Samstag, 9. Januar 2021

Revolution oder blauer Dunst?

Hanfzigarette TAAT will amerikanischen Markt erobern


Ein Beitrag von Amandara M. Schulzke

In Ohio USA sitzen Mitte Dezember Tausende Zigarettenhändler wie auf glühenden Kohlen, und mögliche Verbraucher sind ganz heiß auf die Einführung einer neuen Zigarette. Die Kippe ohne Tabak und Nikotin, die jedoch genauso oder ähnlich schmecken soll. Wir würden darüber nicht schreiben, wenn sie nicht – woraus sonst – aus Hanf wäre. TAAT heißt die Sorte, die es in drei Geschmacksrichtungen geben wird: Original, Smooth und Menthol.

Klotzen statt Kleckern haben sich die Manager um CEO Setti Coscarella auf die Fahnen geschrieben. Die Entwicklung und Produktion haben sie von Anfang an in großem Stil durchgezogen. Zeitgleich mit dem Verkauf von Probepackungen ging TAAT™ Lifestyle & Wellness Ltd. schon im Juni an die Börse. Die meisten Informationen, die sich über die neue tabakfreie Zigarette finden lassen, gibt es auf den vielen Seiten der Geldmärkte. Anfang Oktober stand die Aktie auf einem Höchstpunkt, gefolgt von Downs und Ups. In der Testphase verkaufte die Firma aus Las Vegas/Nevada 66.000 Schachteln TAAT.

Bei der Suche nach nützlichen Kommentaren und Bewertungen des neuen Produkts findet sich blauer Dunst. »Ich denke, ich mag diese hier (Beyond Tobacco) mehr als meine Zigarette.« Oder ein Zitat des CEOs: »Die Schlussfolgerung, dass die Beyond Tobacco-Zigaretten in Sachen Geschmack, Geruch und Rauchgefühl wirklich identisch oder sogar besser sind, und deshalb schnell eine Rolle im 800 Mrd. Dollar Tabaksektor spielen können, ist daher durchaus zulässig.« Die Aussage bezieht sich auf die vorab verkauften 66.000 Päckchen. Während die Seite der deutschen Finanznachrichten die Transparenz des Unternehmens lobt, beklagen gerade Kleinanleger deren Undurchsichtigkeit und Geschwurbel. Entweder ist dies der Geheimniskrämerei des Marketingkonzepts geschuldet oder es ist doch nicht die Innovation der Innovationen.

»1,1 Milliarden Raucher könnten vor einer großen Revolution stehen und die eine Billiarde US-Dollar (1.000 Milliarden) schwere Tabakindustrie vor einem totalen Umbruch!« Zitat aus Finanznachrichten.de


Wir hätten z.B. gerne mehr über das Produkt als solches geschrieben. Es basiert auf Hanf, gefüllt mit CBD, ohne Nikotin und Tabak und mit dem Geschmack und Sinn einer echten Zigarette. Sie soll genauso riechen und schmecken. Das CBD soll den Nikotinentzug mildern und die Abhängigkeit verringern, wenn ein Konsument ganz von gewöhnlichen Zigaretten umsteigen will. 50 mg CBD sollen in jeder Zigarette sein. Taat versichert, dass sie keine neuen Raucher heranziehen wollen, sondern Rauchern eine nikotinfreie Variante bieten. Es sind 20 verschiedene Arbeitsschritte nötig, damit aus dem Nutzhanf der Beyond-Tobacco entsteht. Dieses Verfahren und das Produkt haben sich TAAT patentieren lassen. Wie es in der Industrie üblich ist und damit niemand auf die Idee kommt, sie nachzuahmen.

Die erste Hanf-Zigarette produziert übrigens eine Schweizer Firma seit 2017. »Heimat« heißt sie und enthält CBD, aber kein THC. Da sie in einer kleinen Manufaktur in Steinach hergestellt wird, ist sie mit 19,90 Schweizer Franken für normale Raucher zu teuer und deshalb auch nicht nach Deutschland geweht. 30.000 Päckchen produzieren die Schweizer pro Woche. In Deutschland ist »Heimat« verboten. Zum Vergleich: TAAT will im Monat eine Million Stangen fabrizieren.

