Freitag, 23. Januar 2009

Roly’s Silberscheiben des Monats Dezember

Puppetmastaz: The Takeover (discograph)

Was früher die Augsburger Puppenkiste war, verkörpert für mich heute die Crew um den Maulwurf Mr. Maloke. Zurück von der Releaseparty, einer erfrischenden „Hip-Hopera“ in der Berliner Volksbühne zeige ich mich von ihrem dritten Werk schwer begeistert. Seit ihrem Debut „Creature Funk“ aus dem Jahre 2003 sind die Ansprüche stetig gestiegen. Mit den 23 Songs ist „The Takeover“ das bisher umfangreichste Album der Puppetmastaz, der weltweit ersten Toy Group, die sich um die Pflege und Aufführung von Rap-Skills mit Handpuppen verdient gemacht hat. Provokant, böse und voller Selbstironie rappen die Puppen zu schön verspielten Elektrobeats, battlen sich mit anzüglichen Texten und verhöhnen dabei das übertriebene HipHop-Bling-Bling. Als roter Faden zieht sich ein sehr vielschichtiger, dick instrumentierter Sound durch das Album. E-Gitarrenarrangements („Take Me On A Ride“) treffen auf sphärische Elektrokonstruktionen („Animals“ oder „Primeministaz Of Puppetry“), und ihre neueste Single „Mephistopheles“ kommt mit einem schön dreckig-tiefen Underground Bass. Wunderbar sind auch „So Scandalous“, „Reservoir Foxin“, „Spellbound Room 18“, „Boots On The Ground“, „Hallucinate“, „Meet The Fablez“ und die Skits mit Hörspielcharakter. Trotz Wortwitz und Stimmenbearbeitungs-Tools kann aber die rein akustische Präsenz das optische Highlight einer Puppetmastaz-Show nicht wiedergeben. Das Gesamterlebnis kann man nicht auf eine CD zwängen, sondern muss am besten live erlebt werden. Die 30 Viecher wecken jedenfalls den Ace Ventura in mir!

www.myspace.com/puppetmastaz
www.puppetmastaz.com
www.discograph.com

Egotronic: Egotronic (audiolith / broken silence)

Dass das Hamburger Karoviertel Charme hat, beweist nicht zuletzt Audiolith. Die wohl erfolgreichste Band dieses Labels hat nach „der richtigen Einstellung“ und dem „Lustprinzip“ nun ihr drittes, selbstbetiteltes Album „Egotronic“ veröffentlicht und bringt wieder Computermusik mit der Energie des Punks zusammen. Der aktuelle Output ist politischer denn je, auch wenn das Verständnis von Inhalten ein gewisses Mass an Intelligenz voraussetzt. Hier wird auf jeden Fall erstklassige Partymusik mit fundierter Sozialkritik vernetzt. Der erste Track „Berlin Calling“ ist wie auch das Cover ein ironisch winkender Zaunpfahl auf The Clash, während Hardcore-Legende Walter Schreifels (Gorilla Biscuits) sich im nachfolgenden Song über Deutschtümelei gleich mehrmals übergibt. Neben Herrn Lützenkirchen wird auch Ronald Schill („Jetzt wirkt das Koks bei mir, ich fühl mich total wach.”) zitiert. Das kongeniale Grauzone Cover „Der Weg Zu Zweit” wurde neu aufgemischt, und Jan Elbeshausen von Dance Inc. steht bei „What I don’t do” am Mikrofon. Wahnsinnig gut sind auch „Heute Nacht“, „Rampue vs. Egotronic“ und „Vorbei“. Mastermind Torsun, Bassmann Endi und Soundmann KT&F pushen ihren extrem groovigen Elektro-Punk mit intensivem Gebrauch von C64-, Atari- und Game-Sounds und knarzenden Basslines, kombinieren politischen Kampfansagen mit inneren Gefühlswelten. Ich mag Musik, die vor lauter Hedonismus und Tanzfreude die kritischen Töne nicht vergisst und fand die Release-Party im Kreuzberger Festsaal sehr geil. Unbedingt auch das neue Frittenbude-Album „Nachtigall“ auschecken.

