Sonntag, 4. Januar 2015

(P)Review 2014/2015

Was war – was kommt

 

sadhu-hafen-feuerwerk

 

Sadhu van Hemp 

 

 

Das alte Jahr war und das neue wird ein Kriegsjahr. Seit einem halben Jahrhundert tobt auch in deutschen Landen der Anti-Hanf-Krieg, der unendliches Leid über die Menschen bringt und sinnloser nicht sein. Doch alle paramilitärischen Anstrengungen der Prohibitionisten, den gemeinen Hanf und seine Nutznießer mit Stumpf und Stiel auszurotten, waren und sind zum Scheitern verurteilt: Der Neussche Befehl an die Erben der Hanfkultur, dass auf deutschen Boden nie wieder ein Joint ausgehen darf, ist längst ausgeführt.

 

2014 war ein amüsantes und erfolgreiches Jahr für die internationale Volksarmee der Haschrebellen. Doch bevor Jubelstimmung ausbricht, wollen wir den Opfern des weltweiten War on Drugs gedenken, die ihr Leben ließen, um dem Junkie den Schuss, dem Kokser die Nase und dem Kiffer die Tüte zu garantieren. Gehen wir einen Moment in uns, und fühlen wir nach, wie es ist, wenn im bayerischen Burghausen ein blutrünstiger Zivilfahnder einer Mutter den Sohn raubt. Soll uns diese Schandtat mahnen, dass jeder x-beliebige Polizeibeamte jedem von uns wegen eines Cannabisdeliktes aus fünf Metern Entfernung von hinten in den Kopf schießen darf, ohne sich strafrechtlich, noch moralisch dafür rechtfertigen zu müssen.

 

Die Bilanz von weit mehr als 100.000 Repressionsopfern spricht eine klare Sprache: Dieser unser Staat scheut vor nichts zurück, den industriell organisierten Krieg gegen alle Hänflinge künstlich zu verlängern. Tag für Tag, Nacht für Nacht schallt von der Front der Trommelwirbel der Repressionskeule – geschwungen von den drei Staatsgewalten und deren Helfershelfern der Pharma- und Gesundheitsindustrie.

 

Auch 2014 sind viele unserer Brüder und Schwestern in die Kiste eingefahren, haben die Fahrerlaubnis, die Arbeit und die Vormundschaft für ihre Kinder verloren. Gnadenlos hat Vater Staat die Daumenschrauben noch fester angezogen. Wie gehabt schraken die Büttel unseres vermeintlichen Rechtsstaates selbst vor alten und kranken Menschen nicht zurück: Das von leibhaftigen „Menschen“ geführte Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat ganze Prohibitionsarbeit geleistet, indem keine verwaltungstechnische und juristische Grausamkeit ausgelassen wurde, um die betroffenen Kriegsinvaliden weiterhin auf dem Schlachtfeld ins Gras beißen zu lassen. In der Realität sieht das dann so aus wie in Augsburg, wo den selbstberufenen Sittenwächtern der Polizei eine Ausnahmegenehmigung für Medizinalhanf Grund genug ist, die Kranken nach guter alter Polizeitradition bevorzugt zu behandeln.

 

Also, denken wir an die armen Seelen der Hanfgemeinde, die der Jahreswechsel mit Not und Elend empfängt. Machen wir es zu unseren Vorsatz, nicht einen Tag des neuen Jahres die zu vergessen, die unsere Solidarität bitter nötig haben, um nicht am Leben zu verzweifeln. Werden wir uns der Familie bewusst, die wir sind! Denn nur gemeinsam, werden wir die besiegen, die Abermillionen Hanffreunden die Luft zum Atmen abdrehen.

 

Doch halt, Trübsal allein lähmt! 2014 war auch das Jahr der Hoffnung. Stunden der Freude gab es einige. Unvergessen bleibt der historische Moment, als die Niederlande nach fast vierzig Jahren das Alleinstellungsmerkmal in Sachen liberale Drogenpolitik verloren. Schlagartig hat sich der Fokus auf das „Land der Freien“ gerichtet – also auf jenen Schurkenstaat jenseits des großen Teiches, der den „World War on Drugs“ einst anzettelte und nun kapituliert. Colorado ist das neue El Dorado der Hanfgemeinde, wo seit Anfang letzten Jahres niemand mehr fürchten muss, wegen des Umgangs mit Hanf in überschaubaren Mengen von unmenschlichen Richtern auf Nimmerwiedersehen in den Knast geschickt zu werden. Bundesstaat für Bundesstaat wackelt und fällt das Hanfverbot. Wer die Zeichen der Zeit richtet deutet, ahnt, dass aus dem Flächen- ein hübscher Weltenbrand werden kann, wenn die USA eines nicht mehr allzu fernen Tages die UNO dazu zwingen, das „Single Convention on Narcotic Drugs“ in ihrem Sinne zu reformieren. Nach Südamerika ist der Funke bereits übergesprungen: Uruguay hat und andere Andenstaaten wollen den Hanf re-legalisieren. Fehlt nur noch der Schulterschluss Amerikas mit Nordkorea, wo die Bevölkerung seit jeher mit Gras zwangsernährt wird.

