Mittwoch, 7. Juli 2010

Breitspiele im Juli

Ende Juni und das heißt, der Deutsche Spielepreis wurde vergeben und natürlich war schon Redaktionsschluss, bevor der Sieger im Berliner Hotel Esplanade bekannt gegeben wurde. Und wie jedes Jahr platzt der Raum, in dem der Gewinner vor der Presse gekürt wird aus allen Nähten, denn Jahr für Jahr zieht es die Journalisten in die Hauptstadt, um bei der Verleihung dabei zu sein. Ein Sieger steht allerdings schon fest: Mit dem Sonderpreis „Spiel des Jahres Plus“ wurde „Die Tore der Welt“ ausgezeichnet. Die Begründung der Jury: „Spielgeschichte, Mechanik, Grafik und Material gehen bei „Die Tore der Welt“ eine atmosphärisch perfekte Verbindung ein.“ Schon „Säulen der Erde“, dessen Vorlage ebenfalls ein Roman von Ken Follet war, kam bei der Spielerschaft gut an. Herzlichen Glückwunsch an die Autoren und Kosmos, der Verlag, der sich in den letzten Jahren auf Spiele nach Buchvorlagen spezialisiert hat.

Die Jury hat aus unzähligen Neuerscheinungen fünf herausgesucht, die für den Preis nominiert wurden. Und wie immer hat der Sprecher der Jury am 28.6 betont, sie seien alle gleichwertig und hätten alle den Preis verdient, aber es könne ja nur einer gewinnen. Die Kandidaten: „A la Carte“ von Karl-Heinz Schmiel, „Dixit“ von Jean-Louis Roubira, „Im Wandel der Zeiten – Das Würfelspiel“ von Matt Leacock (Ausgabe: Januar 2010), „Identik“ von William P. Jacobson und Amanda A. Kohout und „Fresco“ von Marco Ruskowski und Marcel Süßelbeck. Alle fünf zählen eher zur Sorte interaktive Spiele, wobei „Im Wandel der Zeiten“ noch das taktisch interessanteste ist. Auch wenn der Glücksfaktor aufgrund der Würfel sehr hoch ist. So richtig anspruchsvoll ist allerdings keins von ihnen. Unter www.spiel-des-jahres.com könnt ihr nachlesen, wer gewonnen hat, wer sich hinter der Jury verbirgt und Bilder der Preisverleihung anschauen. Dort findet ihr auch die zehn anderen Spiele, die auf der Empfehlungsliste stehen und ab sofort ebenfalls einen Aufkleber auf dem Karton verpasst bekommen. Leider habe ich bis Redaktionsschluss keine der oben genannten Spiele bekommen, so dass ich euch nur „A la carte“ vorstellen kann.
An dieser Stelle noch ein paar Statements der Jury zu den anderen Nominierten: „Dixit“: „Schnell geraten die Spieler ins Schwärmen und entdecken immer neue Details auf den Bildern, die zum Träumen, Nachdenken und Genießen einladen.“ „Identik“: „Einer erklärt, alle zeichnen: Mehr oder weniger wortreich beschreibt der Mitspieler das Kunstwerk in seiner Hand.“ „Fresko“: „Fresko erzählt eine plausible Geschichte und bietet auch mit dem Farbenmischen einen verständlichen Zugang.“ Da fallen „Im Wandel der Zeiten“ und „A la carte“ schon aus dem Rahmen, denn sie haben definitiv nichts mit Kunst zu tun, obwohl es wohl auch eine Kunst ist, Essen genau richtig zu würzen und nicht verbrennen zu lassen, denn darum geht es bei „A la carte“. Außerdem stelle ich euch noch „Revolution“ vor, die deutsche Ausgabe des Steve Jackson Games hat Pegasus herausgebracht.

