Die einfachste Art der Selbstversorgung
Autor: Kimo
Chris* ist eigentlich Indoor-Grower. Aber Chris hasst seine Stromrechnung, seit er ein Growzelt hat. Seine Wohnung liegt im obersten Geschoss eines Mietshauses, hat einen schönen Balkon mit einer 120 Zentimeter hohen Brüstung und keine direkten Nachbarn, die einen Blick hinter die Brüstung erhaschen könnten. Also hat er im Januar 2014 seine Box ausgeschaltet, um seinen Eigenbedarf für den kommenden Winter ohne Kunstlicht großzuziehen.
Nachdem er seine Ernte im Oktober erfolgreich eingefahren hatte, erhielt unsere guerilla growing Redaktion ein paar Wochen darauf eine nette Mail mit einem Link, der einige schicke Fotos seiner Damen sowie nette Zeilen über seinen Grow enthielt.
„Ich habe lange überlegt, ob ich es wirklich wagen soll, halb-öffentlich anzubauen. Aber bei einem Balkon mit Südlage mit neun Stunden Sonne an Sommertagen, der außerdem kaum einzusehen ist, konnte ich einfach nicht anders. Also habe ich mir erst einmal ein Katzennetz besorgt, so dass der gesamte Farbton des Balkons grünlich wirkte, außerdem verschwimmen die Konturen der Pflanzen durch die engen Maschen ein wenig. Zudem habe ich mir zur Tarnung noch ein paar Sonnenblumen und ein paar Tomaten gepflanzt. Zeitgleich habe ich zwei feminisierte „Acid“- Samen eingesetzt und mir beim Kloner meines Vertrauens noch drei „White Widdow x Purple“ Stecklinge bestellt, die aus heimischer Kreuzung stammen.
Zwei Wochen später war ich stolzer Besitzer von fünf Jungpflanzen aus feminisiertem Saatgut sowie aus Stecklingen, die einen Ehrenplatz am Fensterbrett erhielten. Nachdem die Babys ordentlich bewurzelt und gute 15 Zentimeter groß waren, habe ich sie in 11-Liter Töpfe umgetopft, die ich zuvor mit leicht vorgedüngter Erde aus dem Growshop befüllt hatte. Ich hatte die Kleinen schon im Wachstum ordentlich beschnitten, damit sie eher in die Breite als in die Höhe wachsen, schließlich ist die Brüstung ja nur 1,20 Meter hoch. Nach ein paar weiteren Tagen am Fenster habe ich sie dann Anfang Mai neben den Tomaten und den Sonnenblumen nach draußen gesetzt.
Indoor bin ich ja ein absoluter Gegner der Beschneidung oberer Triebe, aber solange meine Hanfdamen am Balkon noch in der vegetativen Phase waren, habe ich alles daran gesetzt, die Wuchsform durch wiederholte Beschneidung zu manipulieren. Aufgrund der vorgedüngten Erde habe ich die ersten vier Wochen überhaupt nicht gedüngt. Die Pflanzen sind bei dem feucht-warmen Klima diesen Jahres (2014) trotzdem extrem schnell gewachsen. Im unteren Bereich habe ich noch ein paar Äste abgeknipst, damit ich die Pflanzen, sobald sie richtig groß sind, besser versorgen und kontrollieren kann. Zum Gießen habe ich die Regenrinne angezapft und das Wasser in einem Aquarium gesammelt. So musste ich nicht einmal meine Osmoseanlage, die ich im Zelt immer verwende, benutzen. Mitte Juni habe ich dann angefangen, einmal die Woche zu düngen. Aus akutem Geldmangel habe ich meinen Indoor-Dünger einfach auch für die Ladys am Balkon genutzt, obwohl ich eigentlich auf Bio-Dünger umsteigen wollte. Das ist ein Zwei-Komponenten Dünger in Pulverform, der ziemlich sparsam ist. Den EC-Wert habe ich nicht gemessen, deshalb hatte ich auch trotz vorsichtiger Herangehensweise im Juli einmal mit Überdüngungserscheinungen zu kämpfen. Die nach unten gebogenen Blätter haben sich dann nach der täglichen Gabe von Regenwasser schnell wieder erholt. Den pH-Wert habe ich mithilfe von Lackmuspapier nur ungefähr messen können und mit Zitronensäue aus der Drogerie auf 6 – 6,2 eingeregelt. Der Juni und der