exzessiv on Tour
Berlin Hauptbahnhof, 7:45:
Die letzen Vorbereitungen für die exzessive Tour in die Hauptstadt der Tschechischen Republik sind erledigt, jetzt schnell noch zum Ticketautomaten und rein in den EuroCity Richtung Prag. Der Kollege marker möchte zusammen mit mir einen exzessiv.tv-Beitrag zur Cannabizz in Prag drehen. Die Cannabizz wird die erste Hanfmesse sein, die unsere süd-östlichen Nachbarn vom 17.-19.9. 2010 erleben dürfen- und wir sind mit dem Hanf Journal, dem Konoptikum, dem Spliff und der Konoplyana Pravda selbstverständlich auch dabei.
So ist das exzessiv Team schon einmal voraus gefahren um ein wenig mehr über die Messe zu erfahren und natürlich um sich ein Bild vom „Drogenparadies Tschechische Republik“ (Zitat „Die Welt“) zu machen. Dazu vorab: Tschechien ist alles andere als ein Drogenparadies. Der Besitz von illegalisierten Drogen ist weiterhin strafbar und wird bei Geringen Mengen, ähnlich wie in Deutschland, mit einer Geldbuße belegt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass es sich bei Mengen für den eigenen Bedarf (siehe Seite 2, exzessiv.tv, Folge 163 für weitere Details) um keine Straftat mehr handelt, sondern lediglich eine Ordnungswidrigkeit darstellt, die aber mit bis zu 570 Euro geahndet werden kann. So steht es im Gesetz. Wie das in der Realität aussieht, haben wir uns dann ab
13:30, Bahnhof Prag / Holešovice
angesehen.
Wir werden von Petr, dem Chefredakteur unserer Schwesterzeitschrift „Konoptikum“ , standesgemäß in einem 20 Jahre alten Daimler samt Fahrer Marek abgeholt. Nachdem das Auto sicher vor dem Hotel in der Innenstadt geparkt ist, kramt Marek eine schöne, fette Blüte „Nebula“ aus der Tasche und fängt an zu bauen. Offen und unverkrampft, zum Rauchen bleiben wir einfach auf dem Gehsteig stehen. Auf meine Frage hin, was passieren würde, wenn jetzt ein Cop vorbeikäme, lachen unsere beiden Begleiter: „Nichts.“
Später erfahren wir, dass die Polizei nur dann etwas gegen Konsumenten unternimmt, wenn sie zu provozierend auftreten. Aber im Prinzip kann man in Prag unbehelligt mit einer Tüte in der Hand spazieren gehen.
Das tun wir dann auch und bewegen uns in Richtung Innenstadt; um auch die eine oder andere Sehenswürdigkeit der Metropole mitzunehmen. Leider ist das große Reiterdenkmal des Nationalhelden Jan Zizka auf dem Veitsberg gerade verhüllt, aber was soll‘s: Von hier aus bietet sich die beste Aussicht auf die Prager Altstadt mit Schloss, Karlsbrücke, Wenzelsplatz und all den anderen Sehenswürdigkeiten, mit denen Prag ja reichlich aufwarten kann.
Die Innenstadt kommt morgen dran, heute ist gerade noch Zeit zum Essen und für‘s WM-Halbfinale Niederlande vs. Uruquay, das wir uns in einer „einschlägigen“ Kneipe ansehen wollen. Das Essen ist gut (bürgerlich) und wirklich günstig. Selbst im Restaurant ist das Bauen einer Tüte, die wir für den Weg ins Prager Kneipenleben drehen, kein Problem- wir sind nicht die Einzigen. Auf die Idee, die Tüte dann auch dort anzuzünden, sollte man besser nicht kommen. Eine der ungeschriebenen Regeln tschechischer Konsumentenfreundlichkeit.
