Dienstag, 7. Juni 2016

“Eine neue Drogenpolitik ist überfällig”

 

Der alternative Drogen- und Suchtbericht 2016

keine Lügen über Drogen
Bild: Archiv

 

Drei Tage bevor die Bundesregierung ihren Drogen- und Suchtbericht der Öffentlichkeit präsentiert, wurde gestern der alternative Drogen- und Suchtbericht in Berlin vorgestellt. Der Bericht wurde von Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis um den akzept Bundesverband, die Deutsche AIDS-Hilfe und den JES Bundesverband erstellt und ist dieses Jahr zum dritten Mal erschienen. “Ein Kurswechsel in der Drogenpolitik könnte Leben retten, Abhängigkeit verhindern und Schluss machen mit drastischer Ressourcenverschwendung in Justiz- und Polizeiarbeit.”  In der aktuellen Drogenpolitik herrsche Stillstand und Änderungen seien überfällig, lautete das Fazit der Experten.

 

Die Autoren bemängelten, dass Deutschland beim Tabak- und Alkoholkonsum im internationalen Vergleich vorne liege, während die Zahl der durch illegalisierte Drogen zu Tode kommenden Menschen stets steige. Es mangelt an Hilfsangeboten für die betroffenen Konsumenten. Zudem werden diese durch die Gesetzgebung in die Kriminalität getrieben, wodurch Lebenslaufbahnen zerstört werden, ganz abgesehen von den gesundheitlichen Folgen, die durch schlechte Qualität der Substanzen entstehen. Zusätzlich verursachen die Strafverfolgung sowie die Inhaftierung enorme Kosten. All diese Argumente sind seit langem bekannt, jedoch lehnt die Bundesregierung einen Paradigmenwechsel nach wie vor ab und das, obwohl in anderen Ländern bereits erfolgreich Alternativen erprobt werden.

 

Die Herausgeber des alternativen Drogen- und Suchtbericht fordern daher:

 

  • eine wissenschaftlich fundierte Überprüfung des BtMG.
  • staatlich kontrollierte Abgabe von bisher illegalen Substanzen (bei Cannabis z.B. über autorisierte Geschäfte, bei Heroin über das Medizinsystem); als ersten Schritt Straffreiheit beim Besitz von geringen Mengen.
  • flächendeckende Einführung lebensrettender Maßnahmen wie Drogenkonsumräume und die Verfügbarkeit des Notfallmedikaments Naloxon sowie Druck-Checking und Spritzenvergabe in Haft.

 

Weitere Themen des Dokuments sind unter anderem: der Jugendschutz, das geplante Gesetz zum Verbot neuer psychoaktiver Substanzen, kontrollierte Abgabemodelle für Cannabis, Druck Checking sowie die Führerscheinproblematik. Zu den Autoren zählen Jugendrichter Andreas Müller, der ehemalige Polizeipräsident Hubert Wimber, Dr. Bernd Werse vom Centre for Drug Research, Ulf Hentschke-Kristal, Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe, Kerstin Dettmer, Ärztin bei Fixpunkt e.V. und der Jurist und Kriminologe Prof. Dr. Lorenz Böllinger.

 

Den vollständigen Bericht, sowie weitere Informationen findet ihr hier.

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9 Kommentare
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Sebi
7 Jahre zuvor

Ich schaue mir das Thema schon mehr als 20Jahre an und ich könnte nur heulen. Außer viel Gerede passiert ja doch nix. Ich habe manchmal sogar das Gefühl, dass die Mühlen in manchen Verbänden sogar noch langsamer drehen als die in der Politik und deren Geschwindigkeit liegt bei nahe zu null. In Deutschland kommt keine Legalisierung, denn unsere Lobbyisten sind stärker als die Politiker und stärker als alle Verbände. Petitionen haben keinerlei politische Wirkung. Und wenn 80 Mio Deutsche unterschreiben würden, die Politiker interessiert das nicht. Den Schuh zieht sich niemand an. Da wird nichts passieren.

Jemand
7 Jahre zuvor

@Sebi Ja das ist ja das Problem! Während andere Interessensberbände (zB die der Homsexuellen) bedingunglos ihre Rechte einfordern lässt sich der Hanfverband (der sich ja selbst als Hanflobby sieht) mit leeren Versprechen ködern und bleibt bei Minimalstforderungen die eh keinen Sinn machen!

