Donnerstag, 2. Oktober 2008

Behandlung von Nachtschweiß bei Krebspatienten mit Cannabinoiden

Jüngst wurden in einer Fachzeitschrift für Palliativmedizin Erfahrungen aus einem kanadischen Universitätskrankenhaus mit der Verwendung eines Cannabinoids beim Nachtschweiß von Krebspatienten vorgestellt.

Etwa zehn bis 15 Prozent aller Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen leiden an zum Teil sehr starkem Nachtschweiß. Bei Patienten mit Metastasen in der Leber steigt dieser Anteil bis auf 50 Prozent an.

Nachtschweiß kann die Lebensqualität von Krebspatienten durch die Störung der Nachtruhe erheblich beeinträchtigen und hat die Tendenz, nicht abzunehmen, wenn sich der Betroffene dem Lebensende nähert. Die zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten dieses belastenden Symptoms sind begrenzt, die Medikamente meistens wenig wirksam.

In einer Abteilung für Palliativmedizin, d. h. einer Abteilung für Patienten, deren tödliches Leiden nur noch gelindert und nicht mehr geheilt werden kann, erhielten vier Patienten im Alter zwischen 66 und 93 Jahren das synthetische Cannabinoid Nabilon gegen Nachtschweiß. Nabilon ist ein Cannabinoid, das ähnlich wie THC wirkt und auch in Deutschland und Österreich vom Arzt verschrieben werden kann. Die behandelten Patienten waren drei Männer und eine Frau, die an Lymphknotenkrebs, Leukämie oder Darmkrebs litten. Ihr Krebs war so weit fortgeschritten und ihre Begleiterkrankungen waren so schwerwiegend, dass keine Aussicht mehr auf eine Heilung bestand. Alle Patienten betonten daher bei der Aufnahme in das Krankenhaus ihren Wunsch, dass ihre Behandlung ausschließlich auf eine Linderung ihrer Symptome ausgerichtet werden sollte, um ihnen ein würdevolles Sterben zu ermöglichen. Sie erhielten wegen Schmerzen und anderer Symptome neben dem Cannabinoid auch Opiate und Schlafmittel, zum Teil noch weitere Medikamente.

Den vier Patienten wurde bei der Aufnahme ins Krankenhaus Nabilon verordnet. Zwei erhielten täglich eine Dosis von 1 Milligramm zur Nacht, was etwa 7,5 mg THC entspricht. Die anderen beiden Patienten erhielten die doppelte Dosis, auf zwei Gaben verteilt, weil sie unter anderem auch an starken Schmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit litten. Diese Symptome sprechen ebenfalls häufig gut auf THC und Nabilon an. Auf einer Skala von 0 bis 10, wobei 0 für Symptomfreiheit und 10 für die größte vorstellbare Stärke an Nachtschweiß steht, betrug der mittlere Wert vor der Behandlung 7,75. Alle vier gaben eine Verbesserung der Symptome innerhalb von 48 Stunden nach Therapiebeginn an. Der Wert für Nachtschweiß sank innerhalb von zwei Tagen um durchschnittlich 5,0 Punkte auf durchschnittlich 2,75 und innerhalb von 14 Tagen weiter auf 2,00 ab. Die Behandlung hat bei allen vier Teilnehmern gut und schnell angeschlagen.
Es wird vermutet, dass Nachtschweiß bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen durch entzündungsfördernde Botenstoffe verursacht wird. Zu diesen Botenstoffen gehören der so genannte Tumor-Nekrose-Faktor-Alpha (TNF-Alpha), bestimmte Interleukine und Prostaglandine, die sowohl von den Krebszellen als auch von Entzündungszellen abgegeben werden. In den vergangenen Jahren wurde in einer Anzahl von tierexperimentellen Untersuchungen nachgewiesen, dass Cannabinoide die Konzentrationen dieser Botenstoffe reduzieren. Eine erhöhte Konzentration von TNF-Alpha und anderer entzündungsfördernder Botenstoffe kann auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und anderen chronischen Entzündungen auftreten. Auch bei diesen Erkrankungen wird der positive Effekt von Cannabinoiden auf die chronische Entzündung durch eine Hemmung der Produktion und Freisetzung entzündungsfördernder Botenstoffe zurückgeführt.

Ein weiterer möglicher Faktor, der zur Reduzierung des Nachtschweißes durch Cannabinoide beitragen könnte, ist ihre Fähigkeit zu Fiebersenkung. Zwei der vier Patienten gaben eine leicht erhöhte Körpertemperatur zwischen 37 und 38 Grad Celsius an. Bei beiden Patienten trat eine Normalisierung der Temperatur durch die Einnahme von Nabilon ein. Der fiebersenkende Effekt von Cannabisprodukten ist in einigen Kulturen und Medizinsystemen seit vielen Jahrhunderten bekannt.
Cannabis und einzelne Cannabinoide werden seit vielen Jahren erfolgreich bei einer Anzahl von Symptomen von Krebserkrankungen eingesetzt, darunter Schmerzen, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Depressionen und Schlaflosigkeit. Die Ergebnisse der neuen Fallberichte deuten an, dass auch quälender Nachtschweiß, der die Betroffenen auch nachts nicht zur Ruhe kommen lässt, ebenfalls durch Cannabis und einzelne Cannabinoide gelindert werden könnte.

Dr. med. Franjo Grotenhermen ist unter anderem Vorstand Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, ausserdem Editor im Magazin “Cannabis and Cannabinoids. Pharmacology, Toxicology and Therapeutic Potential”, welche auf Deutsch, Englischu nd Spanisch erscheinen, sowie “Cannabis, Straßenverkehr und Arbeitswelt”, und Autor von “Hanf als Medizin”

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