Nach dem Essen geht es dann in ein Cafe im Stadtteil Zizkov. Zizkov hat den Flair vom Prenzlauer Berg der 1990er Jahre, ohne dabei auf irgendeine Weise rückständig oder rückwärts gewandt zu wirken. Eine hohe Kneipendichte und nur notdürftig sanierte Häuser ein wenig abseits der Touristenströme sowie Galerien, Cafes und alternative Projekte sowie eine Menge Vietnamesischer Geschäfte verleihen diesem Stadtteil eine besonderen Flair. Gleich im ersten, zufällig ausgewählten Cafe läuft feinster Drum’n’Bass und am Nachbartisch wird Pilsner Urquell vom Fass getrunken und heftig gegrast. Es riecht wie im Coffeshop und als Petr seine Papers auspackt, fragt ihn die Bedienung nach einem Stücken seiner Zigarette. Aha. Auf meine Frage hin, ob denn hier auch verkauft werde, erklärt mir Petr: „Nein. Der Konsum ist zwar in vielen Kneipen und Cafes geduldet, bekommt die Polizei aber Wind davon, dass verkauft wird, schreitet sie sofort ein. Deshalb findest du kaum Cafes, die verkaufen. Und wenn doch, dann sind sie innerhalb von drei Wochen wieder zu.“ „Eigentlich wie in Berlin“ denke ich.
Weiter geht es um die Ecke zur Fussballübertragung. Die Kneipe mit Großbildleinwand bietet sogar lange Papers zum Verkauf und einen Grinder zum Verleihen an. Fast alle Gäste bauen sich eine Tüte, die gemütlich während der ersten Halbzeit gepafft wird. Die Atmosphäre ist offen und angenehm, ähnlich wie in einen Coffeeshop. Allerdings wird hier weitaus mehr Bier zu sagenhaft niedrigen Preisen getrunken. Mischkonsum ist nicht so das Ding des exzessiv-Teams, also halten wir uns an die lecker-eklige Ost-Brause, die es in Prag immer noch an jeder Ecke gibt.
Nach dem Spiel werden wir von unseren Tischnachbarn noch heftigst eingeladen. Natürlich sind wir voll des Lobes über die relative Freiheit tschechischer Hanfkonsumenten und so wird die Nacht noch lang, bis wir todmüde ins Hotelbett fallen…..
Nächster Morgen, 10 Uhr, Wenzelsplatz
Bevor wir uns am Nachmittag die Messehalle der Cannabizz anschauen, müssen wir noch ein paar Sehenswürdigkeiten mitnehmen. Unser Weg führt uns vom Wenzelsplatz zur Moldau und dann per Treetboot in Richtung Karlsbrücke. Die neue Perspektive bietet im Vergleich zu den sommerlichen Touristenmassen bei 32 Grad Abwechslung und Ruhe.
Danach treffen wir uns wieder mit Petr und mit der Besichtigung des „Alten Platzes“ und dem Letná Plateau endet die Sightseeing Tour. Der Letná Plateau ist ein schön gelegener Park über der Altstadt, auf dessen Spitze ein Riesen-Metronom steht. Hier trifft sich die Skater-Szene Prags und das Riesen-Metronom bietet die meditativste Aussicht auf die historische Altstadt, inklusive Biergarten.
Das Prager Schloss mit Kathedrale
Prag/Karlin, 16:00:
Ja wo ist bloß die Messe? Wir haben leider nur die Adresse der ehemaligen Fabrik von „Dukla“, dem größten Landmaschinenhersteller der ehemaligen Tschechoslowakei. Zum Glück ist die riesige Halle auch ohne große Ortskenntnis leicht zu finden, liegt sie doch direkt am Fuße des Veitsbergs-Parks (der mit dem Nationalmuseums mit dem verhüllten Nationalhelden) und ist so auch zu Fuß vom Prager Zentrum zu erreichen. Die Halle an sich bietet ausreichend Platz und hat den speziellen Flair eines umfunktionierten Industriedenkmals. Die Parkplatzsituation ist sehr entspannt, und auch die Nähe zum Stadtteil Zizkov mit all seinen Hotels und Kneipen ist für den potentiellen Hanf- Messebesucher ein wichtiges Argument, das Wochenende vom 17.-19. September in Prag zu verbringen.
