Freitag, 26. Juni 2015

Verdampfte Jugend

Bild: rob_gonyea / freeimages
Bild: rob_gonyea / freeimages

 

Wie Cannabiskonsum die Schullaufbahn zerstört – ein Erfahrungsbericht

 

Anmerkung der Redaktion: Das Hanf Journal hat schon oft berichtet wie Menschen auf Grund der Cannabis-Prohibition in Konflikt mit dem Gesetz geraten und im schlimmsten Fall ihrer Freiheit und/oder ihrer Existenzgrundlage beraubt werden. Welche verheerenden Folgen das Verbot auch auf das Leben und die Zukunftschancen von jungen Menschen hat, zeigt folgender Erfahrungsbericht. Dass Jugendliche und junge Erwachsende trotz der möglichen gesundheitsschädigenden Auswirkungen auf ihre jungen Körper zu bewusstseinsverändernden Substanzen greifen, ist nicht schön, lässt sich aber kaum verhindern. Umso wichtiger ist es, die Betroffenen über Risiken und Konsequenzen aufzuklären und ihnen mögliche Alternativen zu bieten. Davon ist man in der allgemeinen Praxis und speziell im schulischen Umfeld leider noch weit entfernt. Statt Aufklärung und Verständnis werden junge Menschen kriminalisiert. Dies erschwert ihnen den Ausstieg und lässt sie nicht selten noch tiefer abrutschen.

 

 

„Hmm, hier riecht es aber gut! Schönen Guten Tag die Herren, Polizei Frankfurt, einmal die Ausweise bitte“, sagte der Gesetzeshüter mit einem freudigen Lächeln auf den Lippen. Er und sein Partner versperren die wohltuende Mittagssonne. Genervtes Seufzen, gefolgt von Augenrollen und die drei Straftäter erheben sich von der Parkbank. Sie machen ihre Taschen leer und halten die Ausweise bereit. Sie kennen das ganze Prozedere schon. Während der Polizist die Besitztümer der Jungs auf der Bank ausbreitet, fragen sie sich, ob er die fehlende Sinnhaftigkeit seines Einsatzes erkennt; aber sein Blick verrät ihn – er will etwas Grünes finden. Langsam sammelt sich eine kleine Zahl von Schaulustigen.

 

„Hören sie Herr Wachtmeister,“ versucht es Felix, der jüngste der Gruppe „Sie werden bei uns nichts finden. Wir sind keine Dealer und schon gar keine Verbrecher.“ Sein gegenüber scheint ihn überhört zu haben, denn er wendet sich zu seinem Kollegen
„Thomas, gib mal die Namen durch. Wollen wir doch mal sehen, ob einer von euch Dreck am Stecken hat.“ Während einer der Beamten die Identitäten der Jugendlichen überprüft, werden alle drei penibel durchsucht. „Irgendwelche Spritzen oder spitze Gegenstände in den Taschen?“ fragte der Polyp, der angesichts der fehlenden Beweismittel, keinen Spaß mehr an seinem Job zu haben scheint. „Ich rauch Gras, kein Crack“ äußert Marc sichtlich kalt. Unbeirrt geht die Kontrolle weiter. „Macht´s Spaß?“ Die Frage stößt auf wenig Gegenliebe.

 

„Oh shit!“ Marc und Felix schauen verwirrt zu Hamza, dem dritten im Bunde. „Dreht euch nicht um, Hartmann auf 12 Uhr!“ Sofort ist alle Farbe aus Felix´s Gesicht gewichen. Hat man vorher, mit einem Grinsen, gewisse Gleichgültigkeit an den Tag gelegt, weil man wusste, das Gras ist gut versteckt – so ist aller Trotz verflogen, wenn man seine Schulleiterin unter der Horde von Gaffern ausmacht. Die Freunde werden gefilzt, als wolle man(n) um jeden Preis ein wenig Stoff finden. Es ist ein schmutziges, entwürdigendes Gefühl wenn man(n) im Intimbereich abgetastet wird, aber das ist nur halb so schlimm, wie der kurze Blick in die Hose bei Hamza.

