Freitag, 3. Juni 2011

Feuer auf Mechthild Dyckmans

Mit Mechthild Dyckmans
keine Aussicht auf Einsicht

Am 17. Mai 2011 stellte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans, den neuen Drogen- und Suchtbericht vor. Darin wird im Abschnitt „Europäische und internationale Zusammenarbeit“ immer wieder die federführende Rolle Deutschlands bei den internationalen Gremien der Repressionspolitik hervorgehoben. Zudem findet man in dem Bericht nur lobende Worte für die Arbeit der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (engl. Commission on Narcotic Drugs, CND), des Internationalen Suchtstoffkontrollrates (engl. International Narcotic Control Board, INCB) und des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (engl. United Nations Office on Drugs and Crime, UNODC). Eine kritische Auseinandersetzung mit der Arbeit dieser Gremien sucht man vergeblich in dem Bericht der Drogenbeauftragten.

In dem Bericht lässt Dyckmans auf S. 136 verlauten: „Die Überwachung der zur Rauschgiftherstellung unverzichtbaren Grundstoffe ist international eine wesentliche Strategie zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität und in der europäischen Zusammenarbeit durch einheitliche Regelungen ausgestaltet. Die Europäische Union als Chemikalienproduzent ist nach wie vor Ziel krimineller Aktivitäten zur Erlangung von Grundstoffen für die unerlaubte Rauschgiftherstellung – das betrifft halbsynthetisch hergestellte Rauschgifte wie Kokain und vollsynthetisch produzierte Drogen wie die so genannten Amphetamine.

Ein internationales Fachsymposium stellte im Juni 2010 ein Tagungsforum für die Untersuchung der Abzweigung von Grundstoffen und so genannten nicht gelisteten chemischen Stoffen dar. Die inhaltliche Federführung des Grundstoffsymposiums in Peru oblag dem Bundeskriminalamt, während die Organisation gemeinsam mit dem UNODC gewährleistet wurde.“ Offenbar begrüßt Mechthild Dyckmans, dass deutsche Beamte die inhaltliche Federführung des „War on Drugs“, dem jährlich Tausende von Menschen zum Opfer fallen, übernommen haben.

Auf S. 137 kann man lesen: „Deutschland ist Mitglied der Suchtstoffkommission der Vereinten Nationen (CND). Die 53. CND-Sitzung fand vom 8. bis 12. März 2010 in Wien statt. Die deutsche Delegation unter der Leitung der Drogenbeauftragten der Bundesregierung beteiligte sich aktiv an der Arbeit der CND sowohl im Plenum als auch im „Committee of the Whole“ und in Arbeitsgruppen, in denen die Resolutionen verhandelt wurden. Deutschland hat sich als EU-Verhandlungsführer intensiv bei der Einbringung einer von Japan initiierten Resolution zur Problematik der „Synthetischen Cannabinoide“ engagiert und so zum Konsens zwischen den Staaten der internationalen Gemeinschaft beigetragen (Resolution 53/11).“ Und weiter: „2010 zeigten die Plenumsdiskussion und thematische Debatte jedoch die Reformbedürftigkeit der CND unter anderem wegen der zu umfangreichen Themenwahl. Ein deutscher Vorschlag zur Straffung der Tagesordnung und Reorganisation des Ablaufs der Thematischen Debatte fand große Unterstützung. Als Folge sah die Tagesordnung der 54. CND-Sitzung im März 2011 nunmehr die Möglichkeit zur Diskussion in Form so genannter Runder Tische vor.“

Auf der folgenden Seite heißt es dann: „Das Drogenkontrollprogramm der Vereinten Nationen (UNDCP), das vom Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung der Vereinten Nationen (UNODC) durchgeführt wird, wird von der Bundesrepublik Deutschland seit vielen Jahren finanziell unterstützt. Deutschland gehört dem Kreis der Hauptgeberstaaten an und beteiligt sich an mehreren Projekten von UNODC.“ Ja, Deutschland kämpft an vorderster Front im „War on Drugs“, deutsche Beamte übernehmen inhaltliche Federführung, Deutschland ist EU-Verhandlungsführer, Deutschland bestimmt die Tagesordnung und Deutschland ist ein Hauptgeberstaat im sogenannten Drogenkrieg. So wie das in dem Bericht zu lesen ist, scheint Mechthild Dyckmans darauf noch stolz zu sein.

Nicht weiter hervorgehoben wird in dem Bericht, dass das Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel (engl. Single Convention on Narcotic Drugs) von 1961, Grundlage der Arbeit des CND, des UNODC und des INCB, dieses Jahr ein halbes Jahrhundert alt geworden ist. Ja, zum 50jährigen Jubiläum der „Single Convention“ am 30. März 2011 gab es keine Pressemitteilung der Drogenbeauftragten, keinen Festakt bei den für Drogen zuständigen UNO-Behörden in Wien und kein Resümee über den Erfolg respektive Misserfolg von einem halben Jahrhundert Drogenpolitik basierend auf diesem Einheitsabkommen.

In den letzten 50 Jahren hat das weltweite Verbot von Drogen das Monopol für illegale Substanzen kriminellen Vereinigungen in die Hände gespielt, die von Natur aus geldgierig, gewissen- und verantwortungslos sind. Heutzutage ist es leicht an Drogen zu kommen, sogar für Kinder. Drogen gelangen sogar in Gefängnisse, in Europa wie auch in den USA, wo eigentlich strengste Kontrollen erwartet werden können. Nach 50 Jahren ist es Zeit zuzugeben, dass die Politik der Prohibition ihr Ziel verfehlt hat und nicht länger die Basis für etwas sein kann, das man fälschlicherweise „globales Drogenkontrollsystem“ nennt. Doch von einem solchen Eingeständnis ist die Drogenbeauftragte Dyckmans weit entfernt.
Die europäische Vereinigung für eine gerechte und effektive Drogenpolitik (engl. European Coalition for Just and Effective Drug Policies, ENCOD) sieht die Dinge weit realistischer:
„1961 gab es wenig oder keine wissenschaftliche Beweise, aus denen man schließen konnte, dass Drogenverbote erfolgreich oder katastrophal sein würden. Obwohl einige Experten und Geschichtsforscher damals schon den verheerenden Verlauf, den wir seit dem beobachten konnten, vorausgesagt haben, war es trotzdem 1961 möglich daran zu glauben, dass Prohibition wie geplant funktioniert. Heute gibt es reichlich Beweise, dass der Konsum und die Sucht seit 1961 zugenommen haben, und dieses wird begleitet von sehr schwerwiegenden unerwünschten Folgeerscheinungen, die durch die Prohibition verursacht werden. Außerdem gibt es eine fast hundertprozentige wissenschaftliche Einigkeit darüber, dass es keinen Zusammenhang zwischen Verbot und Konsum gibt.“

Zu den schwerwiegenden unerwünschten Folgeerscheinungen zählten u.a. die mehrere Tausend Opfer der Repression in den letzten Jahren in Thailand, wo Polizisten im Rahmen des „War on Drugs“ jede Menge unschuldige Menschen im ganzen Land einfach erschossen haben wie auch die viele Tausend Tote jährlich, die der Drogenkrieg derzeit in Mexiko fordert. Doch solche negative Auswirkungen der internationalen Drogenpolitik werden im Sucht- und Drogenbericht – wenn überhaupt – nur am Rande erwähnt. Nach der Lektüre dieses Berichts kann man sich der Erkenntnis kaum erwehren, dass bei Mechthild Dyckmans keine Aussicht auf Einsicht gegeben ist.

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