Mittwoch, 4. April 2012

„Jeder sollte selbst entscheiden dürfen, was er konsumiert oder nicht.“

Serani im Interview

Ob als Produzent oder als Sänger, Serani ist ein fester Bestandteil von jamaikanischer Dancehall-Musik und aus der Szene nicht mehr wegzudenken. Er ist für einige der heißesten Riddims der letzten Jahre verantwortlich. Seine Produktionen haben Artists wie Mavado bekannt gemacht. Seit einigen Jahren ist der erfolgreiche Produzent auch selbst als Artist unterwegs und hat es spätestens nach seinem Hit „No Games“ zu internationalem Ruhm gebracht.

Vor ca. elf Jahren hast du mit einigen Freunden Daseca Productions gegründet. Erzähl mir etwas darüber.
Craig und David, meine Partner bei Daseca, habe ich in der Grundschule kennen gelernt. Nach der Schule hatten wir uns aus den Augen verloren. Jeder hat eine Zeit lang sein eigenes Ding gemacht bis sich unsere Wege 1998 wieder kreuzten. Sie haben mein Talent gesehen und sich mir angeschlossen. Damals habe ich zwar schon Klavier gespielt, war aber sonst noch nicht weiter in Musikgeschäft aktiv. Ich habe die Musik geliebt und ich wusste, dass es das ist, was ich mein Leben lang machen will. Aber die endgültige Entscheidung ist erst im Jahr 2000 gefallen. In dem Jahr war ich für zwei Monate auf dem College. Ich habe im Klassenzimmer gesessen, aber anstatt dem Unterricht zu folgen, habe ich Beats in meinem Kopf entwickelt. Da war klar, dass ein Studium für mich nicht der richtige Weg ist. So habe ich angefangen mich mit der Musikproduktion zu beschäftigen. Ich bin kein geborener Sänger. Ich habe erst 2007 damit angefangen. Aber ich war von Anfang an mit vollem Herzen dabei und habe schnell alles gelernt, was ich wissen muss.

Was hat dich am Ende dazu bewegt nicht nur andere Artists aufzunehmen, sondern auch eigene Songs zu produzieren?
Der Grund war, dass ich mit dem Produzieren anderer Künstler kaum Geld verdient habe. Viele der Künstler, denen ich zum Erfolg verholfen habe, machten mit ihren Songs viel Geld. Doch für mich ist dabei nicht viel rumgekommen. Das fand ich nicht fair und so habe ich beschlossen mein eigenes Ding zu machen. Als Artist bekommt man auch wesentlich mehr Aufmerksamkeit, was letztendlich dem ganzen Daseca Team zu Gute kam.

Du hast mit Künstlern wie Mavado zusammen gearbeitet …
Ich habe nicht mit ihm zusammen gearbeitet. Ich habe ihn zu dem gemacht, was er ist!

Alles klar. Die meisten Sänger, die bei Daseca Tunes aufnehmen, sind Hardcore Dancehall-Artists. Du hingegen machst viele Crossover mit R&B, Pop etc. – wie kommt das?
Dadurch, dass ich meine Beats aus Elementen verschiedener Musikrichtungen zusammensetze, habe ich einfach mehr Möglichkeiten. Ich kann verschiedene Styles ausprobieren und damit ein größeres Publikum erreichen. Ich mache nicht nur für Jamaika Musik, sondern für die ganze Welt.
Natürlich finden meine Songs trotzdem auf Jamaika Beachtung. Es ist mir wichtig Songs zu machen, die sich vom Hardcore Dancehall unterscheiden, denn nur so kann ich mich von anderen Artists abheben.

Wie würdest du dein Publikum beschreiben?
Ich habe ein sehr vielfältiges Publikum. Ich spiele vor eingefleischten Dancehall-Fans, aber auch vor Mainsteam-Publikum, das nicht viel Ahnung von jamaikanischer Musik hat. In dem Fall muss ich mehr mit den Leuten reden und ihnen meine Songs erklären. Wie „Skip To Ma Lou“ zum Beispiel. In dem Song geht es um einen Tanz, den auf Jamaika fast jeder kennt, doch das wissen außerhalb der Dancehall-Szene nur wenige. So oder so weiß ich, wie ich mit den Leuten umzugehen habe, deswegen liefere ich jedes Mal eine gute Show.

Würdest du trotzdem sagen, dass du jamaikanische Musik verkörperst?
Ja, natürlich. Mein bekanntester Crossover Song ist „No Games“. Ihm liegt ein typischer Dancehall-Beat zugrunde. Die Bassline und das Piano verleihen dem Ganzen etwas Melodisches. Dadurch klingt er auch für Leute ansprechend, die sonst kaum Dancehall hören. Ich probiere verschiedene Styles aus und bleibe trotzdem meinen kulturellen Wurzeln treu. Ich habe nie vergessen, wo ich herkomme, doch in der heutigen globalisierten Welt ist man mit verschiedensten Einflüssen konfrontiert. Warum soll ich diese nicht in meine Musik einfließen lassen, um etwas Neues zu schaffen?

Der Konsum von Marihuana ist illegal in Jamaika, Deutschland und in den meisten anderen Ländern der Welt. Findest du das berechtigt oder wärst du für eine Legalisierung unter strengen Jugendschutzbestimmungen?
Ich denke, dass Ganja irgendwie an Wert verlieren würde, wenn es alle zu jeder Zeit einfach so bekommen könnten. Es wäre nichts Besonderes mehr. Aber ich halte es nicht für unmöglich, dass es eines Tages legal werden könnte. Es gab auch eine Zeit, in der Alkohol verboten war und heute kriegt man ihn an jeder Tankstelle.
Alkohol und Zigaretten fordern jedes Jahr weitaus mehr Tote als Marihuana, doch trotzdem steht deren Verbot nicht ernsthaft zur Diskussion. Für mich macht das Verbot von Ganja deshalb keinen Sinn. Jeder sollte selbst entscheiden dürfen, was er konsumiert oder nicht.

Als Produzent und Artist hast du eine weiten Überblick über das Musikbusiness gekommen. Was sind deiner Meinung nach die größten Veränderungen der letzten zehn Jahre?
In den letzten paar Jahren sind Dancehall-Beats immer mehr zu Hip Hop-Beats geworden. Das war, denke ich, die gravierendste Veränderung. Durch den Einfluss aus den USA hat sich die Musik verändert. Viele junge Artists haben sich an Hip Hop- bzw. R&B-Stars aus den Staaten orientiert, weil diese so erfolgreich waren. Erst seit letztem Jahr findet man in den Riddims wieder mehr Elemente aus dem ursprünglichen Dancehall. Was der Grund für diese Entwicklung ist, lässt sich jedoch schwer sagen. Ich liebe den originalen Dancehall-Sound, deswegen gefällt mir dieser Wandel. Und schließlich ist es das, was unsere Fans von uns hören wollen.

Wirst du auch in Zukunft weiter Musik produzieren oder willst du deinen Fokus eher auf eine Karriere als Artist legen?
Ich habe nie aufgehört zu produzieren und ich habe es auch nicht vor. Ich habe die meisten meiner Hits selbst produziert. Ich habe allerdings eine Weile aufgehört, Songs von anderen Künstlern aufzunehmen. Erst vor kurzem habe ich wieder damit angefangen. Ich werde weiterhin beides machen, da ich keinen Beat produzieren kann ohne auch selbst darauf einen Tune zu singen. Ich habe keine ‚freien‘ Beats rumliegen, die ich einfach so weggeben kann. (lacht)

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