Dienstag, 2. Juli 2013

Breites Bündnis für Reform der Drogenpolitik

Autor: Harald Terpe

Harald Terpe – www.gruene-bundestag.de

Harald Terpe
In der Zeit der Wende in der DDR wurde Terpe 1989 Mitglied des Neuen Forums. Seit 2006 ist Terpe Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Terpe war 2002 Kandidat der Wählergemeinschaft Bündnis 90 für die erste Direktwahl des Oberbürgermeisters von Rostock und erreichte mit 19,2 Prozent den dritten Platz. Bei der Kommunalwahl 2004 zog er auf der Liste der Wählergemeinschaft Bündnis 90, die 10,6 Prozent erreichte, in die Bürgerschaft Rostocks ein. Seit 2005 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages und hier seitdem Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen für Drogen- und Suchtpolitik sowie Obmann der Grünen im Ausschuss für Gesundheit. Ferner ist er stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Harald Terpe ist über die Landesliste Mecklenburg-Vorpommern in den Bundestag eingezogen.
www.harald-terpe.de

Das Motto der diesjährigen Hanfparade lautet „Meine Wahl – Hanf legal“. Kein Wunder, denn im Herbst ist Bundestagswahl. Leider wird die Drogenpolitik auch in diesem Jahr nicht wahlentscheidend sein. Das ist schade, denn in wohl kaum einem anderen Politikfeld liegen die Alternativen so klar auf der Hand. Auf der einen Seite stehen insbesondere Union und FDP, die keine Anstalten machen, die repressive Drogenpolitik zu beenden oder zumindest auf den Prüfstand zu stellen. Auf der anderen Seite stehen insbesondere Grüne und Linke, die seit Jahren im Bundestag für eine grundlegende Reform der Drogenpolitik streiten.
Drogenpolitik war in den vergangenen vier Jahren mehrfach Thema im Bundestag. Dabei haben Union, FDP und leider auch die SPD ihre immer gleichen Argumente vorgetragen, die aus ihrer Sicht gegen eine Legalisierung von Cannabis sprechen. In ihrem Schlepptau treten die immer gleichen „Experten“ auf, die mit oftmals unwissenschaftlichen Methoden und Halbwahrheiten ihre prohibitionistische Weltsicht zu untermauern suchen. Dabei sind die Fakten eindeutig: Der Krieg gegen die Drogen und die Kriminalisierung von Konsumentinnen und Konsumenten hat nichts bewegt. Weder die Nachfrage nach noch das Angebot von Drogen konnte reduziert werden. Stattdessen werden die negativen Folgen dieser falschen Politik immer offensichtlicher. Dieser Krieg hat allein in Mexiko inzwischen mehr als 70.000 Menschenleben gekostet, es kommt weltweit zu schlimmen Menschenrechtsverletzungen, zur Destabilisierung von Staaten und ganzen Regionen.

