Dienstag, 11. Januar 2011

Psychoaktive Pflanzen unserer Heimat

Teil 3: Die Gelbe Teichrose

Im dritten Teil meiner Serie präsentiere ich ein eher unbekanntes, dafür aber wirksames Entheogen. Da ich die Auswahl der Pflanzen auf solche beschränkt habe, die auch tatsächlich in Mitteleuropa heimisch sind, kommt unter den Seerosen nur eine in Frage: die Gelbe Teichrose Nuphar lutea. Auf den Fotos zeige ich allerdings auch eine Zuchtform einer Nymphaea-Art, einer anderen Seerosen-Gattung. Keine einheimische Wildpflanze, sondern ein Kultivar. Dennoch kann man sie häufig finden. Die Wirkungen beider Seerosen sind analog.

Botanik
Nuphar lutea ist eine bis zu drei Meter breite, auf der Gewässeroberfläche stehende, mehrjährige Seerose. Sie bildet herzförmig-ovale, langgestielte, bis 30 Zentimeter lange und bis zu 20 Zentimeter breite Blätter aus und trägt eine gelbe Blüte. Die Frucht ist birnenförmig. Die Blütezeit der Pflanze ist von Juni bis September. Die einzig weitere Nuphar-Art ist Nuphar japonica DC., die analoge Inhaltsstoffe aufweist und in Japan sogar als Sedativum und Schlafmittel gebraucht wird (Rätsch 1998: 395).

Wirkstoffe
Nupharin, beta-Nupharidin, Desoxynupharidin, Metarabinsäure, Gerbstoffe, u.a.

Geschichte
Um Nuphar lutea rankt sich eigenartigerweise keine großartige Historie, wenigstens keine Überlieferte. Das verwundert insofern, als dass alle anderen Seerosen von unglaublicher Magie umwoben und von enormer volkstümlicher Bedeutung sind. Gerade im religiösen Bereich. Dioskurides kannte und beschrieb die Gelbe Seerose als „Andere Seerose“. Volksmedizinisch wurde Nuphar lutea in der Frauenheilkunde eingesetzt, außerdem als Anaphrodisikum (das Gegenteil von Aphrodisiakum – also ein Mittel, das sexuelles Verlangen unterdrückt), Sedativum (Beruhigungsmittel) und Kardiotonikum (herzkraftsteigerndes Pharmakon) gebraucht (Grieve 1982), homöopathisch wird Nuphar bis heute bei sexuellen Beschwerden verwendet. „Goris und Crete veröffentlichten 1910 die Isolation einer neuen Substanz aus Nuphar luteum (…), die sie Nupharin nannten. Die neue Entdeckung lag allerdings ungenutzt in der Schublade bis 1941 die weltweit wichtigsten Opiumquellen gefährdet und verloren waren. Frühere Forscher verbreiteten das Gerücht, dass verschiedene Seerosen als Opiumersatz dienen konnten. Delphaut und Balansard beschrieben im gleichen Jahr ihre Experimente mit Seerosen. Mit den pulverisierten und in Alkohol eingelegten Wurzeln von Nymphaea alba waren sie in der Lage, einen tiefen und profunden Schlaf bei Mäusen, bei Hunden und bei Aalen (…) zu verursachen.“ (Emboden 1977)

Verwendung
Eigentlich wird das Rhizom gemörsert und in Rotwein eingelegt. Als deutlich effektiver, besser zu handhaben und praktischer erweist sich das Rauchen der getrockneten Blütenblätter, Blätter und der Kapselfrucht.
Der Amerikaner Tao Jones schreibt über seine Experimente mit der verwandten Nelumbo nucifera (Lotus): „Ich drehte mir eine Zigarette aus dem getrockneten, zerbröselten Material und rauchte diese. Es rief Euphorie und Klarheit hervor – ähnlich wie Cannabis, aber ohne die körperlichen Effekte oder mentale Getrübtheit“ (Jones 2002a). In einem zweiten Artikel schreibt Jones: „Das Rauchen der Blüten, egal welcher Spezies, hatte eine ausgeprägtere und sofort einsetzende Wirkung, an welche man sich erst einmal gewöhnen muss, um sie voll genießen zu können. Meiner Meinung nach kommt die volle ‚Verträumtheit’ der Pflanze mehr zur Geltung, wenn sie geraucht wird“ (Jones 2002b). Allerdings bezieht Jones sich auf Arten der Gattungen Nymphaea und Nelumbo. Deshalb ergänzt er: „Eine private Nachricht (…) erwähnt die Wirksamkeit der Nuphar-Spezies. Da ich noch keine Gelegenheit hatte, diese Pflanzen zu untersuchen, vertraue ich [den] Ergebnissen“ (Jones 2002b).

