Über geschönte Studien und verschwundene Briefe im Gesundheitsministerium
Bei den sogenannten „Legal Highs“ plant die Bundesregierung, den Konsum durch Verbote ganzer Stoffgruppen einzuschränken. Diese Maßnahmen begründet sie mit dem Verweis auf eine Studie des „Centre for Drug Research“ der Goethe Universität in Frankfurt/Main. Der Verfasser der Studie, Dr. Bernd Werse, zieht jedoch andere Rückschlüsse aus seiner eigenen wissenschaftlichen Arbeit zu den neuen Designerdrogen und hatte der Parlamentarischen Staatssekretärin Ulrike Flach (FDP) seine Bedenken bezüglich der beschlossenen, repressiven Gesetzgebung per Brief mitgeteilt. In dem Brief vom 19.10.2011, der unserer Redaktion vorliegt, bezeichnet Dr. Werse die Interpretation seiner Studie und die daraufhin beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung als falsch und kritisiert: „Trotz alledem (der repressiven Maßnahmen; Anm. der Redaktion) hat sich die Anzahl derer, die Cannabis-Ersatzprodukte ausprobiert haben, erhöht. Insofern kann der generalpräventive Effekt des BtmG in diesem Fall stark in Zweifel gezogen werden. Grundsätzlich bin ich ohnehin der Meinung, dass dies nur äußerst bedingt der Fall ist. Zwar werden evtl. einige der potenziellen „Probierer“ durch die eingeschränkte Verfügbarkeit vom Konsum illegaler Drogen abgehalten, aber diejenigen, die explizit gewillt sind, zu konsumieren, kaum bis gar nicht. Insbesondere diejenigen, die bereits häufig, intensiv bzw. potenziell problematisch konsumieren, wissen in aller Regel zahlreiche Möglichkeiten, sich Drogen zu besorgen, bis hin zur Möglichkeit, durch den (dank der Prohibition ermöglichten) Weiterverkauf kleiner Mengen an andere Konsumenten den eigenen Konsum zu finanzieren. Insofern erfüllt das BtmG meiner Meinung nach hier nicht den spezialpräventiven Anspruch, Menschen vor schädlichen Konsummustern zu schützen, ein Anspruch, der sich in Wissenschaft und Praxis mittlerweile weitgehend zuungunsten der bloßen generellen Vermeidung des Konsums unerlaubter Substanzen durchgesetzt hat.“
MdB Frank Tempel (Die Linke) stellt daraufhin am 20.Oktober eine Kleine Anfrage zur Kritik von Dr. Werse:
„Inwiefern hält die Bundesregierung an der Position fest, dass durch das Verbot von „Spice“ durch das BtMG eine generalpräventive Wirkung erzielt wird (siehe Antwort zu Frage 1 Bundestagsdrucksache 17/6620), obwohl der Verfasser der Studie, auf die sich die Bundesregierung zur Begründung ihrer Position bezieht, in einem Brief vom 19.10.2011 an die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Flach erklärt, dass seine Studie von der Bundesregierung falsch interpretiert wurde und ein Rückgang des Konsums von „Spice“ nicht auf das Verbot zurückzuführen ist?“
Genau eine Woche später antwortet Frau Flach:
„Der Bundesregierung liegt das Schreiben […] bislang nicht vor […]“, danach folgen wiederum aus dem Zusammenhang gerissene Zitate aus der Werse-Studie, um das umstrittene Verbot zu begründen. Unserer Redaktion liegt jedoch eine Kopie der E-mail vom 19. Oktober von Dr. Werse an Frau Flach vor, an die besagter Brief angehängt war. Das Büro von Frank Tempel hatte den Brief mit derselben E-mail erhalten, von der Frau Flach behauptet, sie nie erhalten zu haben. Obwohl ihr Büro mit richtiger Adresse in der Empfangszeile steht.
Trotzdem antwortet die Staatssekretärin Herrn Tempel eine Woche später, ohne in der Zwischenzeit nachzufragen, von was für einem Brief in der Kleinen Anfrage denn die die Rede sei, die sie beantworten soll. Denn immerhin ist der Inhalt des Schriftstücks Thema der Kleinen Anfrage.
Konfrontiert mit diesem Sachverhalt bleibt das Büro von Frau Flach bei der Darstellung, den Brief nicht rechtzeitig erhalten zu haben. In Zeiten elektronischer Kommunikation ist das definitiv unglaubwürdig. Eine inhaltlich richtige Antwort, in diesem Falle eine Antwort auf die Kritik von Dr. Werse, fehlt hingegen bis heute.