Donnerstag, 30. August 2012

Ganja und die jamaikanische Kultur

Eine verbotene Beziehung

Seitdem die Marihuanapflanze vor langer Zeit aus Indien eingeführt wurde, verbreitete sie sich wild über die gesamte Insel und wurde vieler Orts geraucht oder als Tee getrunken. Bis in die Siebzigerjahre war der Anbau aber eher ein kleiner Nebenverdienst der Bauern. Erst als damit begonnen wurde Marihuana im großen Stil in die USA zu schmuggeln, entstand daraus ein lukratives Geschäft.

Dass ein Großteil des in den USA erhältlichen Weeds aus Jamaika stammte, blieb den US-amerikanischen Behörden nicht lange verborgen. In Zusammenarbeit mit der jamaikanischen Regierung nahmen sie den „Krieg gegen Drogen“ auf, im Zuge dessen zwei Drittel der Marihuanafelder auf Jamaika verbrannt und zerstört wurden. Trotz dieser Bemühungen ist Gras auch heute noch fast überall leicht erhältlich, wird von vielen geraucht und ist fester Bestandteil der jamaikanischen Musikkultur.
Auf den im Freien stattfindenden Partys sieht man jedes Mal einige Rastas mit einem Büschel Gras durch die Menge laufen, die für die Versorgung der Anwesenden sorgen. Nichtsdestotrotz ist Marihuana auf Jamaika illegal. Zwar wird der Konsum in vielen Fällen von der Polizei „übersehen“, doch es kommt auch immer wieder zu Festnahmen, von denen auch Musiker, nicht nur auf Jamaika sondern auch international, betroffen sind.

Zuletzt sorge der Fall von Denroy Morgan für Aufsehen. Der Oldschool Reggae Sänger und Vater der viel gefeierten Gruppe Morgan Heritage hat viel für die Karriere seiner Kinder geopfert. Mehreren Medienberichten zufolge wurde Morgan im September vergangenen Jahres dabei beobachtet, wie er ein Haus in der Bronx (New York) mit einem Bündel gepresstem Marihuana verließ. Die Polizei folgte seinem Wagen und hielt ihn an, nachdem Morgan an einem Stoppschild nicht ordnungsgemäß gehalten hatte. Wegen des starken Grasgeruchs durchsuchte die Polizei das Auto und fand über 25 Pfund Marihuana. Bei der darauffolgenden Hausdurchsuchung stellten die Beamten 310 Pfund Marihuana im Wert von 140,000 bis 351,000 Dollar sicher. Morgen wurde daraufhin festgenommen. Einige Tage später kam er auf Kaution wieder frei. Sein ältester Sohn Roy „Gramps“ Morgen behaupte, dass sich die Ereignisse anders zugetragen hätten, als in den Medien beschrieben. Eine genauere Erklärung wollte er aber auf Grund des ausstehenden Gerichtstermins nicht abgeben.

Denroy Morgan wurde auf Jamaika geboren und wanderte in den späten 60ern nach New York aus. Er feierte musikalische Erfolge mit den „Black Eagles“, die damals als Brooklyns Reggaeband #1 galten. Seine zahlreichen Kinder erzog er im Rastafariglauben und begann früh damit ihr musikalisches Talent zu fördern. Acht seiner Kinder formten die Gruppe Morgan Heritage, die nach ihrem ersten großen Auftritt auf dem Sunsplash auf Jamaika sofort einen Vertrag von MCA Records angeboten bekamen und deren Karriere seitdem steil nach oben ging.
Morgan ist nur einer von vielen Reggae Artists (von denen viele Ganja rauchen und als Teil ihrer Religion ansehen), der wegen Marihuana mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Immer wieder werden Künstler wegen des Besitzes zum Teil kleinster Mengen von Ganja festgenommen. Dies führt dazu, dass sie nur noch unter erschwerten Bedingungen Visa für Auslandsauftritte erhalten, was sich negativ auf ihre gesamte Karriere auswirkt.

Der Kampf gegen Ganja auf Jamaika ist ein Kampf gegen Windmühlen, das ist auch Polizeibeamten klar. Trotzdem sehen sich die Beamten dazu verpflichtet gegen den Konsum und den Verkauf von Marihuana vorzugehen. Darüber, wie viele Polizisten selbst davon Gebrauch machen, kann nur spekuliert werden, nicht zuletzt, weil keine Drogentests mit Polizeianwärtern durchgeführt werden. Oft wird von Festnahmen abgesehen, wenn die Höhe des Bestechungsgeldes stimmt. Dies mag für die Betroffenen von Vorteil sein, doch fragt man sich, ob diese Schikanen wirklich sein müssen. Menschen, die wegen der Ausübung ihrer Religion festgenommen werden und hektarweise verbrannte Erde, die für die Bauern die Sicherung ihrer Existenz bedeuten, all dies scheint schwer zu rechtfertigen. Den Bauern könnte man vorhalten, dass sie auch Gemüse hätten anbauen können, was viele früher tatsächlich auch getan haben.

Doch seit der jamaikanische Markt mit subventionierten Lebensmitteln aus den USA überschwemmt wird, deren Preise die einheimischen Bauern nicht unterbieten können, ist der Anbau von Marihuana für viele die einzige Möglichkeit ihre Familie zu ernähren. Die Bauern und kleinen Dealer auf Jamaika leben am Existenzminimum und müssen ständig vor der Polizei auf der Hut sein. Sie müssen fürchten für ein Verbrechen belangt zu werden, bei dem die einzigen Opfer die Täter selbst zu sein scheinen. Denn sie schaden niemandem und trage gleichzeitig das größte Risiko.

Zwar gab es auf Regierungsebene schon einige Erwägungen und Diskussionen, Marihuana auf Grund seiner kulturellen Bedeutung zumindest in geringen Mengen zu entkriminalisieren, doch konkrete Beschlüsse blieben bislang aus und werden wohl auch noch eine ganze Weile auf sich warten lassen. Eine Tatsache, die von den USA durchaus begrüßt wird, da diese befürchten, dass ihr Land noch stärker mit Drogen aus der Karibik „überschwemmt“ werden würde. So wird das Katz- und-Maus-Spiel noch eine Weile weitergehen.

Ganja ist zu tief in der jamaikanischen Kultur verwurzelt, als dass man die Bevölkerung ernsthaft an dessen Gebrauch hindern könnte. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Regierung sich irgendwann dazu durchringen kann Gesetze zu erlassen, um das Leben der Menschen zu erleichtern.

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