Freitag, 14. September 2007

Die lebenden Toten

Über Viren in der Cannabiszucht
Ir. Ing. D. Kroeze, CannaResearch

Wie auch immer Viren entstehen ist ein Rätsel. Darüber gibt es natürlich diverse Theorien. Eine Theorie ist, dass Viren aus der Zelle genetischen Materials entfleucht sind. Faszinierend ist vielleicht, dass sie nicht in die Kategorie „Lebend“ fallen, aber in die Schimmerwelt zwischen Leben und Tod bestehen. Der Grund dafür ist, dass sie eine Anzahl von Kennzeichen lebender Wesen nicht besitzen. Daher haben sie auch keine lateinischen Namen so wie lebende Wesen. So interessant dies auch ist, Viren können den Ernteertrag mindern und manchmal sogar die Ernte komplett verderben lassen. Leider sind die Symptome einer Virusinfektion nicht immer so deutlich.

Was ein Virus ist …

Ein Pflanzenvirus ist häufig nicht mehr als genetisches Material mit einem schützenden Eiweißmantel darum. Das genetische Material beinhaltet die Informationen um neue Viren herzustellen und kann nur in einer Zelle abgelesen werden. Diese Zellen sind selbstverständlich von Lebewesen (Wirten) und die Herstellung neuer Viren geht einher mit Verlust. In der europäischen Landwirtschaft kalkuliert man mit einem jährlichen Ernteschaden in Höhe von zwei bis zehn Prozent. Von dem Verlust bei der Cannabiszucht gibt es keine Kennzahlen, aber ähnliche Kennzahlen wie die in der europäischen Landwirtschaft sind nicht unwahrscheinlich.

Es sind sehr viele Pflanzenviren bekannt und viele von ihnen sind pflanzenspezifisch. Oder mit anderen Worten: Sie bleiben bei einem oder nur wenigen Gastwirten um sich fortzupflanzen. Dies gilt natürlich nicht für die aggressiveren Exemplare. In der Praxis kann es eine Ernte mir vielen unterschiedlichen Pflanzenviren zu tun bekommen. So auch die Cannabispflanze.

Vektoren

Weil ein Virus eigentlich nicht mehr ist als eine Eiweißkapsel mit genetischem Material, ist es nicht in der Lage sich aktiv fortzubewegen. Es hat weder Beine, Hände, Schwimmflossen noch Flügel. Wie kann sich so ein Virus in einer Innenaufzucht ausbreiten? Die Antwort ist einfach: Es lässt sich von Lebewesen mitnehmen. So ein Lebewesen nennt man einen Vektor. Häufig sind Vektoren Insekten, die schon von sich aus der Pflanze Schaden zufügen können. Tripsen, weiße Fliegen und Läuse sind Beispiele dieser Insekten. Die Viren können sich Stunden, manchmal aber auch Tage in einem Insekt einnisten. Manchmal können sie sich dort super fortpflanzen. Auch andere Organismen wie Spinnmilben, diverse Schimmelarten und Nematoden können Vektoren sein. Ein vielleicht weniger bekannter Vektor kann der Grower selbst sein. Hauptsächlich Tabakraucher haben Angst davor, wenn es darum geht Viruskrankheiten zu verbreiten, aber das gilt auch für Raucher, die Tabak für ihren Joint verwenden. Viren findet man hauptsächlich in den günstigen Tabaksorten. Der am häufigsten vorkommende Virus ist das Tabakmosaikvirus (TMV). Dieses Virus bleibt sehr lange stabil in dem getrockneten Tabak (bis zu 100 Jahren) und ist hoch infektiös. Man sagt nicht umsonst, dass Raucher auf Plantagen und bei Zuchtexperimenten z.B. an Unis nicht immer willkommen sind. Aber das TMV ist für den Grower nicht das meist zerstörende Virus, das er durch den Tabak auf seine Pflanzen übertragen kann.

