Montag, 2. April 2012

Vom Sinn des Demonstrierens

Die Hanfparade wehrt sich gegen die exklusiven Vermarktungsrechte von Cannabis für ein paar gewinnsüchtige Pharmakonzerne. Cannabis soll zum Wohl aller Menschen verfügbar sein und nicht nur den Aktionären der Hersteller von Pharmazeutika nutzen.

Mit anderen Menschen in der Öffentlichkeit zu demonstrieren ist in Deutschland ein Grundrecht, das in Artikel 8 (Versammlungsfreiheit) des Grundgesetzes festgeschrieben ist. Die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung des Demonstrationsrechtes (Freiheit der kollektiven Meinungskundgabe) in Bezug auf den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung wurde vom Bundesverfassungsgericht mehrfach in Urteilen hervorgehoben. Seine Bedeutung liegt für die Richter insbesondere darin, dass es jenen die Möglichkeit zur Äußerung in einer größeren Öffentlichkeit verschaffe, denen der Zugang zu den Medien versperrt ist. Die Versammlungsfreiheit genießt gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit einen gesteigerten Schutz, weil sie wesentliches Element des Minderheitenschutzes ist.
Mag es auch Jahrzehnte dauern, bis die herrschende Gesellschaftsschicht vom Anliegen einer benachteiligten Gruppe überzeugt werden kann – Demonstranten haben schon viel bewegt: Bis die Schweizer Männer ihren Frauen mit der Einführung des Frauenstimmrechtes im Jahr 1971 an der Urne die gleichen Rechte einräumten, die sie selbst seit 1848 genossen, wurde für diese Forderung Jahrzehnte demonstriert. Seit 1969 demonstrierten Lesben und Schwule in New York und in den folgenden Jahren auf der ganzen Welt alljährlich am Christopher Street Day für ihre Rechte sowie gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Erst 1992 strich dann die Weltgesundheitsorganisation „Homosexualität“ aus der Liste der Krankheiten.
Manchmal geht es aber auch schneller. So organisierte der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung seit 2006 in verschiedenen Städten in Deutschland Demonstrationen, um auf die Verfassungswidrigkeit der Vorratsdatenspeicherung aufmerksam zu machen. Die Demonstrationen lösten eine intensive politische Diskussion und eine Massenklage aus. Dieser öffentliche Protest trug nur vier Jahre später Früchte. Am 2. März 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig und nichtig. Neuestes Beispiel sind die Demonstrationen gegen das „Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen“ (ACTA) in diversen Ländern Europas. Die Proteste zwangen Parlamentarier und Minister den Text des Abkommens (in vielen Fällen erstmals) genauer zu studieren. Seine Ratifizierung wurde erst einmal auf Eis gelegt.
Seit 1997 findet in Berlin alljährlich im August die Hanfparade statt. Die Hanfparade tritt für die Legalisierung von Cannabis ein. Die Teilnehmer wollen dabei unter anderem gefährliche Machenschaften zwischen Prohibitionisten und der Pharmaindustrie aufzeigen. Denn einer der gewichtigsten Gegner einer generellen Legalisierung ist die Pharmaindustrie, die Cannabis in Form von teuren Medikamenten exklusiv selbst vermarkten will. Die den globalen Pharmamarkt „kontrollierende“ Handvoll Unternehmen wittert im Medizinalhanf gute Gewinnaussichten. So hat beispielsweise im Februar des letzten Jahres GW Pharmaceuticals die Rechte an der Entwicklung und Vermarktung von Sativex bei Krebsschmerzen in den USA an die japanische Firma Otsuka Pharmaceutical verkauft. Otsuka zahlte GW eine Lizenzgebühr von 18 Millionen US-Dollar und wird noch bis zu 273 Millionen US-Dollar an weiteren Gebühren zahlen.
Die Hanfparade wehrt sich gegen die exklusiven Vermarktungsrechte von Cannabis für ein paar gewinnsüchtige Pharmakonzerne. Cannabis soll zum Wohl aller Menschen verfügbar sein und nicht nur den Aktionären der Hersteller von Pharmazeutika nutzen.

