Hanftag 2012 oder wie viel Angst hat die Berliner Polizei?
Ich war dieses Jahr zum ersten Mal bei einem Hanftag. Und dann gleich auch als Mitglied des Orgateams. So gegen 13 Uhr kamen wir an der Weltzeituhr an und begannen den Wagen zu schmücken. Sofort viel dabei die Polizei ins Auge, die mit massiven Kräften vor Ort war und den Alexanderplatz förmlich belagerte. Dass die Beamtinnen nicht nur zum „Zuschauen“ gekommen waren, erlebte ich leider am eigenen Leib. Kurz vor dem eigentlichen Start des Hanftags musste ich nämlich nochmal auf die Toilette. Als ich zurück kam, wurde ich von einem Polizisten angesprochen, der wissen wollte, ob ich auch zur Demo möchte. Obwohl ich sagte, dass ich eine der Organisatorinnen bin und weiter bei den Vorbereitungen helfen möchte, wollte der in meine Tasche schauen. Dummerweise erlaubte ich ihm das, ohne nachzufragen, warum er das eigentlich wollen sollte. Nach kurzem Wühlen forderte mich der Beamte auf, mein Portemonnaie heraus zu holen. Doch auch darin fand er wohl nichts Verdächtiges. Zu guter Letzt wollte er noch in die Seitentaschen schauen, aus denen ich dann einen Lippenpflegestift und meinen Gehörschutz hervorzauberte. Ein Kollege des Polizisten konnte sich da ein „Gut vorbereitet! Hehe…“ nicht verkneifen. Ich fand die ganze Kontrolle aber nicht zum Lachen. Immerhin hatten mich die Beamten gesehen, als ich den Platz verlassen hatte. Sie wussten also, dass ich zum Team gehöre und haben mich schlicht und einfach von der Arbeit abgehalten!
Allen verfassungswidrigen Vorkontrollen zum Trotz ging es um 14 Uhr mit dem Hanftag los. Steffen Geyer begann und kündigte die „Cannabiskultour“ durch Deutschland an. Eigentlich sollte dann Emanuel Kotzian, Herausgeber des Hanfjournals, sprechen, doch der war nicht da. Auch er wurde von der Polizei durchsucht, und zwar genau in der Zeit, wo er auf dem Ablaufplan für die Reden stand. Eine bewusste Provokation der Polizei!
Ich nutzte die unerwartete Pause, um mich nach einem Freund umzusehen, mit dem ich zusammen Richtung Toilette gegangen war. Doch der blieb zunächst verschwunden. Als ich ihn sah, standen mindestens fünf Polizisten um ihn herum, als sei er ein Schwerverbrecher. Er wurde nicht nur kontrolliert, sondern gleich mal mitgenommen, weil er als Dekorateur des Demowagens einen Zimmermannshammer dabei hatte. Der Hammer wurde beschlagnahmt. Den durfte er sich mit einem Bescheid später wieder auf der Wache abholen. Dafür hielten sie ihn gut 20 Minuten von der Veranstaltung fern. Der arme Kerl hat fast die Hälfte der Reden verpasst.
Wegen des absurden Verhaltens der Polizei war die Stimmung bei manchem Teilnehmern sichtlich gedrückt, als wir so gegen 15 Uhr los marschierten. Warum das martialische Auftreten? Warum die Kontrollschikanen? Immerhin trafen sich da friedliche Cannabisbefürworter! Auch auf der Demo sah unser Zug von außen sicher eher wie ein gewaltbereiter Mob aus. Mit Beginn der Demonstration kesselten uns die Männer und Frauen in Blau ein – vorne drei Busse, hinten fünf Busse und dazwischen ein Spalier in Uniform. Da frage ich mich echt wofür? Für maximal 250 Teilnehmer mindestens 50 Polizisten. Nur damit wir für die Öffentlichkeit möglichst gefährlich wirken. Es ist doch schon seit Jahren bekannt, dass Demos zum Thema Hanf immer friedlich verlaufen. Ich habe noch nie was von Handgreiflichkeiten gehört, schon gar nicht der Polizei gegenüber. Auch während des Umzugs kontrollierten die „Freunde und Helfer“ die Demoteilnehmer. Es reichte oft schon eine selbst gedrehte Zigarette, um aus der Demo rausgezogen zu werden. Von uns Organisatoren traf es zwar niemanden, aber ich bekam mit, wie dies einem jungen Mann passierte. Das war schon heftig! Leider hatten die anderen Demobesucher zu viel Angst, um den Betroffenen beizustehen. Dabei muss niemand Angst haben, wenn man nichts dabei hat, was gegen das Gesetz verstößt. Gegen die allgemeine Verunsicherung versuchten Susi und ich Stimmung zu machen. Wir sangen ein paar Lieder mit, die vom Wagen ertönten und tanzten dazu auf der Straße. Leider war es bei all der Polizei schwer, die Leute zu animieren.
