Sadhu van Hemp
Intellektuelle und solche, die sich dazu zählen, sind nicht immer bessere Menschen. Auch diesen Gotteskindern wohnen Untugenden inne, die aus einem guten Charakter einen schlechten machen und ein Leben in Sünde zur Folge haben. 1967 starteten neun Männer und Frauen in Westberlin die Expedition in die bis dato unbekannte Welt, wo alle Menschen frei und brüderlich vereint sind. Es sei vorweg gesagt: Angekommen ist niemand.
Große Dichter und Denker waren es, die im Februar 1967 die Türen öffneten und jenen Paradiesvögeln ein zu Hause gaben, die frischen Wind ins Land bringen und dem nur liederlich entnazifizierten Establishment den Marsch blasen wollten. Die Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger und Uwe Johnson rückten die Schlüssel heraus, und die Medien servierten den Deutschen das erste „Dschungel-Camp“ aller Zeiten. Das Experiment nannte sich „Kommune 1“, wurde von Axel Springers Schmutzblattimperium moderiert und von den Kindern der Nachkriegsgeneration gefeiert. Und da hockten sie einträchtig im Kreise, die linken Studenten, rauchten Haschisch, das wie Hefe in den politisch interessierten Köpfen aufging und jene dummen Gedanken wachsen ließ, die zum Scheißebauen benötigt werden.
Doch anders als in der modernen öffentlich zur Schau gestellten Käfighaltung von Menschen durften sich die Kommunarden auf dem ganzen Areal der damals komplett ummauerten Halbstadt bewegen und die Bevölkerung ins Spiel einbeziehen. Auch konnten die Fans ihre Helden in der Biosphäre unangemeldet besuchen. In Friedenau wurde Promi-Alarm ausgerufen, denn alles, was damals in der intellektuellen Szene Rang und Namen hatte, fand sich am Friedrich-Wilhelm-Platz ein, um sich mit der neuen linken Avantgarde zu zeigen. Sodom und Ghomorra soll laut Springerpresse zwischen Nied-, Frege und Stierstraße geherrscht haben – und das zum Schrecken aller Bürger auch noch in voller Absicht. Die Kommune 1 verstieß gezielt gegen alle guten Sitten. Statt brav in der Kleinfamilie zu leben, „aus der Faschismus“ entsteht, wollte die Wohngemeinschaft die „kleinste Zelle des Staates zerschlagen“, da „Mann und Frau in Abhängigkeit voneinander leben, so dass sich keiner von beiden frei zum Menschen entwickeln“ kann.
Und so sollen die Kommunarden im Haschisch- und LSD-Rausch munter drauf los und durcheinander gevögelt haben. Die, die vor einem halben Jahrhundert dabei waren, wissen, dass das nur ein Mythos ist, der sich aus Übertreibungen speist. Der Skandal war vielmehr, dass in der Kommune unverheiratete Männer und Frauen zusammenlebten, was unter Strafe stand. Die sexuelle Befreiung der Frau scheiterte zudem schon damals am unumstößlichen Besitzstandsrecht des Mannes an der Frau. Zwar gab es ein gemeinsames Matratzenlager, aber das diente eher zum Chillen, so wie heute Hinz und Kunz in der Sitzlandschaft vom Möbelhaus lümmeln.
Nein, das wirklich Unerhörte war ein anderer Tabubruch. Statt der Vätergeneration Folge zu leisten und artig zu studieren, rissen die Kommunarden mächtig gewaltig die Klappe auf. Nach den ersten Monaten der Selbstfindung und hierarchischer Positionierung innerhalb der Gruppe ging’s ans Werk, Vater Staat mittels politischer Agitation gepaart mit grotesken Spontiaktionen bis aufs Blut zu reizen.