Am Samstag, den 11. August 2012, wird in Berlin die 16. Hanfparade unter dem Motto »Freiheit, Gesundheit, Gerechtigkeit« stattfinden. Die traditionsreiche Demonstration will das Wissen um die Kulturpflanze Cannabis und ihre Nutzung als Rohstoff, Genussmittel und Medizin in den Mittelpunkt der politischen Diskussion stellen.

Cannabis ist Weltkultur

Die Hanfkultur ist in den letzten 150 Jahren weitgehend aus dem Allgemeinwissen der Bevölkerung verschwunden. Interessengruppen aus Wirtschaft und Politik haben diesen Wissensschwund proaktiv mit Angst schürenden Falschmeldungen befördert. So warnte eine von Regierungen gesteuerte und breit angelegte Kampagne die Bevölkerung Ende der 60er und Beginn der 70er Jahre vor einer „gigantischen Drogenwelle“, die auf Europa überschwappe. Die begleitenden Meldungen waren auffallend oft suggestiv und tendenziös konzipiert, um in demagogischer Weise die Bevölkerung zu manipulieren. Selbst völlig harmlose Haschischraucher wurden häufig als „kriminelle Rauschgiftsüchtige“ diskreditiert. Konkretes Wissen über Drogen ist durch Kampagnen wie diese jedoch kaum vermittelt worden.
An dieser Propagandamaschinerie hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert, wie die in den letzten Novembertagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel getätigten Aussagen zu Cannabis zeigen. Obwohl vielfach nachgewiesen wurde, dass eine Lockerung der Cannabisrepression keine steigenden Konsumentenzahlen zur Folge hat, behauptete Merkel, dass eine Legalisierung die Schwelle zum Konsum noch weiter heruntersetzen würde. Und entgegen allen wissenschaftlichen Erkenntnissen behauptete sie, dass „auch der Konsum von geringen Mengen sehr, sehr hohe Abhängigkeiten schaffen kann“.

Freiheit, Gesundheit, Gerechtigkeit

Diese Dauerpropaganda reicht uns! Die verleumderischen Kampagnen gegen Haschischraucher führten zunehmend zur Ausgrenzung ganzer Gesellschaftsgruppen mitsamt ihrer Kultur. Die einseitig repressive Politik verhindert, dass Menschen in der Art und Weise genießen können, wie es ihrem Wesen entspricht. Da Cannabiskonsum den Lebensgenuss Dritter nicht beeinträchtigt, ist das Verbot des Umgangs mit psychotrop (d.h. die Seele bewegend) wirkenden Cannabisprodukten ein krasser Verstoß gegen die Grundprinzipien der Menschen- und Bürgerrechte. Diese gehören seit 1789 zu den Grundlagen moderner freiheitlich demokratischer Rechtsstaaten. In Artikel IV der „Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“ heißt es:
„Die Freiheit besteht darin, alles tun zu dürfen, was einem anderen nicht schadet: Die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen hat also nur die Grenzen, die den anderen Mitgliedern der Gesellschaft den Genuss ebendieser Rechte sichern. Diese Grenzen können nur durch das Gesetz bestimmt werden.“
Und in Artikel V:
„Das Gesetz darf nur solche Handlungen verbieten, die der Gesellschaft schaden. […]“
Der Genuss psychotrop wirkender Substanzen wie Cannabis beeinträchtigt die Rechtsgüter anderer Menschen nicht und darf deshalb aus ethischer Sicht nicht strafbewehrt sein. Die im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) angedrohten Strafen für den Umgang mit Cannabis schränken in gravierender und ungerechtfertigter Weise die Freiheit der Menschen ein. Diese Strafandrohungen sind ein „unerträgliches Unrecht“ und somit nicht gerecht.
Die Hanfparade ist eine Demonstration für Freiheit, Gesundheit und Gerechtigkeit.

Jeder freiheitsliebende Mensch ist aufgerufen, am 5. Mai 2012 am Hanftag in Berlin oder in einer anderen Stadt am Global Marijuana March teilzunehmen – und natürlich auch an der Hanfparade am 11. August 2012 in Berlin.

www.hanfparade.de

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