Mittwoch, 31. August 2011

DVD-Specials – September 2011

Die Kinder von Paris
constantin film

Paris im Juni 1942. Am Montmartre stürmen der elfjährige Joseph (Hugo Leverdez) und die anderen Jungs unbekümmert durch die Gassen, doch die Idylle ist trügerisch. So registriert Jo verwundert, dass er von einem Tag auf den anderen keinen Zutritt mehr zu Kinos, Jahrmärkten und öffentlichen Parks hat. Jo und seine Familie sind Juden – und diese werden vom Vichy-Regime unter Marschall Pétain seit kurzer Zeit mit einem Judenstern gekennzeichnet. Seine Eltern Sura (Raphaëlle Agogué) und Schmuel (Gad Elmaleh) können oder wollen sich nicht vorstellen, was ihnen bevorsteht. Unter dem zynischen Titel „Operation Frühlingswind“ beginnt am frühen Morgen des 16. Juli 1942 eine beispiellose Massenrazzia. Ziel ist die „Säuberung“ der Hauptstadt von ihren 28 000 Juden, 13 000 „Israeliten“ werden verhaftet, ungefähr 15 000 können sich retten. Knapp 7000 werden für fünf Tage unter entsetzlichen Bedingungen im Radsportstadion Vélodrome d‘Hiver – in dem Überlieferungen zufolge 100 Verzweifelte Selbstmord begingen – versammelt und dann ins Lager Beaune-la-Rolande südlich von Paris deportiert, wo die Familien brutal getrennt werden, bevor der Transport in Güterzügen nach Auschwitz beginnt. Die Kleinen fahren alleine in den Tod.
Inspiriert durch ihren Mann und Filmproduzenten Ilan Goldman, der als Enkel polnischer und russischer Juden in Montmartre aufwuchs, zeigt Roselyne Busch in ihrem Drama neben dem Leid der Opfer auch die Hilfsbereitschaft jener Menschen, die ihren jüdischen Landsleuten zur Seite standen, wie beispielsweise die Rot-Kreuz-Krankenschwester Anette Monod (Mélanie Laurent) und Lagerarzt David Sheinbaum (Jean Reno). Doch im Gegensatz zu „Schindlers Liste“ lässt der Film den Mut zur grausamen Realität vermissen. Daher hat sich auch bereits vor siebzehn Jahren Claude Lanzmann anlässlich von Spielbergs schonungslosem Werk gegen jede filmische Rekonstruktion der Shoah verwahrt. In Frankreich lockte der Film drei Millionen Zuschauer in die Kinos und stieß mit dem überaus sensiblen Stoff einen gesellschaftlichen Diskurs an. Denn dieses Drama, das als „Rafle du Vel’ d’Hiv‘“ in die Geschichte eingegangen ist, wurde von der Grande Nation lange Zeit ähnlich tabuisiert wie der Algerienkrieg. Heute erinnert eine Gedenktafel auf dem Gelände des 1959 abgerissenen Velodroms an die Opfer der Razzia. Doch kein Film könne „so tragisch sein wie die reale Geschichte“, sagt Bosch sehr richtig. Letztendlich sollten solche Filme aber einen wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit leisten und nicht (nur) auf die Tränendrüse drücken.

www.die-kinder-von-paris.de
www.constantin-film.de


>>DVD – Doku
Maybe Logic
Leben und Gedanken von Robert Anton Wilson

Nachtschatten Verlag

„I have learned more from Robert Anton Wilson than I have from any other source”, sagte einmal der amerikanische Schauspieler, Komiker und Sozialkritiker George Carlin. Denn Robert Anton Wilson ist wohl als einer derjenigen Geister zu bezeichnen, die ihre „persönliche Selbst- und Gehirn-Evolution“ selbst bestimmt und seit den 60er Jahren quasi in der Öffentlichkeit gelebt haben. Geboren am 18. Januar 1932 in New York, studierte er Mathematik, Elektrotechnik, Englisch, Pädagogik und graduierte schließlich in Psychologie. Nach diversen Jobs, unter anderem als Mitarbeiter vom „Playboy“, wurde er Vizepräsident des Institute for the Study of Human Future in Berkeley. Über dreissig Jahre lang war er der Kultautor der psychedelischen Szene. Viele von uns kennen ihn sicherlich durch Werke wie „Cosmic Trigger“, „Schrödingers Katze“ und seine Romantrilogie „Illuminatus“. Mit über 35 Büchern, all seinen Texten und Vorträgen, die der Entwicklung des Menschen zu einem verantwortungsvollen humanen Wesen dienlich waren und es noch heute sind, hat der Wegbegleiter von Timothy Leary und anderen psychedelischen Zeitgenossen damals für grosses Aufsehen gesorgt. Doch da die Halbwertszeit der Bekanntheit brillanter Geister und ihrer Ideen heutzutage ziemlich kurz ist, präsentieren uns Deepleaf Productions und der Nachtschatten Verlag die DVD „Maybe Logic“, auf der uns Guerilla-Ontologe Robert Anton Wilson erstmals einen ausführlichen Einblick in seine Ideenwelt gibt: Mit mehr als 90 Minuten Material, dokumentiert die DVD eine Ära von rund 25 Jahren und hält neben dem Hauptfilm als Bonusmaterial die „Maybe Logic“-Übungen und diverses Footage-Material bereit. Es geht um Wahrnehmung, die Konstruktion des individuellen Realitätstunnels und um die Frage nach Wirklichkeit und Existenz. Und Robert Anton Wilson ist, das bestätigen in diesem Filmporträt verschiedene prominente Zeit- und Weggenossen, ein äusserst humorvoller Geist, der als „Sit-Down-Komiker“ seine Zuhörer in den Bann zieht, sie zu diskordischen Päpsten ernennt und sie ermahnt, jeglichen Autoritäten skeptisch zu begegnen. Sein Repertoire reicht von radikal-politischen Exkursionen über sprachwissenschaftliche Untersuchungen hin zu den Rätseln der Quantenphysik. Die musikalische Untermalung (u.a. Boards Of Canada, Amon Tobin oder auch The Cinematic Orchestra) erzeugt zusätzlich zu Wilson’s satirischen Worten eine angenehme Atmosphäre. Doch merke: „Bloss weil du nicht paranoid bist, heisst das noch lange nicht, dass sie nicht hinter dir her sind …“

www.maybelogic.org
www.nachtschatten.ch

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