Revolution
Wer sich auf eine Partie „Revolution“ einlässt, braucht ebenfalls Sinn für Humor. Auch bei diesem Spiel steht der Spaß im Vordergrund, es sind keine großartigen Strategien gefragt, eher schon etwas Menschenkenntnis. Bei dieser Revolution werden wichtige Persönlichkeiten der Stadt bestochen, um zum Einen für die nächste Runde neue Bestechungsmarker zu bekommen und die eigenen Spielfiguren in den Stadtvierteln zu platzieren. Sobald kein Platz mehr in der Stadt frei ist, endet das Spiel und es werden noch einmal Siegpunkte vergeben. Aber die bekommen nur diejenigen, die jeweils die meisten Gefolgsleute in den insgesamt sieben Viertel haben.
Folgendermaßen läuft eine Runde ab: Alle zeigen ihren Einsatz für die Runde. Plättchen mit Fäusten drauf besiegen sowohl Briefumschläge als auch Geld. Die Umschläge nur noch das Geld und Geld hat nur ne Chance, wenn keines der anderen Druckmittel eingesetzt wurde. Dann entscheidet natürlich die Höhe des Einsatzes. Hinter einem Sichtschirm platzieren die Spieler auf maximal sechs der zwölf Persönlichkeiten ihre Gebote. Die Persönlichkeiten stehen für ein bestimmtes Stadtviertel aber nicht jeder Einsatz wird von ihnen akzeptiert. So interessiert sich die Apothekerin nicht für Fäuste, sie will Umschläge oder Geld. Sind alle Bietmarker gesetzt, werden die Sichtschirme entfernt und die Gebote der Reihe nach ausgewertet. Wer das beste Gebot gemacht hat, bekommt neue Marker und kann einen Gefolgsmann in dem entsprechenden Viertel platzieren. Bei Gleichstand kriegt keiner was. Der häufigste Satz in dieser Phase lautet: „Musst du eigentlich immer aufs gleiche Feld setzen wie ich, kannst du nicht mal versuchen in ein anderes Viertel zu gehen.“
Aber ganz leer geht niemand aus, denn jeder hat in der nächsten Runde mindestens fünf Marker, wer also weniger hat, stockt mit Goldmünzen auf fünf auf. Persönlichkeiten wie der Drucker bringen zwar keine Gefolgsleute auf den Spielplan, dafür Runde für Runde Punkte und die sind nicht zu unterschätzen, vor allem, je wenn das Spiel länger dauert. Gegen Ende des Spiels werden der Spion und die Apothekerin häufiger genutzt, denn der erste erlaubt das Entfernen einer gegnerischen Figur, wofür eine eigene eingesetzt werden darf und die Apothekerin ermöglicht das Vertauschen von zwei Figuren. So werden die Mehrheitsverhältnisse in den Vierteln doch gehörig durcheinander gebracht. Sobald alle Plätze der Stadt belegt sind, endet das Spiel und es gibt Punkte für die zuletzt erhaltenen Marker und für diejenigen mit den meisten Gefolgsleuten in den einzelnen Vierteln. Wer die meisten Punkte hat, hat wohl das größte Glück gehabt und seine Gegner gut im Griff.
„Revolution“ ist ein witziges und spannendes Spiel. Und was in unseren Partien immer wieder deutlich wurde: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Mir gefällt „Revolution“.

A la carte …
… ist ein Remake eines Spiels, das schon vor 20 Jahren die Geister meiner Mitspieler schied. Entweder man mag das Spiel oder nicht. Und genauso ist es heute noch. Denn es ist nicht jedermanns Sache vor einem Herd mit ner Pfanne drauf zu sitzen und ein Gericht, das auf einem Pappmarker gedruckt ist, zu kochen. Aber wer genug Humor besitzt, wird sich darauf einlassen und je nach Gericht, den Herd anheizen und für den Geschmack die richtige Gewürzmischung beigeben. Aber Vorsicht: Ein Gericht, das verbrennt oder in dem zu viel Salz, Pfeffer oder Paprika ist, landet im Müll und bringt keine Siegpunkte. Und auch die Mitspieler sind nur darauf aus, den Mitspielern die Suppe zu versalzen, denn einmal pro Zug kann ein Spieler eine Kaffeepause einlegen und mit dem richtigen Plättchen auch bei einem Mitspieler nachwürzen. Andere Möglichkeiten sind den Herd tauschen, um eigene unbrauchbare Gerichte loszuwerden, oder die Heizstufe des eigenen Herdes verringern, um eigentlich schon verbrannte Gerichte noch zu retten. Oder weitere drei Aktionen machen, denn so viele hat man neben der Kaffeepause pro Zug. Folgende Aktionen stehen zur Verfügung: Herd anheizen und Würzen. Außerdem kann man ein fertiges Gericht abgeben, was am Ende des Spiels Siegpunkte bringt, und sich ein neues nehmen. Alternativ kann auch ein Crepe zubereitet werden: Anheizen und Crepe zu wenden, das heißt Pfanne nehmen, Crepe hochwerfen und hoffen, das es auf der richtigen Seite wieder in der Pfanne landet. Das Spiel endet, wenn es keine Gerichte mehr gibt oder ein Spieler fünf Gerichte fertig gekocht hat oder ein Spieler drei Sterne erworben hat. Die gibt es für Gerichte, die keine Gewürze enthalten, die da nicht hineingehören. Wer jetzt die meisten Punkte hat, gewinnt.
Wie schon anfangs gesagt, entweder man mag „A la carte“ oder nicht. Ein paar Sachen haben sich zur ersten Ausgabe geändert, aber im Großen und Ganzen ist es das alte Spiel geblieben. Einfach mal im Spieleladen ausprobieren. Mir macht Kochen Spaß, denken braucht man nicht, sondern legt einfach los: Gericht nehmen, Herd anheizen und würzen. Nebenbei ein wenig die Mitspieler ärgern und ihnen im wahrsten Sinne der Worte, die Suppe versalzen. Nur was für Feinschmecker.

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