Mittwoch, 28. November 2012

GEHT GAR NICH‘

Berlin ohne YAAM?

Berlin ist eine Stadt der Veränderungen, keine Frage. Seit dem Fall der Mauer hat die Stadt unzählige Künstler, Musiker, Freidenker und Visionäre, sowie zahlreiche Geschäftsleute und Investoren angezogen. Wie in keiner anderen europäischen Hauptstadt wurde hier gebaut und es sind neue Projekte, Einrichtungen und Unternehmen entstanden. Die Stadt profitiert von diesem Wandel, nicht zuletzt, weil sie dadurch für Touristen wie auch für weitere Investoren und Geschäftsleute attraktiver geworden ist. Doch nicht alle dieser Veränderungen gehen in die richtige Richtung. Geld und Geschäftemacherei stehen im Vordergrund. Die Verlierer dieser Entwicklung sind meist die, deren ‘Wert’ sich nicht in Zahlen auf einem Kontoauszug darstellen lässt.

So zum Beispiel das YAAM. Der 1994 gegründete Kultur- und Jugendverein wurde zuerst auf einem freien Gelände in Berlin Tempelhof errichtet, wo sich heute die ARENA, einer von Berlins größten Veranstaltungsorten, befindet. Das YAAM entwickelte sich schnell zu einem beliebten Begegnungsort für Menschen unterschiedlichen Alters, aus verschiedensten Ländern und Kulturen. Es wurde zu einer Plattform für Kunst und Kultur, die für die gesamte Reggae- und Dancehall-Szene in Deutschland eine wichtige Rolle spielte. Hier haben sich die Künstler von SEEED oder Culcha Candela zusammengefunden und spielten Konzerte lange bevor sie vom Mainstream wahrgenommen wurden.

Nicht zum ersten Mal
Bereits nach zwei Jahren muss das YAAM weichen und auf ein anderes Gelände in Berlin-Kreuzberg ausweichen. Das Areal wird dem Verein zur Zwischennutzung überlassen. Hier werden neben Konzerten, Ausstellungen und Kunst- und Theaterworkshops veranstaltet, doch auch dieser Standort ist nur vorübergehend. Bereits 1998 muss das YAAM das Gelände (das heute noch brach liegt) räumen.
Schließlich findet der Verein auf dem heutigen Areal in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs eine neue Bleibe. In unzähligen Arbeitsstunden wurde das Gelände Jahr für Jahr ausgebaut, um das Angebot des YAAMs stetig zu erweitern.

Es entstand eine kleine bunte Insel inmitten des hektischen Großstadtrummels, die für viele Berliner, wie auch für unzählige Touristen zu einem Ort der Erholung wurde. Tagsüber zieht das abwechslungsreiche Freizeitangebot Kinder, Jugendliche und Familien ins YAAM, die gerade in den Sommermonaten hier ihre Nachmittage verbringen. Nachts öffnet der Club mehrmals die Woche seine Türen. Neben normalen Partys finden auch zahlreiche Konzerte in der Clubhalle statt mit international renommierten Künstlern wie Yellowman, Jahcoustix, Frank Dellé (SEEED), Mr. Vegas, Jah Cure, Luciano, Tanya Stephens und vielen weiteren.
Von Anfang an spielt auch Sport im YAAM eine zentrale Rolle und das Sportangebot wurde im Laufe der Jahre immer wieder erweitert. Auf dem heutigen Gelände befinden sich ein Basketball Court (der letzten Winter in eine Eisbahn umgewandelt wurde) sowie ein Fußball- und ein Volleyballfeld. Des Weiteren kann man Tischtennis und Federball spielen und es werden verschiedenen Tanzkurse angeboten.


“YAAM must survive!” – Foto : YAAM e.V.

Ganz ohne staatliche Hilfe
Der Verein stand seit Beginn an auf eigenen Beinen und erhielt keinerlei Unterstützung vom Berliner Senat. Nichtsdestotrotz nennen lokale Politiker häufig das YAAM als Beispiel, wenn es darum geht sich mit dem Vorzeigeprojekt zu schmücken. Berlin wirbt mit seinem vielseitigen kulturellen Angebot, doch bleibt die Frage wie lange noch und was von dieser Vielfalt übrig bleibt, wenn der Senat tatenlos zusieht, wie nach und nach Sozial- und Kulturprojekte aus der Metropole verschwinden.