Okay, der Beyond-Tobacco ist nikotinfrei und greift deshalb das Herz-Kreislauf-System nicht an. Zu weiteren schädlichen Stoffen, die normalerweise beim Abbrennen eines Krauts entstehen, gibt es keine Aussagen. Lungengängige Feinstaubpartikel werden vermutlich auch in Taat-Zigaretten entstehen. Der bei einer Tabakverbrennung entstehende Teer verklebt die Flimmerhärchen in den Atemwegen und der Lunge. Wie dieses Thema bei Beyond-Tobacco aussieht, werden die Verbraucher erst nach offiziellen Studien erfahren, wenn es das Produkt flächendeckend auf den Markt geschafft hat.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sterben jährlich in Deutschland 110.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Ob es weniger wären, wenn sie stattdessen eine nikotinfreie Variante geraucht hätten? Ein britisches Forscherteam um Allan Hackshaw vom University College London ging der Frage nach, ob eine Verringerung der Zigarettenanzahl am Tag das Gesundheitsrisiko senkt. Für ihre Untersuchung werteten die Wissenschaftler 141 Studien aus den Jahren 1946 bis 2015 aus. Die einfache Antwort lautet »Nein«. Erst nach zehn bis 15 Jahren Abstinenz nähert sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen von Ex-Rauchern wieder dem von Menschen, die nie geraucht haben – ohne allerdings ihr Niveau je ganz zu erreichen. Ob und wie sich die Gesundheit von TAAT-Rauchern verbessern könnte – darüber gibt es keine veröffentlichten Prognosen.

Da die neue Zigarette weder Nikotin noch Tabak enthält, darf TAAT uneingeschränkt auf dem US-Markt Werbung dafür machen. Da auch die Tabaksteuer wegfällt, hoffen die Macher, dass normale Zigarettenraucher schon aus Kostengründen umsteigen werden. Ende November brüsteten sie sich damit, zwölf Millionen Anzeigen geschaltet zu haben. Am 30. Oktober ging die Seite trytaat.com online, von der aus sich Bewohner der USA ein Probepäckchen bestellen können. Leider nur in den Staaten, denn Anfragen hat TAAT™ Lifestyle & Wellness Ltd. bereits aus über 90 Ländern.

Die Firma hat dem Hanf Journal zwar den Pressezugang freigeschaltet, doch auf Fragen nach einer möglichen Markteinführung in Europa antwortet sie nicht. Wahrscheinlich will sie erst einmal den amerikanischen Markt erobern und beliefern. Damit beginnt sie in Ohio. In dem Bundesstaat raucht die Hälfte der Erwachsenen. Im übrigen Amerika gilt Rauchen meist als asozial und die Rate liegt bei 12 bis 20 Prozent.

Ohio gilt als Staat, der die durchschnittliche amerikanische Bevölkerung am besten widerspiegelt. Wie es bereits andere Produkteinführungen bewiesen haben, kann die neue Zigarette von Ohio aus die Nachbarstaaten Michigan, West Virginia, Kentucky, Pennsylvania und Indiana infizieren. Finanzexperten interpretieren die Markteinführung als professionellen und selten da gewesenen Go-to-Market-Plan. TAAT™ Lifestyle & Wellness Ltd. hat Marketing- und Finanzgenies um sich versammelt und sie großen Tabakfirmen abspenstig gemacht, wie Setti Coscarella, der davor bei Philipp Morris ein Kommerzialisierungsteam leitete.

Jedenfalls haben sie für den Anfang etwa 13.000 Tonnen Rohmaterial für die Verarbeitung vorbereitet. Im Wert von 150.000 CAD (Kanadische Dollar) sind die ersten Paletten an ADCO, dem Vertrieb in Ohio, geliefert worden. Die rasante Entwicklung bleibt spannend. Das Hanf Journal wird sie für Euch verfolgen.