Wirkung
Nuphar lutea soll laut Literaturangaben opiumähnlich wirken. Allerdings ist nirgendwo vom Rauchen der Pflanze die Rede. Gerauchte Nuphar lutea wirkt wie andere Seerosen der Gattung Nymphaea eindeutig psychoaktiv, eher stimulierend und aufhellend als dämpfend.
Christian Rätsch beruft sich in seiner Enzyklopädie auf die Autoren Goris und Crete: „Nupharin soll opiumartige Wirkungen haben und tranceähnliche Zustände hervorrufen.“ (Rätsch 1998: 395; Goris et Crete 1919). Er schreibt weiterhin, dass im Tierversuch papaverin- bzw. atropinanaloge Wirkungen beschrieben wurden. Auf den Menschen übertragen kann ich das Behauptete nicht bestätigen.
Gefahren & Nebenwirkungen
Tatsächliche Nebenwirkungen sind unbekannt. Der Inhaltsstoff Desoxynupharidin kann zu einer Hypertonie (Bluthochdruck) führen.

Rechtslage
Alle Seerosen stehen in Deutschland unter Naturschutz. Sonst unterliegt die Pflanze keinen Bestimmungen. Nuphar lutea ist im Gartenfachhandel erhältlich.

Literatur:
Emboden, William A. (1977), The Sacred Narcotic Lily of the Nile: Nymphaea coerulea Sav, Economic Botany 33(1): 395-407
Goris, A.; Crete, L. (1919), Sur la nupharine, Bulletin de Science et Pharmacologie 17: 13-15
Grieve, M. (1982), A Modern Herbal, New York: Dover
Jones, Tao (2002a), Das Land der Lotusraucher, Entheogene Blätter 3: 24-26; Übersetzung aus: The Entheogen Review Vol X #4: 125-126
Jones, Tao (2002b), Lilie und Lotus, Entheogene Blätter 7: 20-24
Rätsch, Christian (1998), Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen, Aarau: AT Verlag


Zuchtform einer Nymphea Art

Steckbrief
Gelbe Teichrose Nuphar lutea (L.) SIBTH. et SM.

Familie:
Nymphaeaceae (Seerosengewächse)

Synonyme:
Nenuphar luteum nom. nud., Nuphar advena (AITON) AITON f., Nuphar luteum SMITH, Nuphar microphylla BEAL, Nymphaea lutea L., Nymphaea luteum S. SM.

Trivialnamen:
Amello, American spatterdock, Andere Seerose, Cape fear spatterdock, Carfano maschio, Gael Seebluomen, Geel Seeblume, Gelbe Teichrose, Gelbe Seerose, Gelbe Teichrose, Gelbe Wasserlilie, Gelber Mummel, Gele plomp (niederl.), Madonais, Mummel, Nailufar (arab.), Nunufero, Nenuphar, Ninfea, Ninfea gialla (ital.), Ninupharo, Nuphar jaune, Nuphara, Nymphe minor, Nymphon, Pond lily, Seeblume, Seekandel, Spatterdock, Teichmummel, Teichrose, Yellow waterlily u.a.

Vorkommen:
Europa, Amerika, Asien. Selten in sehr langsam fließenden, hauptsächlich in stehenden nährstoffreichen Gewässern. Bis 1,5 Meter Tiefe.

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