Mittwoch, 30. März 2011

Ein Interview mit Assassin aka Agent Sasco

Wenn es um das Thema Ganja geht, ist auch immer viel Heuchelei im Spiel.

Wie bist du aufgewachsen und wann hast du mit dem Musik machen angefangen?

Ich bin in einer Ghetto Community in Kingston aufgewachsen, wo man ständig von Musik umgeben ist. Überall spielen Sound Systems in den Straßen und besonders am Wochenende gibt es viele Partys. Man muss nicht in die Dancehall gehen, um in der Dancehall zu sein. Man liegt einfach im Bett und draußen läuft Musik. Ich hab mich in jungen Jahren in die Musik verliebt, sie war also schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Es gab keinen bestimmten Zeitpunkt, an dem ich angefangen hab Musik zu machen. Ich war anfangs mit großer Leidenschaft dabei meine Lieblingssongs auswendig zu lernen und hab dann später versucht eigene Tunes zu entwickeln.

Woher hast du deine Inspiration genommen?

Professor Nuts war einer der Artists, an denen ich mich anfänglich orientiert habe. Er erzählte Geschichten, anstatt einfach nur Tunes zu machen und seine Texte sind sehr humorvoll. Das hat mich als Kind beeindruckt. Levtennant Stichie und Papa San, Shabba Ranks und natürlich Buju Banton sind andere Artists, die mich beeinflusst haben, um nur ein paar zu nennen.

An welchem Punkt hast du dich dann dazu entschieden deine Karriere als Artist professionell anzugehen?

Es war quasi ein natürlicher Prozess. Ich bin mit Spragga Benz‘ Neffen zur Schule gegangen. Durch ihn habe ich Spragga kennen gelernt. Im Sommer 1999 hat er mich Danavon Germain von Penthouse und noch einigen anderen Produzenten vorgestellt. Durch diese Verbindungen habe ich die Gelegenheit bekommen meinen Traum zu verwirklichen. Ich habe damals ständig davon geträumt ein berühmter Künstler zu werden und vor einem großen Publikum aufzutreten.
Es ist schon eine Weile her, seit ich das letzte Mal mit Spragga zusammen gearbeitet habe, aber wir bleiben in Verbindung. Eins ist sicher, er hat einen großen Teil dazu beigetragen, dass ich der Artist werden konnte, der ich heute bin und dafür werde ich immer dankbar sein.

Du bist dafür bekannt zur Zeit einer der vielseitigsten Dancehall-Artists zu sein. Was macht deinen Style so besonders?

Ich höre nie auf zu lernen, wenn es um Musik geht. Ich stelle große Ansprüche an mich selbst und ich suche immer wieder neue Herausforderungen. Ich bin nie ganz damit zufrieden, was ich gerade mache, deswegen versuche ich mich permanent zu verbessern. Je mehr ich also dazu lerne und je mehr neuen Aufgaben ich mich stelle, desto vielseitiger werde ich.

Angefangen hast du unter dem Künstlernamen ‚Assassin‘, vor einiger Zeit hast du dann damit angefangen ‚Agent Sasco‘ als zweiten Namen parallel zu verwenden. Hast du Assassin inzwischen ganz aufgegeben?

Die beiden Namen stehen für zwei verschiedene Identitäten. Assassin steht für Hardcore Dancehall und letzten Endes ist das die meiste Zeit meiner Karriere über meine Identität gewesen. Deswegen werde ich ihn nie ganz aufgeben. Agent Sasco hingegen steht mehr für Substanz, für Songs mit kritischen und tief gehenden Inhalten. Am Ende geht es mir darum damit meine Vielseitigkeit auszudrücken. Beide Namen stehen jeweils für ein bestimmtes Image, damit die Leute wissen, was sie von meiner Musik zu erwarten haben. It‘s like Coke and Diet Coke. You know exactly what you‘re gettin‘. (lacht)

In einem anderen Interview habe ich gelesen, dass du dem Hip Hop Hype, der sich zu Zeit in der Dancehall-Szene ausbreitet nicht folgen willst. Was ist der Grund dafür?

Wir haben eine Kunstform, die ihre eigene Identität hat. Natürlich hat es Vorteile sich auf dem globalen Markt den Trends anzupassen, doch wir müssen dabei aufpassen, dass wir uns nicht selbst verlieren. Dancehall und Reggae haben weltweit Potenzial. Es hat sich gezeigt, dass viele Menschen genau diese Art von Musik wollen, deswegen haben wir es nicht nötig fremde Einflüsse zu übernehmen. Hip Hop ist eine nordamerikanische Sache. Wir haben unsere eigenen Style, warum sollten wir den für etwas anderes aufgeben?
Menschen aus höher entwickelten Ländern als Jamaika kommen hierher, um sich zu entspannen, um am Stand abzuschalten und den Flair der Karibik zu genießen. Wenn wir alle Strände mit Häusern zupflastern würden, würden bald keine Touristen mehr kommen. Ähnlich ist es beim ‚Musik-Tourismus‘. Die Leute verbinden mit Jamaika Reggae und Dancehall und genau das sollten wir ihnen geben.