Die Schikanen gingen sogar auf der Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor weiter. Diesmal traf es mich, als ich gerade Flyer der Grünen Hilfe verteilte. Wohl weil ich nebenbei eine Zigarette mit einem Blättchen von OCB schwarz in klein rauchte, wurde ich von einem Polizisten gestört, der mich bat „mal eben mit zu kommen“. Wieder sagte man mir nicht, was der Grund für die Kontrolle sei. Ich vermute aber, dass er mich verdächtige Cannabis zu rauchen. Dabei sagte ein anderer Polizist sogar, dass es nur nach Tabak rieche, aber dreist sei, ausgerechnet mit diesen Blättchen Zigaretten zu rauchen. Obwohl beide Polizisten bestätigt haben, dass ich nur Tabak rauche, sollte ich mit hinter den Cannabus zu der Kollegin kommen, die aber gerade eine Freundin von mir durchsuchte. Also musste ich warten. Ich hatte mir meine Zigarette wieder an gemacht, da sie ausgegangen war. Sofort hatte der Polizist gesagt, dass ich hier nicht rauchen dürfe. Als ich fragte „Warum denn nicht?“ meinte er, dass dies hier eine polizeiliche Maßnahme sei und ich die Zigarette aus machen solle. Gemacht habe ich das aber erst, nachdem ich noch einmal dran gezogen hatte und er nochmal sagen musste, dass ich jetzt nicht hier rauchen dürfe.
Ich wurde dann noch ein Stück weiter weg zu einer anderen Kollegin zu einem weiteren Bus der Polizei begleitet, die mich durchsuchen sollte. Auf die Nachfrage, warum sie mich durchsuche, verwies sie auf den Kollegen, der mich zu ihr gebracht hatte. Der sagte nicht direkt, dass er den Verdacht habe, dass ich Cannabis dabei habe, sondern nur, dass meine Zigarette einem Joint gleiche. Das ist für mich kein Grund für eine Durchsuchung! Na ja… zu finden gab es bei mir immer noch nichts Verdächtiges, also durfte ich irgendwann wieder gehen. Trotzdem ist das kein schönes Erlebnis. Vor allem nicht, wenn man dadurch von der Arbeit abgehalten wird. Und die Dienstnummer wollte mir die Polizistin auch nicht geben, nachdem ich sie das erste Mal gefragt hatte. Mindestens dreimal musste ich nachfragen, bevor sie mir eine der kleinen blauen Karten gab. Dabei sagt das Gesetz ganz klar, dass sich Polizisten ausweisen müssen.
Eins ist sicher – wenn die Polizei glaubt, mich mit solchen Kontrollen vom Demonstrieren abhalten zu können, dann ist sie falsch gewickelt. Ich lasse mir meine Rechte nicht so einfach nehmen! Und ihr solltet euch von solchen Schikanen auch nicht abhalten lassen, auf die Straße zu gehen. Leute… klar macht mir das auch Angst, aber wenn man nichts zu verbergen hat, braucht man (eigentlich) keine Angst zu haben.
Nochmal an alle die kontrolliert wurden:
Vergesst nicht ein Gedächtnisprotokoll zu schreiben, wie die Durchsuchung und die Unterhaltung abgelaufen sind.
Sobald euch auf einer Demo ein Polizist anspricht „Du sollst mal mit kommen“, frage „WARUM? Was hab ich getan? Wonach suchen Sie eigentlich?“
Das sind wichtige Fragen. Und immer ruhig bleiben und keine Angst haben. Ja, das ist leichter gesagt als getan. Wenn dann die Durchsuchung beendet ist, solltest du immer nach der Dienstnummer des Polizisten fragen. Dafür haben die Beamtinnen extra (kleine blaue) Dienstkarten dabei.
Für die nächste Hanfparade am 11.08.2012 um 13 Uhr am Alexanderplatz: Bitte lasst euch nicht von der Polizei abschrecken. Nehmt keine Betäubungsmittel oder gefährliche Gegenstände (Messer, Glasflaschen usw.) mit! Dann kann euch auch nichts passieren!
Hanf, Hanf Hurra!