Dienstag, 10. Juni 2008

Rolys Silberscheiben des Monats Juni

Grossstadtgeflüster: Bis einer heult
(chicken soup)

Seit 2003 bereichern Sängerin Jen Bender, Bassmonster Raphael Schalz und Schlagzeuger Chriz Falk die deutschsprachige Musiklandschaft mit ihrem rotzfrechen Elektro-Pop. 2006 erschien die erste Single „Liebe schmeckt gut“ von ihrem Debütalbum „Muss laut sein“, dessen Texte sich – oftmals in hedonistischer Weise – um Themen wie Liebe, Sex, Feiern und persönliche Freiheit drehen. „Ich muss gar nix außer schlafen, trinken, atmen und ficken und nach meinen selbstgeschriebenen Regeln ticken“ wurde dort skandiert. Mit dem zweiten Album geht es in völliger Eigenregie weiter „bis einer heult!!!“. Beim Hören drängen sich ab und zu Vergleiche zu Paula, MIA oder Wir sind Helden auf. Dennoch kann man der Berliner Tanz-Kapelle ihre Eigenständigkeit nicht absprechen. Ihre Melange aus liebevollen Club-Tracks, ironisch-intelligenten Texten und der sehr charmanten, gewohnt lasziv bis sexy brodelnden Stimme von Jen bringt das Lebensgefühl selbstbewußter, nichtstromlinienförmiger Querdenker auf den Punkt. Der Song „Lebenslauf“ vertont eine Problematik vieler Twens, „Du meckerst immer“ ist grossartig amüsant, das dekadente „Los Dicker Tanz“ erinnert mich an Falcos geniales „Titanic“, und geile Tracks wie „Ein guter Tag zum Weinen“, „Overdressed & Underfucked“, „Rock’n’Roll Sexappeal“ und „Komm zu Mama“ sowie das melancholische Outro bedürfen keiner Worte mehr. Genretechnisch bitte zu den Sportsocken verschubladisieren. Grossstadtgeflüster ist übrigens auch gut gegen Cellulite. IchBinHuiDuBistBuhDuBistSchubiIchBinDu …
www.myspace.com/grossstadtgefluester
www.gsgf.de
www.bassstadt.de


Christopher D Ashley: Cruel Romantics
(Sunday best)

„Sluttish warehouse electro from London’s coolest new producer” heisst es in der NME. „Pop with a hint of Depeche Mode meets Warp Records“, schreibt IDJ. Und dass Christopher D Ashley ein Vertreter der neuen New Romantics-Retro-Welle ist, hört man bei seinem Debut Album „Cruel Romantics” sofort, allerdings beinhaltet seine Musik nicht die Basildon Synth-Muster eines Vince Clarke, was aber auch nicht so schlimm ist. Zu seinen grössten Fans gehören Andrew Weatherall & Keith Tenniswood, und letzterer spielt sogar in Ashleys Liveband mit. Bei meinen Recherchen komme ich bei derartigen Alben immer auf abstruses Halbwissen, man wolle hier das Ganze als Mischung aus Achtziger und Hot Chip verkaufen wollen und man solle doch besser auf Fischerspooner auf der einen Seite und echten Indie-Gitarren Bands auf der anderen Seite zurückgreifen. Kann das beim besten Willen nicht nachvollziehen, da wir nunmal 2008 haben und Tracks wie „Sugar Coated Lies”, „Colour Of Truth”, „Another Way To Feel”, „We Are Shining”, „You And Me Bobby Sox” oder „Take Me” nicht nur Referenzen oder Reminiszenzen an die frühen 80er aufweisen, sondern auch die melancholischen Electro-Pop-Vibes dieser Zeit vermitteln. Ob das jetzt nach New Order oder Ultravox klingt oder nicht, überlasse ich den Chefanalytikern. Ich fühl’ mich bei den Songs einfach gut. Und das neunminütige Acid-Bass-Monster „We Ain‘t Through” wird wohl übrigens auch Fans der 90er zufrieden stellen.
www.christopherdashley.com
www.myspace.com/christopherdashley
www.sundaybest.net