www.myspace.com/egotronics
http://torsun.blogsport.de
www.audiolith.net

The Sonic Boom Foundation: The Sonic Boom Foundation (velocity sounds)

Leipzig ist immer so das ostdeutsche Pendant zur Hamburger Schule gewesen. Bloß, dass jene schon Ende des Jahrtausends dicht machte und in Leipzig der Betrieb ungebrochen aufrechterhalten wird. Diese Band hier kennen einige sicher noch von früher, wenn auch unter einem anderen Namen. Zwei von ihnen spielten bei „Think About Mutation“, eine der ersten deutschen Bands, die Rave- und Techno-Sound mit Metall-Gitarren mischten. 2004 aufgelöst, gründeten die beiden Ex-Mitglieder Joey und Herr Gräfe mit zwei Freunden das Bandprojekt The Sonic Boom Foundation. Nach ihrem Debütalbum „Create Yourself!“ 2006 spielten sie auf großen Festivals wie SonneMondSterne, Frequency und Highfield und machten dabei Bekanntschaft mit Größen wie Faithless, Carl Cox, Kosheen, Goose oder Shitdisko. Nach zwei weiteren Alben folgt nun das selbstbetitelte Werk, das schwer nach britischem Rave klingt. Ich muss etwas an Underworld denken und find’s klasse. Hier wandelt die Rock-Stage mühelos zum armetaumelnden Floor und umgekehrt. Bedingungslose Eingängigkeit und vorwärts treibender Elektrogroove bilden die Konstante, die sich als roter Faden durch ihre Musik zieht. Meine Hits sind „Access All Areas“, „Follow“, „Solar Kid“, „Radical Dance Faction“, „Boom“ und Rock & Roll Raver“. Ihre Hausaufgaben haben sie gemacht, und das gefällt mir: Die wissende Verquickung von Manchester Rave-Sounds der frühen 90er, Rock-Enzyklopädie und Ur-Teknozid, Happy Mondays-Schandmaulism und neuerlicher Rave-Euphorie.

www.myspace.com/thesonicboomfoundation
www.the-sonic-boom-foundation.de
www.velocity-sounds-records.de

Mr Oizo: Lambs Anger (ed banger records)

Quentin Dupieux führt bei absurden Filmen Regie, die mal mehr („Nichtfilm“ mit Sébastien Tellier) und mal weniger („Steak“ mit Éric und Ramzy) für einen kleinen Kreis bestimmt sind. Seine animalische Seite ist Musik. 1999 wurde er von Levi’s gefragt, ob er nicht 6 Werbespots mit diesem lustigen Character machen könnte, den er gerade erfunden hatte: Flat Eric. Außerdem hat er seine „Analog Worms Attack“-Platte aufgenommen und damit den meisten Fans von „Flat Beat“ tierische Angst eingejagt – alle anderen haben sich gefreut. Auch sein letztes Album „Moustache (Half A Scissor)“ machte Spaß. Ganz im Stil von „Ein andalusischer Hund“ wird der Puppe auf dem Cover des neuen Albums nun mit einem Rasiermesser durchs Auge geschnitten. Ed Banger-Boss Busy P sagt über sein sensationelles Signing: „Ich finde, Mr Oizo sollte sein Leben in einer Irrenanstalt beenden. Der Typ ist einfach verrückt.“ Auf 17 Tracks spielt dieser Typ mit den Klischees von 90er Dance-Musik und fügt noch einen Schuss Surrealismus hinzu. In dieser knallbunten Abfahrt lässt er es ordentlich krachen, erklärt Bruce Willis für tot, verpackt das als astreine Rave-Hommage, heult und sägt auf Ed Banger Art und kriegt das Grinsen kaum aus dem Gesicht. Die Ode an den Larsen-Effekt macht am Ende deutlich, dass Oizo vor allem ein dadaistischer Electro-Poet ist. Zu meinen Favoriten zählen noch „Cut Dick“, „Two Takes It“ (feat. Carmen Castro), „Positif“, „Steroids“ und „Pourriture 7“. Klingt alles wie durch eine kaputte Sterilisationsanlage geschickt und groovt wie bescheuert!

www.myspace.com/oizo3000
www.edbangerecords.com

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen