Mittwoch, 14. August 2013

Magenschutz durch THC oder: Wie Cannabis Leben rettet

Dr. med. Franjo Grotenhermen Mitarbeiter des nova Institutes in Hürth bei Köln und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM)

Autor: Dr.Franjo Grotenhermen

Dr. med. Franjo Grotenhermen Mitarbeiter des nova Institutes, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (ACM)
Dr. med. Franjo Grotenhermen, Foto: Archiv

THC schützt vor Schäden am Magen, die durch die Einnahme bestimmter Medikamente verursacht werden. Besonders häufig sind Schäden durch bestimmte entzündungshemmende Substanzen, wie beispielsweise Diclofenac, Ibuprofen, Acetylsalicylsäure (Aspirin) und Indometacin. Diese Substanzen, so genannte nichtsteroidale Entzündungshemmer, werden häufig zur Schmerzlinderung verschrieben. Sie sind die häufigste Ursache für Magenschädigungen. Etwa zwei Drittel aller Patienten, die regelmäßig solche Medikamente einnehmen, entwickeln Magenprobleme. Nun hat eine Studie an Mäusen gezeigt, was viele Cannabiskonsumenten bereits wissen: THC schützt den Magen vor der Schädigung durch solche NSAIDs (nichtsteroidale Entzündungshemmer).

Diese Medikamente können schwere Schäden verursachen, darunter Magenblutungen, Sodbrennen, Schäden an der Magenschleimhaut und Magengeschwüre. Man vermutet, dass NSAID bestimmte magenschützende Substanzen, die Prostaglandine, im Magendarmtrakt hemmen. Die Prostaglandine schützen nicht nur die Magenschleimhaut, sondern regulieren auch die Magensäureproduktion. Zudem verhindern NSAIDs wie Diclofenac die Erholung der Magenschleimhaut von einer Schädigung. Im Allgemeinen werden daher häufig zusammen mit diesen Entzündungshemmern Substanzen verabreicht, die die Magensäureproduktion reduzieren, um den Schaden möglichst gering zu halten. Allerdings haben diese Medikamente auch unerwünschten Nebenwirkungen, wie ein erhöhtes Risiko für Krebs, Knochenbrüche und bakterielle Infektionen.

Bereits in den siebziger Jahren hatten Wissenschaftler festgestellt, dass THC vor der Entwicklung von Magengeschwüren schützen kann. Allerdings waren in diesen Studien mit Ratten aus dem Jahr 1978 sehr hohe Dosen THC verwendet worden.
In der aktuellen Studie von Wissenschaftlern des Psychologischen Instituts der Universität von West Virginia in den USA war konkret untersucht worden, ob THC Schutz vor den negativen Wirkungen von Diclofenac auf die Magenschleimhaut bietet und welche Dosierungen dazu benötigt werden. Es zeigte sich, dass THC die Magenschleimhaut bereits in Dosen schützt, die noch nicht zu den typischen Cannabiswirkungen führen.

Dazu erhielten die Tiere nach einer Fastenzeit von 23 Stunden verschiedene THC-Dosen, entweder oral oder gespritzt, und eine Stunde später hohe Diclofenac-Dosen, die normalerweise ausreichen, um Magenblutungen zu verursachen. THC hemmte dosisabhängig die Entwicklung dieser Blutungen und zwar bereits ab einer oralen Dosis, bei der bei den Tieren noch keine Symptome auftreten, die psychischen Wirkungen beim Menschen entsprechen. Der Magenschutz tritt also bereits bei Dosen auf, die in einem realistischen therapeutischen Bereich liegen.

In den USA (Einwohnerzahl: 315 Millionen) werden jährlich etwa 107.000 Personen aufgrund von Komplikationen, die durch die regelmäßige Einnahme von Diclofenac, Ibuprofen und anderen NSAIDs entstanden sind, in Krankenhäuser eingeliefert. Dies entspricht etwa 27.000 Personen in Deutschland (Einwohnerzahl: 80 Millionen), wenn man davon ausgeht, dass in Deutschland der Verbrauch von solchen Entzündungshemmern so groß ist wie in den USA. Patienten mit Arthritis oder Rheuma haben ein 5-mal so hohes Risiko als die Allgemeinbevölkerung, aufgrund von Magenschäden durch NSAIDs in Krankenhäuser aufgenommen zu werden. Etwa 15 Prozent der Patienten, die wegen solcher Komplikationen im Krankenhaus behandelt werden, sterben an dieser Komplikation. Dies sind in Deutschland jährlich etwa 4000 Personen. Daher ist es wichtig, dass bei der Vorbeugung solcher Nebenwirkungen Fortschritte gemacht werden.
Zudem ist bekannt, dass die Verwendung von THC häufig die Einnahme von NSAIDs bei der Linderung von Schmerzen und der Hemmung von Entzündungen ersetzen kann – ohne diese tödlichen Nebenwirkungen. Die medizinische Verwendung von Cannabisprodukten könnte auch in diesem Fall, wie bei anderen Krankheiten, viele Leben retten.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass die Bundesopiumstelle bei der Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis für die Verwendung von Cannabisblüten bei Schmerzpatienten aufgrund der bestehenden Gesetzeslage verlangt, dass andere Medikamente entweder unwirksam sind oder nicht vertragen werden. Diese Patienten sind daher gezwungen, zunächst ihren Magen mit nichtsteroidalen Entzündungshemmern zu ruinieren oder opiatabhängig zu werden, oder beides. Erst wenn Ibuprofen, Diclofenac und Co. und Opiate starke Nebenwirkungen verursachen oder nicht ausreichend wirken, kann eine Ausnahmeerlaubnis erteilt werden.

Dies unterstreicht die Absurdität der Gefahreneinteilung der verschiedenen Schmerzmittelklassen, die uns in Deutschland zur Verfügung stehen. Cannabis gilt als die gefährlichste Substanz und kann daher erst in Fällen mit einer Ausnahmeerlaubnis in der Apotheke erworben werden, wenn die angeblich weniger gefährlichen NSAID und Opiate nicht oder nicht mehr in Frage kommen. Es sei denn, man hat das nötige Kleingeld, um Dronabinol (THC) oder den Cannabisextrakt Sativex in der Apotheke zu kaufen.

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