Alexis Le-Tan & Jess present: Space Oddities
(permanent vacation)

Die Geschichte des seit 2006 existierenden Labels ist so einfach wie grundsympathisch: Benji Fröhlich arbeitet in einem Plattenladen, in dem Tom Bioly regelmäßig Kunde ist. Die beiden stellen schnell fest, dass sie die gleichen Platten mögen: Disco, House, Bossa Nova und schräge Songwritersachen. Die ersten Lindstrøm-Produktionen gehen ihnen vom Plattenteller aus direkt unter die Haut, und so wird Permanent Vacation aus der Taufe gehoben. Größter Hit des Labels war bisher die Joakim-Version des Antena-Klassikers „Camino Del Sol“, der das sanfte Balearic-Stück zu einem Carl-Craig-artigen Tanzbrett umgebaut hat. Der Katalog des Labels beschränkt sich jedoch nicht nur auf Cosmic und Balearic. Auf den regelmäßig erscheinenden Compilations wurden auch schon Stücke von den Junior Boys oder Stephen Malkmus veröffentlicht. Mit der Compilation „Space Oddities“ erscheinen nun weitere Re-Edits in Form von „Rare European Library Grooves from 1975 – 1984“. Hier warten 19 edle Perlen darauf (wieder-)entdeckt zu werden, die in ihrem Facettenreichtum wahrlich glänzen. Synthiepop, trippige Hymnen, chinesischer New-Wave mit digitalen Pianos, dicke Disco Beats, psychedelischer Funk mit Moog Basslines und Gitarrenriffs, Prog Rock, sexy Deep House, oldschooliger Block Party Sound, ethno-afrikanische Percussion, hypnotische Jungle Atmosphäre, flimmernde Bassgewitter, epische Space-Melodien, Sound-Effekte mit Wasser und andere wilde Experimente. Geil!
www.myspace.com/permanentvacationrecords
www.perm-vac.com
www.grooveattack.com


Fenin: Been Through
(shitkatapult)

Seine erste Veröffentlichung auf Shitkatapult war die „Container“ EP Ende der Neunziger. Und während sein Debut-Album „Grounded“ aus dem Jahre 2005 noch ein Mix aus Techno, Reggae, Dub und anderen elektronischen Klangwelten war, stellt Lars Fenin nun auf dem Nachfolger „Been Through“ seine Fähigkeiten als Songwriter unter Beweis. So wie auf dem Cover eine schemenhafte Person aus dem Nebel tritt, steigen hier nun wunderbar pulsierende Dubsounds aus dem Äther auf, während elektronische Fragmente durchgängig wie Staubpartikel in der aufgehenden Sonne tanzen. Die Tracks entstanden in Zusammenarbeit mit dem italienischen Avantgarde-Jazz-Gitarristen und Produzenten Eraldo Bernocchi, dem Jamaikaner Scorcha und Gorbi, einem in Berlin lebenden Sänger aus Ghana, dessen gefühlvolle Stimme Songs wie das fantastische „A Try“ zu einer ganz neuen Form des Conscious Dub auferstehen lassen, und bei „Colourfields“ mit Elementen afrikanischer Musik eine scheinbar natürliche Symbiose eingeht. Doch neben der nachdenklichen Seite gibt’s mit den B-Boy-Breaks in „Breakin“, den stark gefilterten Gitarren-Loops bei „Miles and More“ oder den Riddims von Scorcha bei „Complain“ auch groovige Momente. Das von Giovanni Antignano alias Selfish gedrehte Bonus-Video zu „A Try“ besticht mit interessanter Kameraführung, und der Dub-Rhythmus unterstützt das in warmen Farben gehaltene Bild zusätzlich. Prädestiniert für heisse Liebesnächte auf’m Balkon.
www.fenin.net
www.shitkatapult.com
www.shopkatapult.com

Abonnieren
Benachrichtige mich bei

Schnelles Login:

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare zeigen