Die erste Aktion sollte das „Pudding-Attentat“ auf den US-Vizepräsidenten werden. Am Abend des 2. April 1967 präsentierte Dieter Kunzelmann seinen Plan, dem Staatsbesuch mit Rauchbomben ein Vietnamkriegsfeeling zu verabreichen. Doch das schien der Gruppe zu riskant, da schwer auszurechnen war, wie die Sicherheitskräfte reagieren würden. Die Spaßguerilleros entschieden sich für Buttercremetorte, Mehl und Joghurt, sowie mit Farbe gefüllte Eier. Doch bereits nach dem Training im Grunewald wurden die Rädelsführer festgenommen – dank eines Spitzels, den die Abteilung „Politische Polizei“ im Umfeld der Kommune eingeschleust hatte.
Ein Sturm der Entrüstung brach los, nachdem die Polizei verbreitet hatte, dass Bomben und mit Chemikalien gefüllte Plastikbeutel geworfen werden sollten. Schließlich saßen „elf kleine Oscars“ („Zeit“) in U-Haft, und selbst die New York Times berichtete über den Terrorplan. Die „Horror-Kommunarden“ (Bildzeitung) mussten jedoch am nächsten Tag wieder auf freien Fuß gesetzt werden, nachdem die kriminaltechnische Untersuchung die „Chemikalien“ identifiziert hatte. Kunzelmann & Co. hatten einen Coup gelandet, der anschließend in einer Pressekonferenz genüsslich ausgekostet wurde und der K 1 bundesweite Berühmtheit bescherte.
Doch das lustige Treiben fand nicht bei allen Linksintellektuellen Anklang. So soll Uwe Johnson seinen Freund und Nachbarn Günter Grass beauftragt haben, die ungezogenen Studenten aus seiner Wohnung zu entfernen. Nächstes Quartier war eine Altbauwohnung am Stuttgarter Platz in Charlottenburg – und das Happening ging weiter. Schlagzeilen wurden nahezu wöchentlich produziert und dem Einfaltsreichtum, mittels Satire zu provozieren, waren keine Grenzen gesetzt. In Berlin regneten Flugblätter und Maobibeln vom Himmel, und Vater Staat agierte, indem er wie auf Knopfdruck falsch reagierte.
Am 2. Juni gingen der Polizei die Nerven durch – ausgelöst durch den Besuch des Schah von Persien. Mehrere Tausend Studenten hatten sich vor der weiträumig abgesperrten Deutschen Oper versammelt, um ihr unerwünschtes demokratisches Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrzunehmen. Wer die faulen Tomaten warf und die Steine verteilte, die gegen die Polizeiabsperrungen und Wasserwerfer flogen, lässt sich nicht rekonstruieren. Aber einer war es nicht: Fritz Teufel. Nachdem der Haschbruder bereits am Nachmittag von der Polizei wegen eines angeblichen Steinwurfs herausgefischt und in Gewahrsam genommen worden war, eskalierte die angespannte Lage gänzlich. Die Polizei erlaubte es den Leibwächtern des „Schlächters“ von Persien, die Absperrgitter wegzuziehen und mit Kanthölzern auf die Demonstranten einzuprügeln. Kaum spritzte das Blut, folgte auch schon der Generalangriff der Polizei. Wie viel Verletzte an jenem Abend in die Rettungsstellen eingeliefert wurden, ist nicht bekannt. Doch für einen kam jede Hilfe zu spät: Im Kopf des 27-jährigen Studenten Benno Ohnesorg steckte eine Polizeikugel, die der Zivilbeamte Karl-Heinz Kurras abgefeuert hatte.
Dieser Nahschuss von hinten in den Kopf war das Fanal für die allgemein hin bekannte 68er-Bewegung, in deren Verlauf sich die Außerparlamentarische Opposition spaltete: Die einen wollten Rudi Dutschke beim „Marsch durch die Institutionen“ folgen, die anderen hielten den Zeitpunkt für gekommen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Auch die Kommunarden schwankten, blieben aber zunächst auf ihrem Weg, die Staatsorgane mit Hohn und Spott vorzuführen.