 

Auch aus Deutschland gibt es Rauchzeichen, die nicht mehr zu übersehen sind. Einen Coup der besonderen Art landete Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband, der die Gunst der Stunde nutzte und im Unterschichtenfernsehen bei einer Gewinnshow kräftig absahnte. Zum Ärger des Fernsehsenders, dem das TV-Format gründlich missglückte. Die erhoffte Einschaltquote blieb aus, und so gelang es der Gemeinde, über die sozialen Netzwerke in einer bisher nie dagewesenen konzertierten Aktion den DHV aufs Siegertreppchen zu heben. Die unverhoffte Geldspritze nutzen Wurth & Co. aber nicht, um sich nach Jamaika abzusetzen. Vielmehr präsentierte der DHV im November ein paar von dem Geldgewinn finanzierte Werbespots. Gut so, zumal die Big-Budget-Propagandastreifen ihre Wirkung nicht verfehlen und die ganze Erbärmlichkeit der Prohibitionshetze schonungslos karikieren und offenbaren. Entsprechend groß war die Genugtuung, als die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Marlene Mortler vor der versammelten Presse heulte, dass der DHV mit den Gruselfilmen auf „schäbige Art und Weise mit den Ängsten der Menschen spiele“. Mit diesem Statement bettelt unsere fränkische Hopfengiftbäuerin förmlich darum, nicht für voll genommen zu werden. Die Ärmste läuft wirklich Gefahr, ein Fall für die Forensische Psychiatrie zu werden. Das geht im Freistaat Bayern bekanntlich ruckizucki, wenn sich paranoide Wahnvorstellungen zeigen.

 

Ein anderes Highlight war die 18. Hanfparade, die im Sommer satte 6.500 Hanffreunde vom Sofa holte. Nach eher mageren Jahren der Demonstrationskultur für die Re-Legalisierung des Hanfes zeichnet sich nun eine Trendwende ab, die fette Zeiten verspricht. Mögen daher am Samstag, den 8. August noch mehr Brüder und Schwestern im Herzen Berlins die Straßen verstopfen und für Rhythmusstörungen im bundesdeutschen Politbetrieb sorgen. Zeigen wir der Welt, dass die Deutschen nicht nur saufen und raufen, sondern auch ganz friedlich und menschlich miteinander laufen und rauchen können!

 

2014 war aber auch ein Jahr der Jubiläen und Gedenktage. Je nach Herkunft, Gesinnung und Bildungsgrad war für jeden etwas dabei. Pazifisten und andere vaterlandslose Gesellen gedachten ganz still und leise dem 100. Jahrestages des Ausbruchs des 1. Weltkrieges, während der Teil der Bevölkerung, der bis 25 rückwärts zählen kann, sich jener Wahnsinnsnacht 1989 erinnerte, als die (bundeswehr)freie Stadt Westberlin und das Arbeiter- und Bauernparadies in der Kloake der deutschen Geschichte versanken.

 

Wieder andere legten auf dem Waldfriedhof Berlin-Zehlendorf ein Hanfblatt ab, und zwar auf dem Feld UII Grab 112. Dort ruht Deutschlands Ur-Vater aller Haschischraucher – sein Name: Wolfgang Neuss. Am 5. Mai vor 25 Jahren verstummte das Nebelhorn von der Spree, der wie kein anderer die bereits durch die Mauer entzweiten Deutschen entzweite und an der Nase herumführte. Da sich Berlin bis heute außerstande sieht, dem größten Kabarettisten aller Zeiten ein Denkmal zu stiften, hat das Hanf Museum die Aufgabe übernommen, unserem Bruder Werwolfgang eine Dauerausstellung zu widmen. Das verdient ein großes Dankeschön an die Kuratoren und ehrenamtlichen Macher des kleinen, aber feinen Museums im Nikolaiviertel unweit des Alexanderplatzes.

 

Auch das Hanf Museum feierte dieses Jahr Jubiläum. Anfang Dezember kam sie auf den Tisch, die Geburtstagstorte, gespickt mit 20 Kerzen. Bei freiem Eintritt und lecker Buffet gab es sogar echte Promis zum Anfassen, darunter Neuss’ Töchterchen Jette, die ganz der Vater die Herzen erwärmt, und der Jubilar Wolfgang Nešković, der als Nestbeschmutzer des deutschen Richterstandes den Anstoß für den Cannabis-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1994 gab. Dass seitdem noch immer das UNO-Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel vom 13. Dezember 1964 gültig ist, sei nur am Rande erwähnt, da es ja auch so etwas wie ein Jubiläum war.

 

Das neue Jahr soll nur kommen und vorausschauend kann schon mal bilanziert werden, dass alles so bleibt, wie es ist. Der Anti-Hanf-Krieg wird uns weiter im Würgegriff halten, ohne jedoch den Widerstand zu brechen. Von Hanf wird mehr denn je die Rede sein – vor allem in Berlin-Kreuzberg, wo Vadder Staat derzeit alle Truppen zusammenzieht und ganz schwere Geschütze auffährt. Die Chancen, dass der Görlitzer Park im Winter 2015/16 das Stalingrad der deutschen Anti-Hanf-Krieger wird, stehen also nicht schlecht.

 

 

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2 Kommentare
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Hannibal-Lektor
9 Jahre zuvor

Der Text ist unvollständig, die Pointe fehlt – siehe PDF-Ausgabe.

Susanne Winter
Admin
Antwort an  Hannibal-Lektor
9 Jahre zuvor

…danke für den Hinweis – jetzt ist der Rest auch online