Über die Beatles, das Kiffen und die Kunst – Vor allem aber: Kein Tag ist wie jeder andere
Über Paul McCartney, einen der legendären „Fab Four“ der Beatles, gibt es nun wahrlich genug berühmte Geschichten. Dabei war es nicht zuletzt Paul McCartney selbst, der gerne Legenden und Mythen über sich in Umlauf bringt, nicht zuletzt, um dadurch das Interesse an seiner Person zu steigern. Eine dieser Legenden besagt, dass es der im britischen Liverpool geborene Bassist, Sänger und Musiker war, der den amerikanischen Stars der Flower-Power-Generation das Kiffen überhaupt erst nahebrachte.
Also, zum Beispiel: McCartney vermittelte nach eigener Aussage zum Beispiel dem Literaturnobelpreisträger und Songwriter Bob Dylan das Konzept der grünen, göttlichen Pflanzen und des Haschischs. Eine andere, viel spätere Geschichte lautet, dass McCartney mit siebzig Jahren angeblich gesagt habe, dass er nun mit dem Kiffen aufhören müsse, da es Zeit werde, erwachsen zu werden. Das tut doch leider beinahe schon weh, denn wenn man einmal ein ganzes Leben lang bis zum 70. Geburtstag gekifft hat, wieso sollte man ausgerechnet dann damit aufhören. Vor kurzem erschien ja bekanntlich die Paul McCartney-Biografie vom renommierten Musikjournalisten Philip Norman im Piper Verlag. Übersetzt hat das 32 Euro kostende Hardcover-Buch Conny Lösch, die als eine der besten heutigen Englisch-Übersetzerinnen gilt. Das Fazit über die Biografie fällt allerdings zweigeteilt aus, doch dazu weiter unten mehr.
Zum Inhalt: McCartneys Leben hört sich beinahe zu sagenhaft an, um überhaupt wahr sein zu können. Denn Sir Paul hat sage und schreibe fünf Grammys gewonnen. Er war zudem elf Mal als Solokünstler in den deutschen Album-Top-Ten-Charts vertreten, und er ist Autor von über eintausend Songs. Alleine diese enormen Zahlen und gesicherten Fakten belegen, dass Paul McCartneys Karriere in beinahe jeglicher Hinsicht von Superlativen geprägt ist. Das Besondere an Normans Biografie ist, dass sie quasi mit dem offiziellen Segen McCartneys entstand, was einem Adelsschlag des Biografen gleichkommt. Der renommierte Rock-Biograf Norman schreibt auf knapp 1.000 Seiten (!) MaCartneys Geschichte auf, erstmals unter dem von allen Seiten bewilligten Einbezug von Freunden und Familie. Dadurch entsteht ein sehr kenntnis- und detailreiches Portrait von Paul McCartneys oftmals nicht ganz einfacher Beziehung zu John Lennon, die ja schon immer die Öffentlichkeit brennend interessiert hat. Auch wird die tragische Zeit nach der Auflösung der Beatles ausführlich beschrieben und wohl realistisch dargestellt. Es folgt Mc Cartneys Kampf zurück in den Pop-Olymp mit seiner eigenen Gruppe „Wings“, der dann fast dazu geführt hätte, dass der britische Pop-Barde in Afrika ermordet worden wäre, wozu es zum Glück aber nicht kam. Norman legt zudem hier mit bisher unveröffentlichten Details und kritischen Erkenntnissen die autorisierte, umfassende Biografie über eine der größten musikalischen Legenden unserer Zeit vor.
Bei annähernd tausend Druckseiten dürften dann doch keine Fragen offen bleiben, oder? Nun, das Ergebnis ist ein detailversessenes, jeden biografischen Krümel von McCartneys Leben würdigendes epochales Werk, das aber den Leser trotz der hervorragenden Übersetzung von Lösch doch immer wieder ermüdet. Natürlich ist es spannend beinahe alles minutiös über jeden einzelnen Tag in McCartneys Leben zu erfahren. Es finden sich haarkleine Informationen über Proben, das Agieren von Paul und seiner Kollegen und – in unserem Zusammenhang besonders wichtig – welche Drogen McCartney wann und in welchem Umfang zu sich genommen hat. Der Leser muss aber diese Informationen aus einem Überangebot anderer Informationen mühsam herausfiltern, was schnell langweilt. Vor allem aber die Scheidungsschlacht von Heather Mills wird derart bunt beschrieben, als stamme die Schilderung aus der britischen, illustren Regenbogenpresse, was dem ansonsten eher seriösen Anspruch des Werks widerspricht.
Was bleibt als Fazit festzuhalten? Normans Paul McCartney-Biografie ist ein recht zwiespältiges Vergnügen. Denn einerseits würdigt Norman den Pop-Titan in seiner Vielschichtigkeit mit der Tendenz zur Verherrlichung. Andererseits verschwindet die Person Paul McCartney in diesem Überfluss von Geschichten und Details beinahe. Insbesondere die Analyse und Herausstellung der Einzigartigkeit von McCartneys Musik bleiben in dem epochalen Werk auf der Strecke. Wobei es doch genau diese Aspekte sind, die den THC-affinen Leser im Zusammenhang mit McCartneys Drogeneskapaden am meisten interessieren. Insofern gilt als Fazit: Ein eher sprödes, zu detailversessenes Buch, dem mehr Fokussierung auf ausgewählte Themen gut getan hätte. Für eingefleischte Beatles- und McCartney-Fans aber natürlich dennoch ein Muss!
Christian Rausch