Auch in Deutschland sind die Folgen spürbar. Gegen mehr als 180.000 Menschen werden hierzulande Jahr für Jahr Strafverfahren eröffnet, weil sie illegale Drogen gebrauchen. Neben den betäubungsmittelrechtlichen Verfahren drohen auch MPUs und Führerscheinentzug. Selbst dann, wenn nicht unter Einfluss beispielsweise von Cannabis ein Fahrzeug bedient wurde. Selbst Menschen, die Cannabis aus medizinischen Gründen besitzen oder anbauen, werden verfolgt. Die Behauptung, in Deutschland seien die Konsumentinnen und Konsumenten weitgehend entkriminalisiert, ist also ein Märchen. Aber die Folgen der Repression reichen weiter. Fast zwei Drittel aller staatlichen Ausgaben mit Bezug zu illegalen Drogen gehen in die Repression. Für Prävention, Schadensminderung und notwendige Therapiemaßnahmen fehlt hingegen Geld.
Wir haben all das auch zusammen mit den Linken in den vergangenen vier Jahren immer wieder thematisiert. Wir haben zum Beispiel als Grüne Ethan Nadelmann in den Gesundheitsausschuss des Bundestages eingeladen. Nadelmann ist einer der profiliertesten Kritiker der derzeitigen Drogenprohibition und unter anderem Berater der Global Commission on Drug Policy. Er hat im Ausschuss sehr pointiert dargelegt, warum die derzeitige Drogenpolitik mehr schadet als nutzt und skizziert, wie eine Reform aussehen könnte. Er hat vor allem aber eine internationale Perspektive eingebracht, die deutlich macht, dass sich in etlichen Ländern etwas bewegt: u.a. in Portugal, in einigen Bundesstaaten der USA, in der Schweiz und in den Niederlanden.
Zuletzt hat sich die Organisation Amerikanischer Staaten für eine Wende in der Drogenpolitik ausgesprochen. Ich begrüße das sehr, weil der Druck gerade aus diesen Ländern sehr wichtig ist. Ich habe außerdem große Hoffnungen in die erstarkende Legalisierungsbewegung in den USA. Es wäre ein Riesenerfolg, wenn das Ende des Drogenkriegs im Mutterland der Prohibition seinen Anfang nimmt.
Aber bis es zu einer grundlegenden Reform der Drogenpolitik auch in Deutschland kommt, ist noch ein weiter Weg zu gehen. Die rot-grüne Regierungszeit zwischen 1998 und 2005 hat gezeigt, was möglich ist. Sie hat aber auch offenbart, dass gerade auch in Deutschland noch dicke Bretter zu bohren sind. Man darf sich da keinen Illusionen hingeben. Die sozialdemokratische Partei hat sich auf Bundes- und Länderebene als ein entscheidendes Hindernis für eine Reform der Drogenpolitik herausgestellt. Dies gilt gleichermaßen für die Bundes- wie die Landesebene. Hier habe ich die Hoffnung, dass die Jusos stärker für eine andere Drogenpolitik ihrer Partei werben.

Die Union ist noch nie mit irgendwelchen drogenpolitischen Innovationen in Erscheinung getreten. Sie hat bislang konsequent alles abgelehnt, was eine liberalere Drogenpolitik befördern würde. Keine Partei verkörpert die Doppelmoral in der Drogenpolitik so stark wie sie. Viele ihrer Vertreter zelebrieren öffentlich ein durchaus entspanntes Verhältnis zum hochfrequenten Alkoholkonsum, eine Legalisierung der viel weniger gefährlichen Substanz Cannabis lehnen sie aber ab.
Die FDP erlebe ich im Bundestag mitunter noch prohibitiver und verbissener als die Union. Das verwundert bei einer Partei, die sich selbst als liberal bezeichnet. Liberal ist diese Partei indes eher, wenn es um die kommerziellen Interessen der Industrie geht. Wirksame Regulierungen bei Alkohol, Tabak und Glücksspiel lehnt diese Partei ab. Das von ihr geführte Gesundheitsministerium hat jahrelang den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken vor Gericht behindert. Es hat dafür gesorgt, dass Patienten jede Erleichterung vor Gericht einklagen müssen. Dieses Ministerium verhindert überdies sogar den Anbau von Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken. Summa summarum: Die FDP ist ein entscheidendes Hindernis für eine liberale Drogenpolitik.
In den kommenden vier Jahren wird es darum gehen, alle parlamentarischen Möglichkeiten für eine Entkriminalisierung auszuschöpfen, mehr Evidenz in die Drogenpolitik zu bringen und auf dieser Grundlage eine Reform anzuschieben. Diese Auseinandersetzung kann aber nicht alleine im Parlament gewonnen werden.
Es reicht auch nicht, wenn alle 12 Monate eine Hanfparade durch Berlin marschiert oder die Abgeordneten mit Mails bombardiert werden. Wir brauchen ein breites Bündnis von Medizinern, Menschenrechtsaktivisten, Wissenschaftlern, Juristen und Konsumenten für eine Reform der Drogenpolitik.

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