Aber wäre es nicht einfach Hip Hop zu benutzen, um Jamaika und seine Musik bzw. Kultur weltweit bekannt zu machen?

Nein. Das Argument ist berechtigt, aber würde man Hip Hop benutzen, um Jamaika bekannt zu machen, wäre man nur ein anderer Hip Hop-Artist. Bob Marley hat Reggae über die ganze Welt verbreitet und das in mehr oder weniger nur drei Jahren. Er hat das mit reiner Reggae-Musik geschafft, ohne dabei irgendwelche Kompromisse einzugehen. Für mich als Artist wäre es kontraproduktiv, mich als etwas darzustellen, was ich nicht bin. Damit kann man dauerhaft keinen Erfolg haben. Sean Paul hatte seine größten Erfolge mit reinen Dancehall Alben, was zeigt, dass Dancehall-Musik weltweit als das geschätzt wird, was sie ist. Auf der anderen Seite hat es keiner der Hip-Hop-was-auch-immer-ähnlichen-Artists geschafft weltweit wirklich erfolgreich zu werden.

Man hat das Gefühl, dass du dich aus den meisten Dingen, die in der Dancehall-Szene vorgehen, die Gewaltverherrlichung, Bleaching, Rivalitäten zwischen verschiedenen Artists etc., weitgehend raushältst. Wie siehst du die Dinge, die sich im Business abspielen?

Wie gesagt, ich habe mich seit jungen Jahren für Musik begeistert und ich bin nicht hier um möglichst viel Geld zu machen, nicht um jeden Preis. Klar ist das mein Beruf, der meine Miete bezahlen soll, aber ich denke, dass alle Akteure im Geschäft eine Verantwortung haben, sich selbst gegenüber und gegenüber allen, die vor uns kamen. Dancehall des Hypes wegen vor die Hunde gehen zu lassen, ist meiner Auffassung nach ein Schlag ins Gesicht derer, die für uns das musikalische Fundament gelegt haben. Wir sollten uns lieber Gedanken darum machen, wie wir Dancehall weiter voranbringen können. Jedoch passiert es viel zu oft, dass Artists egoistisch werden und sich nur um ihren schnellen Erfolg sorgen. Popularität wird dabei vor Substanz gestellt und darunter leidet die Qualität der Musik. Heute kannst du ein Top-Artist sein, ohne die Songs zu haben, die dich zu einem Top-Artist machen.

Es geht eher darum, wie du dich präsentierst, wenn du gerade nicht Musik machst, aber was ist mit deinem Können als Künstler? Was ist mit der Qualität deiner Auftritte? Wie gut sind deine Songs geschrieben?

Ich bin der Meinung, dass man immer ehrlich zu sich selbst sein sollte. Ich bin meinen Werten immer treu geblieben und ich werde mich nicht für irgendeinen Hype verkaufen. An dem Tag, an dem es ausschließlich noch darum geht Trends zu kreieren und den nächsten Hype zu erhaschen, bin ich bereit mein Handwerk niederzulegen. Ich respektiere diese Kunstform einfach zu sehr, als dass ich mich der Art reduzieren würde.

Vvbz Kartel hat vor kurzem in einem Interview gesagt, dass er es ablehnt jegliche Verantwortung für die Dinge, die Fans auf Grund seiner Handlungen (z.B. Bleaching) tun, weil er ein Entertainer sei und keine Form von sozialer Führungspersönlichkeit. Siehst du das genau so?

Ich weiß nicht, in welcher Situation er sich gerade befindet, aber ich weiß, dass wir alle die Verantwortung als Menschen haben. Egal ob du Arzt, Klempner oder Artist bist. Jeder sollte die eigenen Handlungen reflektieren und für sie Verantwortung übernehmen. Zu wissen, dass die eigenen Handlungen negative Auswirkungen auf andere haben können und dann zu sagen „das ist nicht meine Schuld, ich bin nur ein …“, ist verantwortungslos. Als Artist hat man einen großen Einfluss, besonders auf die jungen Fans, deswegen sollte man sich genau überlegen, wie man sich in der Öffentlichkeit präsentiert. Letzten Endes müssen wir alle eines Tages für unsere Taten Rechenschaft ablegen.