Wenn das Virus in der Pflanze seines Gastwirtes abgesetzt oder eingedrungen ist, stößt es seinen Eiweißmantel ab und lässt seinen genetischen Code kopieren und ablesen. Dieses Ablesen geschieht durch die Ribosomen. Durch dieses Ablesen entstehen neue Eiweißmäntel. Danach entstehen auch Eiweiße, die lediglich für den Transport von Zelle zu Zelle oder für den Bau des Virus selbst verantwortlich sind. Der Transport der Virus von der einen zur anderen Pflanzenzelle ist nicht so einfach, wie es sich anhört. Pflanzenzellen sind nämlich mit einer stabilen Zellwand versehen, durch die das Virus nicht durchdringen kann. Allerdings sind diese Zellen durch ein Kanalsystem miteinander verbunden und dieses Kanalsystem wird vom Virus für die Kommunikation benutzt. Es gibt allerdings ein Problem: Das Virus passt nicht durch die Kanäle. Jetzt kommen die Transporteiweiße ins Spiel, die während des Ablesens des Viruscodes entstanden sind. Mit Hilfe dieser Eiweiße werden die Kanäle verbreitert, so dass die losen Virusunterteile durch die Kanäle passen. Unter anderen benutzt auch das TMV diese Technik. Eine zweite Methode ist wesentlich spektakulärer. Hierbei baut das Virus einen breiten Tunnel durch den kleinen Kanal und das Virus passt nun komplett durch den Tunnel. Vor allem das Luzernemosaikvirus (AMV) benutzt diesen Trick. Bei vielen Viren ist noch nicht erforscht worden, welcher Mechanismus benutzt wird. Auch durch über den langen Zeitraum des Transports durch die Gefäße der Pflanze ist noch wenig bekannt.

Die Viren in Cannabis

Es sind ca. 900 pflanzenpathogene Viren bekannt. Von dieser Gruppe ist nur eine handvoll beleuchtet worden, ob sie wirklich Cannabis infizieren können. Von diesen 900 Viren ist lediglich bei 12 bewiesen worden, dass NICHT in der Lage sind Cannabis zu infizieren. Allerdings sechs Viren fügten während der Tests den Pflanzen schnellen Schaden zu. Diese Tests sind wiederum vor längerer Zeit durchgeführt worden und sicher nicht an Sorten, die jetzt beim Grower stehen. Es ist nämlich so, dass nicht alle Cannabissorten empfänglich sind für einen bestimmten Virus. Auch können sich die Symptome bei einer Infektion mit ein und demselben Virus bei den Sorten unterscheiden. Es kommt noch dazu, dass es verschiedene Stränge eines Virus gibt, die durch Mutationen entstanden sind und die auch wieder verschiedene Symptome hervorrufen können. Außerdem ist das noch die Frage der Beeinflussung durch die Growumstände. Deshalb weiß man von cannabisspezifischen Viren nicht sicher, ob sie nicht auch in anderen Gewächsen vorkommen. Insgesamt ist noch nicht sehr viel erforscht worden über Viren, die in Cannabispflanzen vorkommen. Momentan gibt es zwei Viren von denen man annimmt, dass sie spezifisch sind für Cannabis. Das sind das Hanfmosaikvirus (HMV) und das Hanfstreifenvirus (HSV). Obwohl bei HMV immer noch die Frage ist, ob es wirklich nur in Cannabis vorkommt, ist es bei HSV relativ sicher, dass es ausschließlich in Cannabis vorkommt. Das HSV wird durch Läuse verbreitet.

Neben diesen Viren gibt es eine Anzahl Viren, die in anderen Pflanzen entdeckt wurden, aber auch Cannabis infizieren können. Als erstes wird das TMV genannt. Dieses Virus ist eines der bekanntesten der Welt. Das liegt daran, dass es dass allererste Virus war, das entdeckt wurde. Es wird angenommen, dass Cannabis sehr wohl empfänglich ist für dieses Virus, aber keine Symptome an der Pflanze sichtbar werden. Allerdings munkelt man in Growerkreisen, dass das Virus sehr wohl Symptome bei Cannabis (krumme Blätter) hervorruft. Ob es Einfluss auf den Ernteertrag hat, ist leider nicht bekannt.

