Freitag, 8. Juni 2007

Gender Smoke

Spreche ich mit Frauen über ihre Erfahrungen zum Thema Kiffen und Partnerschaft, so gleichen sich die Geschichten, die ich von den verschiedensten Seiten zu hören bekomme, oft sehr. Monika etwa erinnert sich an ihre „aktive“ Zeit durchaus nicht nur mit Wehmut. Oft fand sie das Thema Hanf zu dominant und überbewertet. Mitunter konnte sie ihren Mann überhaupt nicht mehr verstehen, wenn sie etwa beim Wandern an einem wunderschönen Platz Rast machten und er meinte: „Mei ist es hier schön, jetzt fehlt eigentlich nur mehr was zu rauchen.“ Ihrer Meinung nach war es – verständlicherweise – bedenklich, wenn man solche Momente in nüchternem Zustand nicht mehr wirklich genießen kann, wenn das Wohlbefinden derartig abhängig ist vom Vorhandensein des favorisierten Genussmittels.

Auch Andrea machte mit ihrem Mann eine durchaus nervige Phase durch, bei der er die Wände hochging, wenn am Wochenende nichts zu rauchen im Haus war. Nein, nicht wenn gar nichts im Haus war, iwo, sondern wenn am Samstag um ein Uhr früh nach dem fünften Joint nichts mehr da war. Da wurden dann sämtliche Schubladen umgedreht, wobei die Höhe des Launebaromethers und die Anzahl der „Da muss doch noch irgendwo was sein“-Murmler indirekt proportional waren.

Es muss nicht solche extremen Formen annehmen, um die geschlechtsspezifischen Unterschiede aufzuzeigen. Schon beim vernünftigen Gebrauch von Hanf ist eine eindeutig männliche Gewichtung nicht von der Hand zu weisen. Generell wirkt es auf mich so, als wäre das Thema Genussmittel – sei´s legal oder illegal – Männern um einiges wichtiger als Frauen. Die legen zumeist ein durchaus nicht abgeneigtes, gleichzeitig aber unverhaeltnismässig entspannteres und pragmatischeres Verhalten an den Tag: wenn’s da ist, ist´s gut, wenn nicht, dann auch.

Schauen wir uns das Ganze doch mal aus archaischer Sicht an, denn obwohl wir heutzutage außerordentlich unnatürlich leben, tragen wir die ursprünglichen Prägungen auch im Großstadtdschungel immer mit uns herum. Wer dies bezweifelt sollte mal beobachten, ob er bei Vollmond schlafen kann oder am Tag nach Neumond plötzlich viel leichter aufsteht als am Vortag.

Nun ist es bei natürlich lebenden Gemeinschaften normal, dass Frauen deutlich weniger Initiationen durchlaufen als Männer. Durchwegs maskuline Ethnologen interpretierten dies natürlich gemäß ihrer Weltanschauung und stempelten den weiblichen Teil der Völker einfach als „zu unwichtig für wichtige Zeremonien“ ab. Dass es über weibliche Rituale unter anderem deswegen weniger Informationen gab (und gibt), weil sich Frauen weitaus vehementer gegen die Anwesenheit forschender Erstweltler (praktisch immer Männer, aber auch gegen Frauen) verwehrten, wurde einfach unter den Tisch gekehrt.

Es gibt jedoch noch einen weiteren, noch viel wichtigeren Aspekt, der der maskulinen Weltsicht zum Opfer fiel: Frauen brauchen weniger Initiationen, sprich Aufwand und Hilfsmittel, sich ihrer Natur anzunähern, weil die Natur und ihre Zyklen ohnehin durch sie hindurchfliessen. Menses (Mondzyklus), Schwangerschaft, Geburt, Stillen (Lebenszyklus), Wechseljahre (Reifezyklus) sind ganz selbstverständliche Teile des weiblichen Lebens, deren die Männer entbehren. So wurde und wird in männlichen Ritualen oft eine Annährung an das weibliche Element angestrebt. Männliche Aboriginees etwa schlitzten sich den Penis der Laenge nach auf, um die Vulva und das Bluten zu imitieren. Dabei wurde ein Stück Vorhaut geschluckt und so das eigene Kind inkorporiert.

Anders ausgedrückt: Männer müssen sich ihren Platz, ihre Aufgabe in dieser Welt erst suchen, Frauen haben den lebensspendenden Aspekt auf jeden Fall auf ihrer Seite – und alles andere noch zusätzlich. Eine Frau kann, wenn sie will, all das tun was auch ein Mann tun kann (ja, auch im Stehen pinkeln, danke für die qualifizierten Wortmeldungen aus den hinteren Reihen…), umgekehrt funktioniert dies allerdings nicht. Mit dieser machtvollen Segnung – Leben hervorbringen und erhalten zu können – kann man wohl vieles der materiellen Welt entspannter sehen. Auch wenn hartnäckig versucht wird diesen Aspekt der weiblichen Natur in einer absolut patriarchalisch geprägten Welt als Nachteil zu verkaufen fällt die inkorporierte archaische Weisheit nicht so leicht darauf hinein wie der Neocortex.

Somit sei die Theorie aufgestellt, dass sich in den oben zitierten Paargeschichten die ganz normale urgeschichtliche Sinnsuche wiederholt – allerdings mit anderen Vorzeichen. Denn heutzutage orientieren sich die jeweiligen Partner viel mehr aneinander als früher an ihren gleichgeschlechtlichen Gemeinschaftsmitgliedern, leben Mann und Frau in isolierter Zweierhaft viel enger zusammen als einst im großen Gruppenverband, und somit treten in der modernen Lebensform die jeweiligen Unterschiede um einiges deutlicher hervor. Sich dies vor Augen führend, kann man den nicht nachvollziehbaren Weg des anderen vielleicht einfach mal bestehen lassen und geduldig auf die nächste Kreuzung warten.

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