Du singst nicht über Ganja und über‘s Marihuana rauchen in deinen Songs. Heißt das, dass du selber nicht rauchst?

Ich rauche selbst nicht, deswegen singe ich auch nicht wirklich darüber. Ich habe jedoch schon einige Tunes, in denen Ganja rauchen vorkommt. Nicht jedes Wort, das ich singe, ist autobiografisch. Viele meiner Fans rauchen Weed und sie wollen sich in meinen Tunes wiederfinden können. Es ist Teil des Lebens und deswegen auch Teil meiner Musik.

Es scheint auch Teil der Kultur zu sein. Denkst du, dass Ganja deswegen legalisiert werden sollte?

Ich denke nicht, dass es dabei um Kultur geht. Wenn es um das Thema Ganja geht, ist auch immer viel Heuchelei im Spiel. Marihuana ist vielseitig einsetzbar. Ich denke, dass viele der Gefahren, die mit Marihuana verbunden sind, daher kommen, dass es illegal ist. Das gleiche kann man über die Prohibition von Alkohol damals in den USA sagen. Als Alkohol damals verboten wurde, zog das eine Reihe von Verbrechen nach sich, die weitaus verheerender waren als die negativen Wirkungen von Alkohol selbst. Auf der anderen Seite kann der Konsum von Alkohol schlimmere Folgen haben als das Rauchen von Weed, wenn man zum Beispiel an die vielen Verkehrsunfälle denkt, die durch Alkohol verursacht wurden und trotzdem ist er legal.
Ich weiß nicht, was die genauen Argumente sind, warum Marihuana verboten wird. Mein Argument dagegen wäre jedoch, dass es so viele andere Dinge sind, die weitaus schädlicher sind und trotzdem kann man sie legal erwerben. Zigaretten sind das einzige Produkt, auf dem steht, dass der Konsum tödlich ist, und man kann sie überall kaufen.
Ich denke, die Leute, die für die Legalisierung von Marihuana eintreten, sollten ihre Argumente gut überlegen und dann für die Legalisierung kämpfen.

Auf Jamaika fangen viele Kinder schon sehr früh mit den Ganja rauchen an. Würde die Legalisierung es ihnen dann nicht noch einfacher machen?

Es gibt auch zahlreiche Kids, die früh anfangen Alkohol zu trinken. Ich sage nicht, dass es keine Probleme geben würde, wenn Marihuana legal wäre, doch genau die gleichen Probleme gibt es auch jetzt schon, wo es illegal ist. Die Frage ist, was besser wäre.

Du arbeitest gerade an einem neuen Album …

Ja. Ich arbeite daran das Projekt bis Sommer abschließen zu können, also in ca. zwei Monaten. Wir haben viel Zeit im Studio verbracht und könnten theoretisch noch diese Woche ein Album zusammenstellen, doch ich will mir die Zeit nehmen es richtig zu machen.
Es wird eine Mischung aus Reggae und Dancehall werden. Das Album wird also eine Mischung aus Agent Sasco und Assassin. Ich habe einen Song namens „Day in Day out“ zusammen mit Dean Fraser aufgenommen, den ich für sehr vielversprechend halte. Der Tune ist sehr powervoll. Ich will jedoch nicht zu viel verraten, bevor die ganze Sache steht.

Ich hab gelesen, dass deine Fans einen Namen für das Album vorschlagen können, wie bist du auf diese Idee gekommen?

Ich hab ein Radiointerview gegeben und der Interviewer hat vorgeschlagen, die Fans dazu einzuladen einen Namen für das Album zu finden. Das war eine brillante Idee. Jetzt kann jeder auf Facebook oder Twitter einen Namen vorschlagen. Bis jetzt haben wir noch keinen Namen gefunden, aber sobald das der Fall ist, werden wir unsere Entscheidung bekannt geben.

Nächsten Monat wirst du durch Europa touren. Freust du dich darauf?

Ja, auf jeden Fall, auch wenn die Tour noch nicht zu 100% steht. Ende April werden ich auf jeden Fall in England sein und danach wahrscheinlich zwei Wochen im Rest von Europa. Ich werde auch nach Deutschland kommen. Das letzte Mal war ich 2007 in Deutschland und es hat mir gefallen.
Ich will dann auch auf jeden Fall im Sommer zurückkommen, wenn das Album fertig ist, um auf den großen Festivals aufzutreten.

Vielen Dank für das Interview.

Info und Bilder:
www.facebook.com/AssassinAgentSasco

www.myspace.com/assassinagentsasco

www.assassinweb.com

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