pfund geschätzt wird. Der Zugriff war für die Polizei eine filigrane Sache, da der Zugang zur Anlage durch eine intakte Atomschutztür gesichert war und ein gewaltsames Eindringen unnötige Risiken mit sich gebracht hätte. Also legten sich Beamten auf die Lauer, bis sich die Tür zu nachtschlafender Zeit von selbst öffnete. An die frische Luft traten drei Personen, die sich widerstandslos festnehmen ließen und den Schlüssel aushändigten. Im Bunker, der sich auf zwanzig Räume in zwei Etagen aufteilt, stieß die Polizei auf drei weitere Gärtner und mehrere Tausend Hanfpflanzen.
Der Umstand, dass vier der angetroffenen Männer noch jung an Jahren und vietnamesischer Abstammung sind, lässt die Polizei spekulieren, dass diese wie Sklaven gehalten wurden. Nun gilt es nachzuweisen, ob die Gärtner in der Lage waren, sich frei zu bewegen, oder tatsächlich Opfer organisierten Menschenhandels geworden sind. Inwieweit dieser Verdacht berechtigt ist, lässt sich nur schwer beurteilen. Die Polizei glaubt dafür Indizien zu haben, da bereits vergangenes Jahr einige hochprofessionelle Grows gebustet wurden, deren Personal sich aus illegal eingereisten Vietnamesen rekrutierte.
Die Masche ist übrigens nicht neu: 2012 ist in Düsseldorf ein ähnlicher Hanfanbaubetrieb aufgeflogen. Damals hob die Polizei eine mit rund 3000 Pflanzen bestückte Plantage aus – in einem Luftschutzhochbunker, betreut von acht grünen Daumen, die vier vietnamesischen Gärtnern gehörten.