 

„Sind sie Rassist?“ – keine Antwort. Einige provozierende Sprüche der Polizisten später und nachdem jegliches Selbstwertgefühl für ‘s erste verflogen ist, ist die Kontrolle vorbei. Die beiden Beamten verschwinden in Richtung ihres blau-weißen Partybusses, die Jungs bleiben zurück. „So eine Zeitverschwendung“ sagen Hamza und Thomas, ungehört voneinander. Ihre Schulleiterin ist wie vom Erdboden verschluckt, der Rest der Gaffer steht noch an Ort und Stelle. Einer der Spanner, hat sogar ein Foto gemacht. Das läd der bestimmt auf Instagram hoch, mit dem Hashtag #läuftbeidenen, denkt Felix.
Marc holt sein Gras aus dem Versteck und baut sich erstmal einen Joint, um, wie er sagt, „runter zu kommen“. Hoffentlich wurden wir nicht erkannt, steht ihm ins Gesicht geschrieben, während er nachdenklich den Rauch ausatmet.

 

In den folgenden Wochen, bekommen sie zu spüren, was ihre kriminelle Machenschaften verursacht haben. Felix ist eigentlich ein mittelmäßiger Schüler. Komischer Weiße sacken plötzlich seine Noten total in den Keller. Bei den beiden anderen ist eine gleiche Veränderung zu beobachten. Felix merkt, dass seine Lehrer ihn kaum noch im Unterricht drannehmen, nur wenn er wirklich der einzige ist, der sich meldet. Neben komischen, zweideutigen Anspielungen auf seinen Cannabiskonsum, muss er ständig mit Kritik an seiner Arbeitsmoral kämpfen. Das schlimme ist: Jetzt fängt der Stress für ihn erst richtig an, denn aufgrund seiner schlechten Noten, bekommt er enormen Druck von seinen Eltern. Er ist verzweifelt, denn er lernt immer mehr für die Schule, mehr als jemals zuvor, doch seine Noten verbessern sich nicht. Am Ende des Jahres müssen Felix, Hamza und Marc die 11. Jahrgangsstufe wiederholen. Mittlerweile ist ihr Cannabiskonsum exzessiv geworden. Sie rauchen Gras um ihr `Versagen´ zu kompensieren.

 

Leistungsdruck und Schulstress sind, für deutsche Schüler, genauso alltäglich, wie der vorherrschende Konkurrenzkampf. Viele Jugendliche klagen über ungerechte Noten, unfaire Behandlung oder einfach Unverhältnismäßigkeit zwischen den Leistungen einzelner Schüler. Die Antwort von Erwachsenen ist oft dieselbe: ‘Schlechte Noten liegen nicht an Lehrern’ und ‘da musste jeder mal durch’. Mir fällt es echt schwer das gerade nieder zu schreiben, weil mich kaum etwas so wütend macht, wie diese, vor Klischee triefende Fehleinschätzung unseres Bildungssystems. Zu denken, die Angst vor dem Gesetz hält Jugendliche davon ab, Cannabis zu rauchen ist genauso fatal, wie zu denken, Kleber schnüffeln macht die Atemwege frei – Schwachsinn. Angst verwandelt sich in Wut und Wut in Trotz.

 

Jugendliche Konsumenten als Kriminelle zu sehen, verhindert jegliche sinnvolle Drogenpolitik und bewirkt rein gar nichts. Außer man erachtet, versteckten, heimlichen Konsum als Erfolg. Ein gesellschaftlicher Konsens über Cannabis ist zwingend notwendig. Es ist unvereinbar, dass Menschen ausgegrenzt oder benachteiligt werden, bloß weil sie durch die Willkühr des Gesetzgebers kriminalisiert werden.

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1 Kommentar
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panjabi
9 Jahre zuvor

“Schöner” Schluss.

Man spürt die Wut förmlich und ich kann sie zu gut nachvollziehen.

Highteres Wochenende euch Allen.