Kurzum, in Berlin wurde der Aufstand geprobt – und mittenmang die Kommunarden, die von akkurat gescheitelten Studenten zu „verlausten Affen“ mutierten und der Jugend in jeder Hinsicht als Vorbilder galten. Am Gründonnerstag 1968 eskalierte die Lage vollends, als ein Bildzeitungsleser aus München anreiste und Rudi Dutschke zwei Löcher in den Kopf schoss. Die Ikone der Studentenbewegung überlebte, doch nur zu dem Preis, ein paar Jahre später an den Folgen des Attentats zu sterben. Noch am gleichen Abend brachen die berühmten Osterunruhen aus, und es grenzt an ein Wunder, dass es nicht noch mehr Tote gab.
Zugleich war das Dutschke-Attentat der Wendepunkt der Studentenbewegung. Als die ersten Terroranschläge folgten, war Schluss mit lustig – auch für die Kommunarden, die sich im Spätsommer 1968 in ihr neues Domizil in der Moabiter Stephanstraße zurückzogen und fortan den hedonistischen Lebensstil pflegten. Viele Gründungsmitglieder verabschiedeten sich entweder in den linksbürgerlichen Mief oder in den Untergrund. Der Rest der Truppe ruhte sich auf den Lorbeeren aus und ließ sich für Homestories der bunten Illustrierten ablichten. Rainer Langhans und Uschi Obermaiers nackte Brüste ließen die Kasse klingeln. Das „schönste Paar der APO“ hielt Hof, umringt von Leuten, die lieber bei Sex, Drugs und Rock ‚n’ Roll entspannten, als von der Polizei misshandelt zu werden.
Und so verliefen sich die Kommunarden in alle Himmelsrichtungen. Alle guten Vorsätze, bessere Menschen zu werden, scheiterten an all dem, was die Menschen schon seit Adams Zeiten entzweit: Gier, Missgunst, Geltungssucht, Maßlosigkeit … und weiß der Henker, was noch für Laster. Aus Studenten und Revoluzzern, wurden bräsige Intellektuelle, abgewrackte Junkies und selbstverliebte Ichlinge – ohne realen Bezug zu den Leuten, denen sie in ihrer Sturm- und Drang-Zeit das Blaue vom Himmel versprochen hatten. Und so waren es ganz stilecht Rocker, die zornigen Stiefbrüder der Hippies, die im November 1969 die halbverlassene Kommune heimsuchten und das Licht ausknipsten.
Ermordung von Benno Ohnesorg:
https://www.youtube.com/watch?v=02WGQdSrBxA
Puddingattentat:
Der Hauptfaktor an dem ein Vorhaben meißtens scheitert ist der nicht funktionierende Zusammenhalt.Das gilt auch für Regierungen.Ohne ein gewisses Maß an Rücksichtnahme aber auch Disziplin und Opferbereitschaft läßt sich Veränderung gemeinschaftlich nicht erzielen.Natürlich müßte jeder eine klare Vorstellung davon haben was wie anders werden soll und wie das angemessen in die Gesellschaft integriert werden kann.
Zwischen Wahnsinn und Verstand eine wahrhaftige Zeitgeschichte von Sadhu van Hemp!!! Im letzten Jahr hatte ich großkotzig behauptet, ja wir könnten unsere eigene Partei Gründen, verlassen von den Obrigen die uns Kontrollieren, entgegenstellen, nicht mehr hinnehmen müssen durch Repressalien und das Soziale im Vordergrund stehen müsste und nicht in den Untergrund abwandern zu müssen. Ein Themen- Hanf- Partei gelacht, nein, hier sind viele ungeschliffene Diamanten, mit vielen Facetten die Ihren Schliff noch nicht bekommen haben bzw. hatten. Damit will ich sagen, wer nicht kämpft für die Freiheit, auch für Cannabis, der wird verlieren. Tja, für heute waren 6 Schalke-Bier veranschlagt, reicht aber nicht, weil kein Cannabis vorhanden ist, deshalb für mich noch 3 hinterher und nen Drink von “Feigling” Damenbekannt… Weiterlesen »