Juli sind dann auch ohne große Zwischenfälle vorüber gegangen. Alle Damen waren schön verzweigt und kräftig, nur die „White Widdow x Purple“ haben zu Blütebeginn Mitte August ein wenig über die Brüstung geragt. Die habe ich dann mit einem Hanf(!)seil ein wenig herunter binden müssen, damit die Buds nicht vom Hauseingang aus sichtbar waren. Trotz eines nicht zu sonnigen Augusts und mithilfe des Blüten-Boosters haben die Damen jetzt brav angefangen, Blüten auszubilden. Ein wenig Kopfschmerzen hat mir das schwüle Klima bereitet, das einen idealen Nährboden für Braunfäule darstellt. Deshalb habe ich, sobald die Buds daumendick waren, täglich alles auf Schimmel kontrolliert. So sind August und September vergangen und ich habe mich schon auf eine problemlose Endphase gefreut, als ich bei der „Acid“ einen weichen, angefaulten Bud entdeckt habe. Okay, ich gebe zu, die „Acid“ ist keine ausgesprochene Outdoorsorte und deshalb habe ich fast damit gerechnet. Aber frustriert war ich schon ob des halb gekappten Top-Buds. Ich habe die weiche Stelle im Bud zum Glück entdeckt, als sie noch ganz klein war. Trotzdem musste ich den halben Bud wegschneiden, um ein weiterwachsen zu vermeiden. Bei der zweiten „Acid“ war es drei Tage später nicht anders, aber immerhin waren die beiden auch schon am weitesten. So habe ich die „Acid“ Ende September ein wenig zu früh ernten müssen. Die White Widdow x Purple hingegen war zu diesem Zeitpunkt weder reif noch schimmelig. Der etwas größer gewachsene Strain hat im Oktober noch eine Menge Sonne abbekommen, so dass die Blüten zur Ernte fast so dicht mit Kristallen besetzt waren wie ein paar Monate zuvor meine Indoor-Buds der gleichen Sorte.
Die „Acids“ konnte ich aufgrund der Notschlachtung auch nicht mehr ordentlich spülen, bevor ich sie in mein brachliegendes Growzelt zum Trocknen verfrachtet habe. Ich bilde mir ein, dass man das auch geschmeckt hat, obwohl ich wirklich vorsichtig gedüngt habe. Meine purpurne Kreuzung hingegen hat die letzten beiden Wochen nur noch klares Regenwasser bekommen, bevor auch sie der Schere zum Opfer gefallen ist. Mit dem Trockenen lasse ich mir gehörig Zeit, ich probiere meine Ernte frühestens nach drei Wochen. Aber ich fermentiere mein Gras nicht und frage mich auch immer wieder, wer so etwas macht? Dann würde das Gras ja braun und muffig werden, so wie Schwarztee im Vergleich zu Grüntee. Ich trockne mein Gras gut, damit das Chlorophyll verschwindet und die THC-Säure in THC umgewandelt wird, so wie es in der Fachliteratur beschrieben wird. Was aber ein ordentlicher Trocknungsvorgang mit Fermentation zu tun hat, konnte mir bislang noch niemand verraten. Meinen Kollegen und mir hat es jedenfalls vorzüglich gemundet.
Insgesamt habe ich zwei Keksdosen voller Buds und zwei Pfund Canna-Butter aus Schnittresten ergärtnert, die mir wohl die nächsten Monate versüßen werden. Aber ich glaube, dass ich vor der Outdoorsaison 2015 doch noch einen Indoor-Durchgang machen werde, denn ein Jahr lang reichen mir die beiden Dosen sicher nicht. 2015 werde ich auf jeden Fall wieder meinen Balkon begrünen. Lasst Euch bloß nix erzählen, probiert’s einfach aus. Grüne Grüße an alle Hanf Journal-Leser/innen, passt auf Euch auf!“
Dem Aufruf von Chris können wir uns natürlich nicht anschließen. Zumindest so lange nicht, wie der Anbau von Cannabis strafbar ist. Deshalb dürft ihr Chris’ Schilderung auch nicht als Anleitung verstehen und es ihm nachmachen. Nur schauen, nicht growen.
*Name geändert
Netter Report, aber ich bin ein bisschen irritier bezüglich seiner Aussage zur Fermentation…