Am Abend landen wir wieder im gleichen Etablissement wie tags zuvor, schließlich gibt es das zweite Halbfinale: Spanien vs. Deutschland. Der Rest ist Schweigen.
Letzter Tag, Prag / Zizkov 10:00Uhr
Heute lassen wir das unerträgliche Hotelfrühstück aus und treffen uns stattdessen mit Manio, dem Organisator der Cannabizz. Manio garantiert mit Unterstützung vom growshop.cz sowie einer Menge anderer Produzenten und Anbieter aus der Hanfbranche den reibungslosen Ablaufs des Drei-Tage Events. Auf unsere Frage, wie die Behörden und die Polizei auf die Ankündigung dieser eher ungewöhnlichen Ausstellung reagiert haben, antwortet er: „ Die haben erst gedacht, wir wollten einen Cannabis Cup wie in Amsterdam machen. Aber nachdem wir das Konzept präsentiert haben (Fokus auf Hanf als Medizin, Nutzhanf und Grow, kein Cup, kein Verkauf von Cannabis) waren die Bedenken fast ausgeräumt. Mit der Raucherei haben wir auch einen guten Kompromiss gefunden, das Messegelände wird über spezielle Rauchbereiche verfügen (Restaurant, Business Lounge, Café). Ansonsten herrscht überall Rauchverbot. Wir planen sogar eine Vorführung über die Herstellung von medizinischem Hanföl, leider müssen wir dafür Nutzhanf nehmen. Aber es geht ja darum, den Leuten zu zeigen, wie man‘s macht. Ich denke, Nutzhanf ist ein guter Kompromiss.“
Manio erzählt uns noch, dass Hanf jetzt in der Tschechischen Republik ganz groß im Kommen sei und man sogar im Radio Werbespots für Hanfsamen zu hören bekäme, und entsprechend groß sei auch das Feedback für die erste Hanfmesse in Prag. Wir freuen uns mit Manio und wünschen der Cannabizz viel Erfolg.
Prag / Hauptbahnhof 15:00
Zum Glück gilt die Deutsche BahnCard in der Tschechischen Republik, umgekehrt ist das wohl kaum der Fall. Ausgestattet mit einem gültigen Ticket sitzen marker und ich nach drei exzessiven Drehtagen vor dem Bahnhof und genießen die letzte Sportzigarette unseres Aufenthalts. Dann wandern Billig-Grinder, Long Papers und Filtertips in den Müll: Man kennt ja die netten Jungs von der Bundespolizei im Grenzgebiet zu Tschechien von früheren Begegnungen. Keine Utensilien – kein Anfangsverdacht. Gute Reise.
Cannabizz
international hemp fair
Prag vom 17.-19. Sept 2010
Thámova Hallen, Prag 8 – Karlín.
Öffnungszeiten
Freitag 17. September 2010: 11.00 – 20.00
Sonnabend 18. September 2010: 11.00 – 20.00
Sonntag 19. September 2010: 10.00 – 19.00.
Tickets
Tagesticket: 100 CZK (EUR 4,-) im VVK (www.Cannabizz.cz oder bei allen teilnehmenden Shop-Sponsoren), 150 CZK (EUR 6,-) an der Tageskasse.
Dreitagesticket: 200 CZK (EUR 8.-) im VVK (www.Cannabizz.cz oder bei allen teilnehmenden Shop-Sponsoren), 300 CZK (EUR 12) an der Tageskasse.
PRAG IST EINE MESSE WERT – Der Film
Für alle, die keine Lust haben den Bericht zu lesen, oder einfach nur bewegte Bilder von Prag sehen wollen, gibt es das Ganze auch auf exzessiv.tv als Film zu sehen.