von Dr. med. Franjo Grotenhermen
Ich möchte den Einsatz von Cannabinoid-Medikamenten bei schweren Schlafstörungen anhand zweier Beispiele aus meiner Praxis vorstellen. Bei dem einen Patienten handelt es sich um einen 60-jährigen Mann, nennen wir ihn Herrn Sommer, der im Sommer dieses Jahres mit meiner Unterstützung eine Ausnahmeerlaubnis zur Verwendung von Cannabisblüten aus der Apotheke durch die Bundesopiumstelle erhalten hat. Der andere ist ein 4-jähriger Junge, der seit einigen Wochen von mir mit sehr geringen THC-Dosen von 0,66 mg täglich behandelt wird. Beide Patienten leiden an weiteren schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
Die möglichen schlaffördernden Eigenschaften von Cannabis sind seit langer Zeit bekannt. Dr. Bernhard Fronmüller, Arzt am Krankenhaus in Fürth und königlich bayerischer Bezirksarzt, berichtete 1869 in seiner viel beachteten Arbeit “Klinische Studien über die schlafmachende Wirkung der narkotischen Arzneimittel” über seine Erfahrungen bei genau eintausend Patienten, die aus unterschiedlichen Ursachen an schweren Schlafstörungen litten und von ihm mit verschiedenen Medikamenten behandelt worden waren. Danach war Cannabis in 53 Prozent der Fälle gut wirksam, in 21,5 Prozent teilweise und in 25,5 Prozent nicht oder nur gering wirksam.
Herr Sommer stellte sich im Frühjahr in meiner Praxis vor. Sein gesundheitliches Hauptproblem waren die chronischen Schlafstörungen, die wegen eines gleichzeitig bestehenden Schlafapnoe-Syndroms, also Atemaussetzern während der Nacht, nicht mit den üblichen Schlafmitteln behandelt werden können, da sich sonst die Schlafapnoe verstärkt. Die Schlafapnoe selbst wird gut mit einer speziellen nachts getragenen Atemmaske behandelt. Unbehandelt setzt seine Atmung in der Nacht bis zu zwei Minuten aus. Ohne die Verwendung von Cannabisprodukten schlief er maximal 3,5 Stunden, bei der Verwendung von Cannabis bis zu 7 Stunden. In einem Schlaflabor wurde sein Schlaf ohne Cannabis und später unter dem Einfluss von Cannabis gemessen. Die Schlafeffizienz verbesserte sich durch die Einnahme von Cannabis von 48,5 auf 66,4 Prozent, die Gesamtschlafzeit von 3 Stunden und 20 Minuten auf 5 Stunden und 27 Minuten. Der Wachanteil reduzierte sich von etwa 3,5 Stunden auf etwa eine halbe Stunde. Auch die übrigen Messwerte zur Schlafqualität wurden durch die Verwendung von Cannabis verbessert. Durch den erholsameren Schlaf verbessern sich einige bei ihm mit dem Schlaf assoziierte Störungen, darunter Tinnitus, Schwindelgefühl, Müdigkeit und Erschöpfung während des Tages sowie Konzentrationsstörungen.
Nach Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle für die Verwendung von Cannabisblüten hatte er jüngst einen erneuten Aufenthalt in Schlaflabor. Dazu schrieb er in einer E-Mail: “Letzte Woche hatte ich mal wieder eine ausgiebige Schlafmessung und, Dr. XY ist sehr zufrieden. Mein Eindruck hat sich bestätigt, mein Schlaf ist nun fast! normal. Bedingt durch Kabel, Schläuche und Pflaster im Gesicht und die dadurch bedingten Störungen (Juckreiz, etc.) hab ich zwar etwas kürzer geschlafen, aber der Schlaf an sich war o.k. Seit 5 Jahren das erste Mal Schlafstadium 4 und Tiefschlaf.”