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8 Kommentare
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Greg
3 Jahre zuvor

Danke für diesen ausführlichen und gut recherchierten Artikel! Spannende Entwicklung. Kommerzielle Hanf-Zigaretten wurden schon lange von Markt- und Szene-Kennern vorausgesagt, aber was Hanffreunde und -freundinnen enttäuschen (oder beruhigen) könnte, ist eigentlich die Tatsache, dass dieses Produkt nicht Kiffer als Zielgruppe hat, sondern Tabakraucher.
Ich denke außerdem, dass eine THC-Zigarette kein Markterfolg sein wird. Die Konsumformen und auch die Vorlieben und Spezialitäten beim Jointbau sind zu vielfältig.

DIE HANFINITIATIVE
3 Jahre zuvor

“https://www.heise.de/tp/features/CDU-Politiker-Jens-Spahn-nimmt-an-Bilderberg-Konferenz-teil-3732077.html” “https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Bilderberg_participants” “https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/verschwoerungstheorien/pwiediebilderbergkonferenzen100.html” “https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Teilnehmern_an_Bilderberg-Konferenzen” +++ […] Ein Lächeln für die Hanffreund*innen! 🙂 Krebs wird wohl zukünftig die Krankheit mit der höchsten Steigerungsrate. Wir haben es geschafft, in den letzten hundert Jahren, Stoffe, Techniken und Chemikalien zu entwickeln und überall in der Umwelt zu verbreiten, die uns mehr oder weniger gefährden. Manche Risiken und Langzeitwirkungen sind gar noch nicht abzusehen. So öffnen wir gleich mehrere Büchsen der Pandora, auf einmal. Abgesehen von den stellaren und interstellaren Gefahren, denen das Leben eh ständig ausgesetzt ist, schaffen wir “Tölpel” uns auch noch eigene verheerende Bedrohungen. (Gentechnik in Mensch und Tier, Erdölchemie, Radioaktivität, … usw.). […] Ein Lächeln 🙂 🙂 🙂 für die HanffreundInnen… trotz allem. https://diehanfinitiative.de/index.php/prohibition/22-ein-laecheln-fuer-die-hanffreund-innen “http://netzfrauen.org/wp-content/uploads/2013/12/Ratte.jpg” “https://diehanfinitiative.de/index.php/prohibition/20-sie-dreht-sich-doch” “https://diehanfinitiative.de/index.php/prohibition/14-nur-ein-traum” “http://netzfrauen.org/2015/10/12/2015-whistleblower-award-prof-gilles-eric-seralini/” “http://www.welt.de/videos/article143982374/Wie-stehen-Sie-zu-Cannabis-Frau-Bundeskanzlerin.html” Bitte mal… Weiterlesen »

Rainer
3 Jahre zuvor

Ich erwartete für heute den Bericht über das Coffeeshopverbot für Touristen in Amsterdam,daß in zeitnaher Planung ist.Wie weit wir von Lockerungen,was CBD oder THC betrifft entfernt sind,liest man wenn es um die angeblich weiche Droge geht.Die CBD-Fluppen sehen wir für lange Zeit nur aus der Ferne.

gein
3 Jahre zuvor

halte nichts von Fertigprodukten -das Rauchen muss auch nicht revolutioniert werden, jegliches Zubehör und die Droge kann sich jeder zusammenstellen wie er will, da sind neue Zigaretten usw irgendwie überflüssig.

buri_see_käo
3 Jahre zuvor

Wir haben es geschafft, in den letzten hundert Jahren, Stoffe, Techniken und Chemikalien zu entwickeln und überall in der Umwelt zu verbreiten, die uns mehr oder weniger gefährden. – Oh, oh, oh – Yes, we know Manche Risiken und Langzeitwirkungen sind gar noch nicht abzusehen. So öffnen wir gleich mehrere Büchsen der Pandora, auf einmal. – Years ago – We all know Abgesehen von den stellaren und interstellaren Gefahren, denen das Leben eh ständig ausgesetzt ist, schaffen wir “Tölpel” uns auch noch eigene verheerende Bedrohungen. (Gentechnik in Mensch und Tier, Erdölchemie, Radioaktivität, … usw.). Meine Anmerkung: Seit der weltweiten Etablierung des Raubtier-Kapitalismus und der Verfügbarkeit leistungsfähiger Datenverarbeitung Ende der 70-er ist “Tölpel” eine wohlwollende Umschreibung von Politik-Verbrechern und deren Lemminge.… Weiterlesen »

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