Mittwoch, 2. März 2011

Hanföl und Endocannabinoide

Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin

Öl aus Hanfsamen ist ein bekannter Nahrungsmittellieferant für Omega-3-Fettsäuren, denn es enthält mit 15 bis 25 Prozent einen hohen Anteil an Alpha-Linolensäure, eine Omega-3-Fettsäure. Viele Wissenschaftler haben in jüngerer Zeit darauf hingewiesen, dass unsere Nahrung vergleichsweise wenige Omega-3-Fettsäuren und zu viele Omega-6-Fettsäuren enthält. So schrieben Forscher des bekannten INSERM-Instituts in Frankreich in einem kürzlich erschienenen Artikel für eine Fachzeitschrift (Nature Neuroscience), dass ein lebenslanger Mangel an Omega-3-Fettsäuren bei Mäusen zu Veränderungen im Bereich der Endocannabinoide und der Cannabinoid-1-Rezeptoren führt, die das emotionale Verhalten beeinträchtigen. Dies ist nicht die einzige Studie, die nahe legt, dass die Funktion des Endocannabinoidsystems durch unsere Nahrung beeinflussbar ist. Dies stellt einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen Hanföl und Endocannabinoiden her.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden auf einer recht schwachen Datenbasis Fette mit einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren, wie zum Beispiel Butter oder Schweineschmalz als ungesund denunziert. Dies geschah zugunsten von Pflanzenölen, wie beispielsweise Sonnenblumenöl und Rapsöl. Da diese Öle bei Zimmertemperatur flüssig sind, musste ein Verfahren entwickelt werden, um sie in einen festen Zustand zu bringen und daraus einen streichbaren Brotaufstrich bzw. Butterersatz herzustellen. Dazu wurden die normalen ungesättigten cis-Fettsäuren in so genannte trans-Fettsäuren umgewandelt. Ganz einfach ausgedrückt, weisen die natürlichen cis-Fettsäuren im Bereich ihrer Doppelbindungen zwischen zwei Kohlenstoffatomen einen Knick auf, während trans-Fettsäuren wie gesättigte Fettsäuren gestreckt (ohne Knick) sind. Gerade viele ernährungsbewusste Menschen sind auf diese Margarinen, die gehärtete ungesättigte Fettsäuren (das heißt trans-Fettsäuren) enthalten, umgestiegen und haben sich damit vermutlich keinen Gefallen getan. Die meisten ungesättigten Fettsäuren in Pflanzenölen sind Omega-6-Fettsäuren, wie beispielsweise Linolsäure. Die Folge der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte war eine vergleichsweise hohe Aufnahme von Omega-6-Fettsäuren und eine vermehrte Aufnahme gehärteter trans-Fettsäuren, die sich nicht nur in Margarine, sondern auch in vielen Fertigprodukten, wie beispielsweise Keksen, befinden. Die typische Nahrung der westlichen Gesellschaften enthält heute 10- bis 30-mal mehr Omega-6 als Omega-3-Fettsäuren. Empfohlen ist ein Verhältnis von 2 zu 1 bis 4 zu 1.

Wozu führt eine zu hohe Menge an Omega-6-Fettsäuren im Vergleich zu Omega-3-Fettsäuren? Beide sind Ausgangsstoffe für Botenstoffe im Gewebe, wie auch Endocannabinoide. Bei einem zu hohen Anteil an Omega-6-Fettsäuren werden vermehrt entzündungsfördernde anstelle von entzündungshemmenden Botenstoffen gebildet. Zu den gesundheitlichen Nachteilen von trans-Fettsäuren, die aus cis-Fettsäuren, vor allem durch Erhitzung entstehen, ist bisher noch nicht sehr viel bekannt. Der Körper baut sie beispielsweise wie cis-Fettsäuren in die Hülle von Zellen (Zellmembranen) ein. Aufgrund ihrer Struktur geht man aber davon aus, dass sie sich anders als die natürlichen cis-Fettsäuren verhalten, sodass sich auch das Verhalten der Zellmembranen verändert.
Klinische Studien haben gezeigt, dass Omega-3-Fettsäuren entzündungshemmende Wirkungen beispielsweise bei der Colitis ulzerosa ausüben. Allerdings wurden diese Studien meistens mit langkettigen Fettsäuren aus Fischöl durchgeführt, und es ist unklar, in welchem Umfang diese Ergebnisse auf die Alpha-Linolensäure des Hanfes übertragen werden können. Nur ein kleiner Teil der aufgenommen Alpha-Linolensäure wird zu den langkettigen Omega-3-Fettsäuren, wie Eicosapentaensäure oder Docosahexaensäure umgewandelt. Diese Umwandlung wird zusätzlich bei Diabetes, Übergewicht, Koffeinkonsum, Alkoholkonsum und Vitaminmangel verringert. Auch eine zu hohe Menge an Omega-6-Fettsäuren verringert die Umwandlung der Alpha-Linolensäure in langkettige Omega-3-Fettsäuren, die sich bereits im Fischöl finden.
Wie sollte also eine sinnvolle Ernährung mit Fetten heute aussehen?

Darauf kann ich hier nur eine vorläufige Antwort nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft geben.
Nicht alle gesättigten Fettsäuren sind „böse“ Fettsäuren. Sie unterscheiden sich in kurzkettige, mittelkettige und langkettige Fettsäuren. Vor allem die Muttermilch enthält viele mittelkettige gesättigte Fettsäuren. Diese scheinen auch gut für die Ernährung von Erwachsenen zu sein. Kokosfett und Palmkernfett sind besonders reich an der mittelkettigen Fettsäure Laurinsäure. Aber auch Butter, also Milchfett, enthält neben einem großen Anteil an langkettigen gesättigten Fettsäuren (zum Beispiel Palmitinsäure) einen gewissen Anteil an mittelkettigen Fettsäuren.

Vorsicht vor trans-Fettsäuren. Diese finden sich beispielsweise in Margarine (meistens steht darauf: z.T. gehärtet) und vielen Fertigprodukten. Sie müssen gehärtet werden, weil sie sonst flüssig wären. Es geht aber auch gute Margarinen, die zur Festigung Kokos- oder Palmkernfett verwenden. Zum Backen und Braten sollten keine mehrfach ungesättigten sondern gesättigte Fettsäuren verwendet werden. Dazu zählt auch Hanföl. Toleriert werden kann Olivenöl, da es vor allem nur eine einfach ungesättigte Fettsäure (Ölsäure, Omega-9) enthält.

Reduzierung von Omega-6-Fettsäuren in der täglichen Ernährung. Besonders reich an Omega-6-Fettsäuren ist Sonnenblumenöl, aber auch die meisten anderen Pflanzenöle. Hanföl enthält ein vergleichsweise gutes Verhältnis von Omega-3- zu Omega-6-Fettsäuren von etwa 1 zu 3.

Zusammengefasst sollte eine ausgewogene Mischung von Fetten und Ölen in der Ernährung verwendet werden, wenn es geht, möglichst naturbelassen (zum Beispiel Nüsse oder kalt gepresste Öle). Auch gesättigte Fettsäuren gehören durchaus zu dieser Ausgewogenheit. Möglichst frische Fette und Öle verwenden. Leider lässt sich Ranzigkeit bei Pflanzenölen nicht so gut durch den Geschmack feststellen wie bei der Butter.

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