Der 4-jährige Ludwig hatte ein anderes Problem. Durch seine Blindheit hat er einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Er ist nachts sehr aktiv, was auch für die Eltern sehr belastend ist. Morgens, wenn es in den Kindergarten gehen soll, ist er dann häufig müde, dann aber auch wieder hyperaktiv. Er steigt auch beim Mittagsschlaf aus dem Bett. Die Ärzte hatten bereits vorgeschlagen, dass er zur Nacht ein Neuroleptikum erhält, die Eltern hatten jedoch Bedenken, ihm ein solch starkes Mittel zu verabreichen, und wollten vorher Cannabinoide versuchen. Bei der Vorstellung in meiner Praxis haben wir besprochen, dass THC bei etwa 50 Prozent der Patienten eine sedierende Wirkung hat und auch bei ADHS (Hyperaktivität) sehr wirksam sein kann. Zudem haben wir besprochen, dass CBD in einer klinischen Studie in niedrigen Dosen wach machende Eigenschaften aufwies, während es in klinischen Studien, in denen höhere Dosen gegeben wurden, zum Teil sedierende Wirkungen hatte. Schließlich habe ich eine 1-prozentige Dronabinol-Lösung (THC) auf einem Betäubungsmittelrezept verschrieben, damit mit ganz kleinen Dosen ausprobiert werden konnte, wie der kleine Patient auf das Medikament anspricht. Ein Tropfen der Lösung enthält 0,33 mg THC.
Einige Zeit später erhielt ich eine E-Mail, in der es hieß: “Wir haben die Tropfen nach den Sommerferien ausprobiert, und mit der Dosierung von einem Tropfen auf einen Zuckerwürfel angefangen und waren bei der geringen Menge schon positiv überrascht, aber nach drei Wochen haben wir laut Ihrer Empfehlung die Dosierung erhöht (2 Tropfen). Der Kleine bekommt abends 2 Tropfen um 18 Uhr, dann ist bis etwa 19 Uhr alles normal! Dann legt er voll los, ist aufgedreht und wir machen wirklich allen Scheiß von Purzelbäumen bis sonst was, aber wirklich nach 45 Minuten, also kurz vor 20 Uhr, müssen wir uns beeilen, ihn ins Bett zu bringen. Er schläft dann innerhalb von 10 Minuten ein. Und jetzt Achtung: er schläft die Nacht durch und manchmal muss XY ihn morgens um 7 Uhr wecken, er schläft fast immer durch und ist dadurch auch im Kindergarten viel besser drauf, wir wurden schon gefragt was wir mit unserem Sonnenschein gemacht haben. In den Ferien geben wir ihm keine Tropfen, da Sie gesagt haben, dass wir sie immer mal absetzen sollen, und auch das klappt super.”
Toll, dass jetzt auch damit angefangen wird kinder zubehandeln!
In den USA wurden damit ja schon sehr gute Erfahrungen gemacht.+Mich würde interessieren, warum dazu geraten wurde, die Behandlung zeitweise zb in den Ferien auszusetzen.
Würde mich über eine Antwort freuen.
Gruss anna
Ich denke dieses tun sie damit eine Chronische abhängigkeit vermieden wird und damit man dann auch in den nicht Medikamentösen Ferien auch beobachtet werden kann ob es wohlmöglich schon komplett ohne die Tropfen geht und sich vielleicht ein “normaler” Schlafrhythmus eingestellt hat.
LG
Auch ich bestätige die positive Wirkung auf den Schlaf,die Gesamte Schlafqualität erhöhte sich trotz anderer Erkrankung auf nahezu normales niveau.leider zu selten be achtet.Danke hajo.besonderen dank dr grotenhermen für seine objektive sichtweise.Der mensch im vordwrgrund
Also der patient im vordergrund.
Etwas missverständlich ausgedruckt.sorry
Bin selber auch davon überzeugt das cannabis sehr viel hilft,nicht nur als schlafmedizin sondern noch für viele andere Krankheiten
Es ist Zeit auch dies in Österreich zu legalisieren