Donnerstag, 31. Mai 2012

„Ich rauche Ganja, weil es mir einen guten Vibe gibt.“

Im Gespräch mit Glen Washington

Glen Washington ist keiner der Artists, dessen erster Song einschlägt wie eine Bombe und von dem man ein Jahr später nichts mehr hört. Über zwanzig Jahre hat der in Clarendon, Jamaika, geborene Künstler auf den Durchbruch gewartet. Er hat viele große Sänger als Drummer begleitet, bis er schließlich begann seine eigenen Songs aufzunehmen. Ein Schritt, der längst überfällig war, denn heute ist Glen Washington mit seinen durchweg positiven und herzerwärmenden Liedern aus der Reggae-Szene nicht mehr wegzudenken. Vor seinem Berlin Konzert hat er sich zu folgendem Interview bereit erklärt.

Wie bist du aufgewachsen und wodurch bist du zur Musik gekommen?
Im Alter von sieben Jahren habe ich den Wunsch entwickelt Sänger zu werden. Damals habe ich mit meiner Großmutter zusammen gelebt. Ich habe Musiker und Sänger bewundert, sie waren für mich wie Götter und ich wollte wie sie sein. Also habe ich angefangen zu üben. Wenn man auf Jamaika aufwächst, geht man meistens mit seinen Eltern oder Großeltern regelmäßig zur Kirche. Ich habe in der Kirche gesungen und meine Großmutter hat mich in sämtliche Chöre gesteckt. Ich habe damals sogar im Seniorenchor gesungen. Sie hat an mich geglaubt und mich immer ermutigt. Noch heute habe ich ihre Worte im Ohr. Immer wenn ich an mir gezweifelt habe, war sie diejenige, die mich ermutigt und mir gesagt hat, ich solle weiter machen, weil ich das Zeug dazu habe. In der Schule haben mich dann Freunde dazu ermuntert an einem Talentwettbewerb teilzunehmen. Ich habe dafür meine eigenen Songs geschrieben, weil ich etwas Originelles präsentieren wollte. Ich wusste, das würde vor der Jury von Vorteil sein. Seitdem schreibe ich alle meine Songs selbst.

Du schreibst wirklich alle deine Lieder selbst?
Ich habe einige Coversongs aufgenommen, aber die lassen sich an zwei Händen abzählen. 99 Prozent meiner Lieder habe ich selbst geschrieben.

Trotz deines Talents hast du lange Zeit nicht als Sänger sondern als Drummer gearbeitet. Warum?
Ich habe über 20 Jahre lang Drums für Bands gespielt. Joseph Hill, der berühmte Sänger von ‚Culture‘, der vor einiger Zeit gestorben ist, war früher Drummer in der Band, in der ich gesungen habe. Er hat mir einiges an den Drums beigebracht. Als er die Band verlassen hat, um seine eigene zu gründen, mussten wir Ersatz finden. Wir hatten viel Gigs und unsere einzige Alternative war, dass ich seinen Part übernahm und dazu gleichzeitig sang. Ich wurde schnell besser und war bald überall als singender Drummer bekannt.

1997 ging es mit deiner Solokarriere dann richtig los.
Ja, das war nachdem ich eine Weile in Gregory Isaacs Band gespielt habe. Die Band hieß Calabash. Wir sind nach Seattle und Washington getourt und von dort aus sollte es nach San Diego weitergehen. Am Abend davor habe ich dagesessen und mir Gedanken über meine Karriere gemacht. Ich dachte mir, warum soll ich nur Drummer für einen Sänger sein, wenn ich selbst Sänger sein und das gleiche Geld machen könnte. Nach der Tour bin ich ins Studio gegangen und habe begonnen eigene Songs aufzunehmen. Ich hatte schon in den Siebzigern Lieder aufgenommen, das erste Mal im Jahr 1973. 1976 habe ich den Song „Rockers no Crackers“ aufgenommen. Er wurde ein großer Hit in Großbritannien, doch davon bekam ich nichts mit. Ich habe das erst erfahren, als ich schon als Solokünstler erfolgreich war und nach England tourte. Sie wollten dort, dass ich den Song singe, was mich wirklich überrascht hat. Jahrelang haben Leute mit meinem Song Geld verdient, ohne dass ich davon etwas mitbekam.
1997 wollte Tony Screw, ein Freund von mir, dem das Sound System Downbeat gehörte, eine Dubplate von einem meiner Songs aufnehmen. Wir sind dazu ins Studio One zu Clement Dodd gefahren. Während wir die Dubplate aufnahmen, hat Dodd entschieden, dass er meine Stimme mag und dass er weitere Aufnahmen mit mir machen will. Ich habe zwei Alben mit Studio One aufgenommen. Das erste, 1997, hieß „Brother to Brother“ und ist wie eine Bombe eingeschlagen.