Erwiesen ist die Tatsache, dass das Tabakringfleckenvirus (TRSV), das übrigens nicht durch Raucher übertragen wird und das Tabakstreifenvirus (TSV) ernstzunehmende Blattflecken (Mosaiken) bei Cannabis verursachen können. Beide Viren können auch für Zwergwuchs verantwortlich gemacht werden. Neben diesen Viren gibt es noch eine Anzahl anderer Viren, die sowohl Tabak als auch Cannabis infizieren können. Beispiele solcher Viren sind das Luzernemosaikvirus (AMV) und das Arabismosaiknepovirus (ArMV). Das AMV wird durch Läuse verbreitet, die das Virus maximal ein paar Stunden bei sich tragen können, aber die Verbreitung geschieht auch durch Samen. Die Symptome sind stark abhängig vom Virusstrang, der Cannabissorte, der Wachstumsphase während der Infektion und natürlich den Wachstumsumständen. Ein allgemeines Symptom sind die leicht gelben Blattflecken (Mosaik). Viele andere Viren verursachen jedoch auch ein Mosaik wie das ArMV, das über die Samen und Nematoden verbreitet werden kann. Es wird allerdings angenommen, dass dieses Virus in Cannabis meistens keine Symptome hervorruft. Andere Beispiele sind das Gurkenmosaikvirus (CMV) und das Tomatenringvirus (TomRSV). Beide Viren können ernsthafte Mosaiken und Zwergwuchs verursachen, wodurch die Pflanze früher ausreift und der Ertrag reduziert wird. CMV wird verbreitet durch Samen und Läuse. Bei hohen Temperaturen erfolgt die Replikation des Virus bedeutend schneller, so auch im Sommer bei längeren Tagesphasen, bei hoher Lichtintensität und viel Stickstoff. Das sind Faktoren, die die Pflanzen während der Wachstumsphase beeinflussen können. Sowohl das TomRSV als auch das CMV sind dafür bekannt, dass sie über Pollen verbreitet werden. Sie können also leicht auf andere Pflanzen übertragen werden. Neben Infektionen mit einem Virus sind auch Infektionen mit verschieden Viren gleichzeitig möglich. Bei so einer gemischten Infektion sind die Symptome natürlich wesentlich schwieriger erkennbar. Es kann natürlich auch sein, dass ein Virus latent vorhanden ist. Das bedeutet, dass das Virus in der Pflanze vorhanden ist, sich aber nicht repliziert. Wenn die Umstände sich verändern, kann so ein Virus sich sofort vervielfältigen und die Pflanze krank machen. Also ein Art Zeitbombe.

Virusbefall der Pflanze vorbeugen

Im Allgemeinen ist es fast unmöglich Viruskrankheiten bei Pflanzen zu bekämpfen. Viren sind resistent gegenüber extremen Umständen wie Temperatur oder Säuren und „unsterblich“, wenn man davon sprechen kann.

Darum diese Ratschläge um dem Auftreten von Virusinfektionen vorzubeugen:

1. Vor dem Betreten des Growraums unbedingt die Hände waschen (auch Gäste)
2. Gesundes Ausgangsmaterial benutzen, z.B. keine Stecklinge von Pflanzen benutzen, die fremd sind.
3. Werkzeuge wie Messer und Scheren mit Alkohol oder Spiritus vor und nach dem Gebrauch desinfizieren. Dies gilt auch für die Stecklingsgewinnung von mehreren unterschiedlichen Mutterpflanzen. In der biologischen Landwirtschaft wird anstatt Spiritus oder Alkohol Milch verwendet. Die Milcheiweiße sollen das Virus einkapseln.
4. Vektoren bekämpfen.
5. Vermeidung anderer Gastwirte in der Nachbarschaft (Kranke Zimmerpflanzen im Haus oder Unkraut draußen).

Wenn die Pflanzen dann doch mit einem Virus infiziert sind, sollte man wahrscheinlich ganz normal ernten können, es wird aber dann den Gesamtertrag mindern. Das Grass ist nicht gefährlich für Menschen. Bis heute ist noch kein Pflanzenvirus entdeckt worden, das Menschen infizieren kann.

Man möchte natürlich vermeiden, dass die nächste Ernte wieder von einer Viruskrankheit beeinflusst wird. Deshalb sollte man bestimmte Regeln strikt beachten. Organisches Material aus dem Raum entfernen, sobald dieser leer ist. Den Raum mit einem Breitspektrum-Insektizid besprühen. Nach Möglichkeit ein Mittel verwenden, das leicht flüchtig ist. Räumlichkeit und Töpfe gut sauber machen und mit Wasser und Seife gut nachspülen. Ernte- und Stecklingswerkzeuge wie Scheren und Messer sorgfältig desinfizieren. Kein Risiko eingehen und am falschen Ende sparen (z.B. Ersetzen des Steck- / Wurzelgels). Eigentlich sollte man nach jeder Ernte wie oben beschrieben vorgehen, um Probleme mit Krankheiten und Plagen vorzubeugen.

Obwohl Viruskrankheiten den Gewächsen Schaden zufügen können, stellen die häufig vorkommenden Plagen und Krankheiten im Allgemeinen eine viel größere Bedrohung der Ernte dar. Viren sind vor allen Dingen so gefürchtet, weil sie so mysteriös sind.

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