Buchtipp
Satz mit X
Heyne Hardcore hält doch eigentlich, was es verspricht. Die meisten Titel dieses Labels, die ich bisher gelesen habe, hatten es in sich. Ob Mr. Nice von Howard Marks oder die Hardcore-Thriller von James Lee Burke, jedes Buch hat mich auf irgendeine Art berührt. Ganz anders verhält sich das mit „Schottendisco“ von David F. Ross. Das ist ein grandioser Schuss in den Ofen und ich weiß gar nicht, wo ich mit meiner Kritik beginnen soll.
Die größte Frechheit ist wohl die Werbung, mit der Heyne Hardcore auf dem Buchrücken wirbt: „Schottendisco ist das neue Trainspotting!“ (Atticus Finch) Hahaha, selten so gelacht, denn „Schottendisco“ liegt, was Niveau und Hardcoreness angeht Lichtjahre von Trainspotting entfernt. Das Buch kann sich zudem nicht entscheiden, was es eigentlich sein möchte. Es liest sich wie ein Sachbuch über die 80er Jahre in Schottland. Es handelt von ein paar planlosen Jugendlichen, die die grandiose Geschäftsidee entwickeln, eine mobile Disco auf die Beine zu stellen, um bei Privatpartys den großen Reibach zu machen. Dabei kommen sie aber, wer hätte das gedacht, einer lokalen Gangstergröße in die Quere. Dann geht es in „Schottendisko“ um die Musik der 80er und den Stil, aber alles nur sehr oberflächlich. Der größte Gag des Buchs besteht darin, dass ein Grateful-Dead-Fan und Hehler den größten Schwanz von ganz Schottland besitzt. Immerhin scheint damit, wenn auch nur am Rande, ein richtig guter Musikgeschmack durch. Und irgendwie wird in „Schottendisco“ auch ein ganz klein wenig an den gesellschaftspolitischen Zuständen herumkritisiert. Die böse Thatcher, der böse Reagan und dieser verdammte Neoliberalismus! Aber auch diese Kritik bleibt im Ansatz stecken, denn irgendwie spielt alles keine Rolle, solange die 80er-Mucke stimmt und es ein Pint oder zwei gibt.
Ach so, ein, zwei Tütchen werden auch geraucht, einmal Speed geschnupft und zu guter Letzt noch Tapes eingeworfen. Nein, diese verruchten 80er und Schottland als ganz hartes Pflaster. „Schottendisco“ will aber kein Sachbuch oder autobiografisch inspiriertes Enthüllungsbuch sein, sondern ein Roman. Dafür fehlen aber beinahe sämtliche Voraussetzungen: Es ist kein kohärenter Plot vorhanden, die Charaktere sind unglaubwürdig und farblos, den Dialogen fehlt jegliches Leben, Das ganze liest sich wie eine Reportage. Den Höhepunkt bilden die parallelen Handlungsstränge Falklandkrieg und dass der Gangster Fat Franny Duncan seinen jungen Diskokonkurrenten das Leben schwer macht, das heißt, ihnen zu Leibe rückt. Aber alles im Schongang, nur keine Sorge, die Lektüre können auch Bluthochdruckpatienten mit der Hypertonie-Stufe 3 gefahrlos lesen.
Den krönenden Abschluss des Buchs bilden familiäre Kollisionen, Herzinfarkte und Nervenzusammenbrüche. Immer wieder streut Ross seitenlange Originalzitate der britischen Premierministerin Margeret Thatcher ein, was wieder den Sachbuchcharakter unterstreicht. Mein lapidares Fazit lautet: Satz mit X, das war wohl nix. „Schottendisco“ versucht von allem ein bisschen was zu sein: Reportage, Sachbuch, autobiografisches Enthüllungsbuch, Geschichtserinnerung, Musikgeschichte und Gesellschaftskritik. Wer es Allen Recht machen will, macht im Zweifel nichts recht. Und so wäre auch dem Label Heyne Hardcore anzuraten, dem bisherigen Markenimage treu zu bleiben und nur Bücher zu veröffentlichen, die in diese Linie passen. Bei „Schottendisco“ passt in jedem Fall nix zusammen.