Das das so nix wird ist klar! Aber das will offenbar keiner verstehen

Christoph Kierspel
7 Jahre zuvor

“Wenn der Wind der Veränderung weht, bauen einige Mauern andere Windmühlen” … chinesisches Sprichwort. Welche Veränderungen gab es in den letzten Jahren : … a) die Bundesregierung wurde durch Gerichtsurteile gezwungen, eine Cannabis-Agentur einzurichten. Ja .. ich weiß, bisher gibt es nur einen Referentenentwurf. b) Mit Einführung des Betäubungsmittelgesetzes hat sich die juristische Definition von Rauschgift von der medizinischen Definition getrennt ! Ich bezeichne dieses Gesetz gerne als “Rache des Establishments an 68”. Diese Suppe werden die Denkfaulen gerade gezwungen auszulöffeln. c) THC statt AfD . d) Wenn ein gewisser Hans Beimer in einer mehr oder weniger populären Doku-Soap seine Gebrechen mit vaporisiertem Cannabis kuriert …. könnte auch eine Oma in Hintertupfingen ( nichts gegen Hintertupfingen ! ) auf den… Weiterlesen »

Jemand
7 Jahre zuvor

@Christoph Kierspel A) Welches Urteil bitte ? Die Agentur wird (wenn überhaupt) doch gegründet um den Eigenanbau durch Patienten und die darauf folgenden Klagen wegen mangelnder Gleichberechtigung (gegen eine “nur für Schwerkranke Mentalität) zu verhindern B) Es ging nicht nur um Rache! Man wollte auch verhindern das die nachfolgenden Generationen diese Helden der Demokratie als eben solche sehen und ihnen nacheifern! Das Argument das diese Gift genommen haben scheint das zu erfüllen! C) XTC THC Jeroin egal…hauptsache kein AFD D) Stimmt E) Politiker profitieren zu seh an doesem hochkorrupten und verschwörerische Ausmaße annehmenden ” Systgem” um davob abzulassen! Dadurch muss alles gerichtlich erstritten werden! Diese halte ich allerdings für fast genauso korrupt! Gerade das BVerfG kassiert gerne mal das ein… Weiterlesen »

symba
7 Jahre zuvor

Ja, die Neuausrichtung der Drogenpolitik ist überfällig. Als Hans Cousto vor einem geschätzten halben Jahr in einem Taz-Blog-Eintrag (erinnerungsbasierte Einleitung) Marlenches Statement “legalisierungsbefürwortende Verharmloser sind Schuld an steigenden Konsumentenzahlen unter Heranwachsenden” in Frage stellte, kommentierte ich genau den Punkt, der offensichtlich und glücklicherweise in dem publizierten “Alternativen Drogen- und Suchtbericht 2016” einzug fand. Nicht die Anzahl derer, die Drogen konsumieren erhöhte sich in den vergangenen Jahren, sondern die Anzahl derer, die dank der nüchternen Seite der politischen Debatte den eigenen Konsum zugeben! Dass die aktuelle Drogenpolitik auf pure Desinformation ausgerichtet ist, und Statistiken entweder ignoriert oder instrumentalisiert ist eine Frechheit. Mittlerweile würde ich mich mit einer wissenschaftlich orientierten Drogenpolitik nicht mehr zufrieden geben. Ich fordere eine strafrechtliche Verfolgung für jeden… Weiterlesen »

Jemand
7 Jahre zuvor

“Ich fordere desweiteren, dass die Strafverfolgung in diesem Bereich rückwirkend auf mindestens 10 Jahre ausgeweitet wird.”

Nicht nur in diesem Bereich! Die völkerrechtswidrige “Aussenpolitik” der USA zu unterstützen Neonazis zu verharmlosen und den Spekulationswahn der Großbanken nicht zu stoppen sind dabei nur 3 Beispiele!

symba
7 Jahre zuvor

Die Notenbankenproblematik ist das Thema, das meine volle Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen wird, wenn die Drogenpolitik human gestaltet wird… also etwa in 30 Jahren ;)…

Marci
7 Jahre zuvor

Moin Moin, Also ich sehe langsam Hoffnung aufschimmern. Nicht für dieses, aber eventuell für das nächste Jahr … denn, wie ich das sehe wurden “in Stein” gemeißelte Asyl und Grenzgesetze dieses und letztes Jahr einfach außer Kraft gesetzt, weil die Politik einfach zu viel Gegenwehr hatte bzw nicht die Ressourcen für die Umsetzung einiger Strafverfolgungsdelikte hatte. Bevor die Politik sich eingestehen muss, dass sie bestimmte Rechte und Pflichten wie bestimmte Delikte nicht mit seinen Behörden unterbinden kann (siehe Fluchtlingskrise), werden die Gesetze schnell verworfen, damit der gute Bürger nicht merkt, das der Staat Handlungsunfähig ist. Also einfach: Es müssten sich mindestens mal ein paar Millionen Menschen zum gemütlichen Rauchen in Berlin Mitte treffen. Dies dann über Tage qualmen lassen. Die… Weiterlesen »

Marci
7 Jahre zuvor

… denn die von Strafverfolgung geplagten Konsumenten, sind zum größtenteils beschäftigt, um 5uhr morgends aufzustehen und unsere Steuerkassen zu füllen. Also auch kein langwieriger Qualmprotest, da soviele ihre eigenen wichtigen Verpflichtungen haben.