Neben den fest Angestellten sowie studentischen Hilfskräften und anderen Mitarbeitern, haben in den letzten Jahren einige Menschen aus der afro-karibischen Community kleine Stände errichtet, in denen sie afrikanisches und karibisches Essen, Kunsthandwerk und Kleidung verkaufen und sich dadurch ihr Auskommen sichern. Auch diese insgesamt rund 50 Arbeitsplätze würden bei einer Schließung verloren gehen.

Nun soll das Projekt, das deutschlandweit seinesgleichen sucht, zum dritten Mal von seinem Standort vertrieben werden. Am 10.10.2012 erhielt das YAAM von der Urnova die Kündigung. Das spanische Immobilienunternehmen hat den Verein dazu aufgefordert, das Gelände innerhalb von 60 Tagen zu räumen. Die Frist läuft am 09.12.2012 ab. Viel Zeit zum Protest bleibt also nicht. Wohl bemerkt gibt es bis jetzt noch keinen festen Käufer für das Areal und damit auch keine endgültigen Baupläne.

Durch verschiedene Aktionen wird seitdem versucht, den Rauswurf zumindest noch solange hinauszuzögern, bis ein Termin für den tatsächlichen Baubeginn feststeht. Es wurden Postkarten gedruckt, auf denen der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit dazu aufgefordert wird, sich für die Rettung des Projekts einzusetzen. Am 13.11. wurden rund 1500 dieser Karten unterschrieben im Berliner Rathaus von Kindern, die regelmäßig das YAAM besuchen, an den Senat übergeben. Außerdem wurde auf openpetition.de eine Petition zur Erhaltung des YAAM aufgesetzt, an der sich bis jetzt über 14.000 Menschen beteiligt haben.

Ersatzgrundstück als Alternative?
Unterstützung erhofft man sich auch von der Berliner Politik. Der Sprecher der Piraten für Bauen, Wohnen und Verkehr, Oliver Höffinghof, hat dem Hanf Journal gegenüber geäußert, dass das YAAM definitiv „erhaltenswert“ sei und die Partei sich für den Verein einsetzten werden. Man werde den Prozess anregen, der Urnova ein Ersatzgrundstück anzubieten, damit das YAAM auch langfristig an seinem jetzigen Standort bleiben kann. Auch Bündnis ’90/Die Grünen haben zusammen mit DIE LINKE in einer Resolution Ende Oktober den Senat dazu aufgefordert, sich mit der Urnova in Verbindung zu setzen, um eine Verschiebung des Räumungstermins zu erwirken und einen Grundstückstausch anzuregen oder das Grundstück von der Urnova zu erwerben.

Im Falle eines Umzugs solle der Senat das YAAM finanziell unterstützen und die Bereitstellung eines Ausweichgrundstücks gewährleisten. Vom der Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten hat das Hanf Journal auf eine Presseanfrage bisher keine Stellungnahme erhalten. Auch liegen bis dato keine konkreten Zusagen und Ergebnisse vor. Es bleibt also abzuwarten inwieweit sich die Berliner Politik sich für das YAAM aktiv einsetzen wird.
Für den 02.12. hatte das YAAM eine Demo in Berlin geplant. Ob diese etwas bewirkt hat und der Kulturverein am Ostbahnhof bleiben kann, wird sich in den nächsten Wochen zeigen.
Sollten die Urnova nicht mit sich reden lassen und umfassende Hilfe von der Politik ausbleiben, könnte dies das Aus des einzigartigen Kulturprojekts bedeuten. Das YAAM ist derzeit nicht in der Lage, die Umzugskosten, die sich laut Schätzungen auf rund 190.000 Euro belaufen würden, allein zu tragen, zumal noch nicht einmal klar ist, wo der Verein eine neue Bleibe finden kann. Das Gelände auf dem sich das YAAM derzeit befindet hat inzwischen einen Wert von 26 Millionen Euro, eine Summe, die der soziale Verein niemals erwirtschaften können wird. Die Berliner Regierung sollte sich jedoch gut überlegen, ob sie den Ausverkauf der Stadt weiter vorantreiben will oder ob Institutionen wie das YAAM zum Wohle der Bewohner und dem einmaligen Ruf, den Berlin besitzt, besser erhalten bleiben sollten.

www.yaam.de

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen