Franjo Grotenhermen ist Vorstand und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin
Erstmals wurde die Wirkung von Cannabis bei Patienten, die an der Parkinson-Krankheit (Morbus Parkinson) leiden, im Jahr 2002 an der Universität Prag in Tschechien untersucht. Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen geben keinen eindeutigen Aufschluss über die Wirksamkeit von Cannabis bei dieser Erkrankung. Die Hinweise nehmen aber zu.
Die Parkinson-Krankheit, früher auch als „Schüttellähmung“ bezeichnet, ist eine langsam fortschreitende degenerative Erkrankung des Nervensystems. Dabei sterben in einer bestimmten Region (Substantia nigra) Nervenzellen ab, die normalerweise den Botenstoff Dopamin produzieren. Die Erkrankung führt daher zu einem Dopamin-Mangel in dieser Hirnregion, was sich vor allem ungünstig auf die Funktionsweise der Muskulatur auswirkt. Letztlich kommt es zu einer Hemmung der motorischen Aktivierung der Hirnrinde. Die wichtigsten Symptome sind eine Muskelstarre (Rigor genannt), eine Verlangsamung der Bewegungen (Bradykinesie), Muskelzittern (Tremor) und eine Störung der Körperhaltung (posturale Instabilität). Daneben können weitere Symptome, wie beispielsweise Störungen der Psyche und der geistigen Leistungsfähigkeit vorliegen. Die Ursache der Erkrankung ist bei den meisten Patienten unbekannt.
Die Grundlage der Behandlung des Morbus Parkinson ist die Gabe des fehlenden Dopamins in Form von L-Dopa (Levodopa) oder die Aktivierung der Dopamin-Rezeptoren durch so genannte Dopaminagonisten. So wird das Dopaminangebot im Gehirn erhöht. Eine ursächliche Behandlung, die beispielsweise das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen könnte, ist bisher nicht bekannt. Seit Anfang der 90er Jahre wird auch sehr erfolgreich operativ ein „Hirnschrittmacher“ zur Stimulierung der motorischen Aktivität eingepflanzt. Alle Behandlungsmaßnahmen sind nicht ohne Risiko. Eine häufige und sehr belastende Nebenwirkung der Behandlung mit L-Dopa bzw. Dopaminagonisten sind so genannte hyperkinetische Bewegungsstörungen (L-Dopa-induzierte Dyskinesien), die schwer zu behandeln sind.
Bei der Studie an der Universität Prag wurden an 630 Parkinson-Kranke Fragebögen verschickt, von denen 339 zurückgeschickt wurden. Von den Patienten, die an der Umfrage teilnahmen, gaben 25 Prozent an, Cannabis aus therapeutischen Gründen zu verwenden. Die meisten hatten ihn oral eingenommen, entweder als frische oder als getrocknete Blätter. Etwa die Hälfte (46 Prozent) der Patienten, die Cannabis ausprobiert hatten, gab an, dass die Symptome ihrer Parkinson-Erkrankung allgemein gelindert worden sei. Gebessert wurden das Muskelzittern (bei 31 Prozent), die Bewegungsverlangsamung (bei 45 Prozent), die Muskelstarre (38 Prozent) und bei einigen die Bewegungsstörungen, die durch Levodopa verursacht worden waren. Die Verbesserungen traten im Durchschnitt 1,7 Monate (also etwa 7 Wochen) nach Beginn der Cannabistherapie ein. Patienten, die Cannabis mindestens drei Monate lang verwendet hatten, gaben häufiger einen Behandlungserfolg an als Patienten, die die Droge nur vergleichsweise kurz ausprobiert hatten.
Zwei klinische Studien, eine zwölfwöchige Untersuchung aus dem Jahr 1998 mit dem synthetischen THC-Abkömmling Nabilon bei 24 Patienten und eine vierwöchige Studie aus dem Jahr 2004 mit 19 Patienten, die einen Cannabisextrakt erhalten hatten, ergaben keinerlei positive Effekte auf die Symptome der behandelten Parkinson-Kranken. Möglicherweise war die Behandlungs- bzw. Beobachtungsdauer zu kurz, um eine therapeutische Wirkung erzielen zu können. Bei anderen Erkrankungen tritt ein Therapieerfolg mit THC oder Cannabis überwiegend innerhalb und Stunden oder Tagen ein, sodass der Morbus Parkinson in dieser Frage möglicherweise ein Sonderfall ist.
Im letzten Jahr ergab eine italienische Studie, dass die Spiegel des körpereigenen Cannabinoids Anandamid im Nervenwasser von Patienten mit der Parkinson-Krankheit im Vergleich zu gesunden Personen mehr als verdoppelt waren. Nach einer Therapie mit Levodopa normalisierten sich diese Spiegel. Die Wissenschaftler vermuteten, dass die Zunahme der Anandamid-Konzentration einen kompensatorischen Mechanismus darstellt, der im Verlauf der Erkrankung auftritt und auf eine Normalisierung des Dopamin-Mangels abzielt – also eine Art Selbstheilungsversuch des Körpers.
Eine Ärztin hat mir vor einiger Zeit von einer erfolgreichen Behandlung eines ihrer Patienten mit THC berichtet. Auch bei diesem Parkinson-Kranken trat die Wirkung erst nach mehreren Wochen ein, als schon überlegt worden war, die Therapie abzubrechen. Es gibt also Hinweise, dass eine Therapie mit THC bzw. Cannabis durchaus versucht werden kann. Allerdings braucht man offenbar Geduld, bevor eine mögliche Wirkung eintritt.