Sind dir in all den Jahren zuvor jemals Zweifel gekommen, sodass du überlegt hast, die Musik aufzugeben?
Nein. Niemals! Ich habe Musik immer geliebt. Ich habe es mal mit einem regulären Job versucht, doch es hatte keinen Sinn. Damals habe ich in Detroit gelebt und Autoteile in einer Fabrik hergestellt. Doch das war nicht das, was ich wollte. Meine damalige Ehefrau, die Mutter meiner Kinder, hatte mich dazu gebracht mir eine Arbeit zu suchen. Dies hat mich später dazu veranlasst den Song „True Love“ zu schreiben. Viele Leute denken, dass ich in den Lied über eine andere Frau singe, aber es geht um meine Liebe zur Musik und meiner Frau. Sie hat mich damals vor die Wahl gestellt: entweder ich suche mir eine ‚richtige‘ Arbeit oder sie würde sich scheiden lassen. Doch ich bin Musiker, das IST meine Arbeit. Das Blatt hat sich gewendet und heute bereut sie wohl, dass sie sich von mir getrennt hat. (lacht)

Deine Lieder handeln zum Großteil von Liebe und von Frauen…
Ich bin ein ‚Lover‘ und ich singe gern über Liebe. Das gibt mir einen guten Vibe. Ich liebe es positive Songs zu machen, durch die sich Zuhörer gut fühlen und die ihnen Kraft geben. Das macht mich glücklich und ist mir um einiges wichtiger als das Geld, das ich mit meiner Musik verdiene.

Würdest du dich selbst als Rasta beschreiben?
Ich bin Christ genau wie seine Majestät Haile Selassie. Viele wissen nicht, dass Ras Tafari ein Christ war. Ich trage meine Locks, weil ich frei sein will. Locks machen dich nicht automatisch zum Rasta. Damals waren sie ein Mittel, um sich mit Rastafari zu identifizieren, doch sie sind für viele zur Mode geworden. In meinen Herzen weiß ich, wer Gott ist. Doch ich bin nicht hier, um Leute zu belehren oder zu überzeugen. Es liegt allein bei Gott zu entscheiden, wen er erlösen wird. Wenn man ein reines Herz hat und gut zu allen Menschen ist, wird Gott an deiner Seite sein, egal welcher Religion du folgst. Es ist nicht meine Aufgabe zu predigen. Ich halte mich von religiösen und politischen Angelegenheiten fern, weil ich kein Freund von diesen Machtspielen bin und weil ich niemanden be- bzw. verurteilen will. Das liegt allein in Gottes Hand.

Auf Jamaika wird viel Ganja geraucht, obwohl es offiziell verboten ist. Findest du, dass Marihuana unter strengen Jugendschutzbestimmungen legalisiert werden sollte?
Menschen rauchen Weed aus verschiedensten Gründen. Ich rauche Ganja, weil es mir einen guten Vibe gibt, in dem ich kreativ bin und mich selbst reflektiere. Ich habe dann das Gefühl mich selbst von außen zu betrachten. Manchmal lache ich auch über mich, weil ich so lustig bin. (lacht)
Marihuana ist keine Droge. Es ist kein Stoff, der dich krank macht. Für mich macht es keinen Sinn, dass Leute versuchen es zu verteufeln und zu verbieten, denn es hat so viele gute Eigenschaften. Egal ob Ganja legal ist oder nicht, ich werde es weiter nutzen.

Du stehst für positive Musik. Man hat gerade in den letzten Jahren den Eindruck, dass sich immer mehr negative Lyrics in der Szene verbreiten, wie siehst du das?
Ich habe über die Jahre alle möglichen Dinge gesehen und gehört. Ich bin vielen negativen Menschen begegnet und ich bete für sie. Ich bete, dass Gott ihre Herzen verändert und sie auf den rechten Weg führt, mehr kann ich nicht tun. Ich verabscheue gewalttätige und respektlose Musik. Ich bin gegen jegliche Negativität in Musik. Musik beeinflusst die Zuhörer, deswegen ist es wichtig ihnen die richtige Botschaft zu vermitteln. Alle Menschen sind gleich unabhängig ihrer Herkunft und ihres Äußeren. Liebe, Frieden und Einigkeit sind die Botschaften, die Musik vermitteln sollte.

Du lebst in den USA. Warum hast du Jamaika verlassen?
Ich habe Jamaika verlassen und bin mit einer Gruppe namens ‚Happiness Unlimited‘ nach Amerika gekommen. Wir waren als Band in einem Hotel in Ocho Rios engagiert. Dort habe ich eine Frau kennen gelernt, die damals für Steve Wonder arbeitete. Wir haben uns unterhalten und ich habe ihr erst nicht glauben wollen, dass sie wirklich für Steve Wonder arbeitet. Sie war auf der Suche nach einem geeigneten Urlaubsort für ihn. Eines Abends kam Steve Wonder dann wirklich und hat sich unser Konzert angesehen. Natürlich hat sich von dem Moment an keiner mehr für unsere Performance interessiert. Die ganze Aufmerksamkeit gehörte ihm. Als wir fertig waren, wollte er die Band kennen lernen. Er ist für zwei Wochen geblieben und hat in der Zeit einige Male mit uns auf der Bühne gestanden. So kam eins zum anderen und er hat uns nach Amerika gebracht. Ich bin geblieben, obwohl ich eigentlich keine Pläne hatte Jamaika zu verlassen. Ich habe viele Leute getroffen, geheiratet und eine Familie gegründet. Ich fliege trotzdem noch oft nach Jamaika und habe dort ein Haus. Insgesamt habe ich jedoch länger in den Staaten gelebt als auf Jamaika.

Vielen Dank für das Interview.

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