Mittwoch, 7. Februar 2007

Legale Hanfpflanzen in Belgien beschlagnahmt

Cannabisclubs gehen in die Offensive

Wie wir schon vor drei Monaten berichteten, gibt es in Belgien und Spanien seit Spätsommer diesen Jahres Clubs, in denen Hanf-Pflanzen zum persönlichen Bedarf kultiviert werden. Sinn und Zweck des Club-Modells ist es, erwachsenen, mündigen Hanf-LiebhaberInnen einen legalen, nicht mehr vom Schwarzmarkt abhängigen Zugang zu ihrem Genussmittel zu gewährleisten. In Spanien gibt es sogar schon ein Gerichtsurteil, das die Rechtmäßigkeit solcher Clubs manifestiert. Die Bewegung der „Cannabis Social Clubs“ versteht sich als Manifestation der „Freedom to Farm“-Kampagne (Hanf Journal 03/2006), die ENCOD (European Coalition for Just and Effective Drug Policies) im Jahr 2004 startete. Der Anbau wird von den Vereinsmitgliedern selbst organisiert, der Samen für die erste Mutterpflanze wurde bereits am 27.Juli vergangenen Jahres gesät. Am 12. Dezember 2006 wurden im Botanischen Garten von Antwerpen die ersten sechs Stecklinge von dieser Mutterpflanze geschnitten. Natürlich wird die gesamte Anlage nach kontrolliert-biologischen Aspekten, also ohne Pestizide oder Kunstdünger, betrieben. Sowohl für das Ansetzen der ersten Mutterpflanze als auch für das Abnehmen der Stecklinge gab es eine Genehmigung von offizieller Seite. Das ganze Projekt trägt den schönen Namen „Draw up your Plant“. In Belgien sind die zuständigen Behörden und die Polizei von Anfang an informiert worden und dann leider doch in letzter Sekunde eingeschritten. Trotzdem planen die Mitglieder von „Draw up your plant“ ihre Aktivitäten fortzusetzen.
Die Behörden sowie die Polizei werden weiterhin über den neusten Stand der Dinge unterrichtet, der Bürgermeister der Stadt Brüssel wird die Adresse, eine Kopie der Genehmigung und sogar einen Zweitschlüssel für den Zuchtraum erhalten, damit er sich von der Ungefährlichkeit des Unterfanges sowie der Einhaltung der Auflagen mit eigenen Augen, auch unangemeldet, überzeugen kann.

In Belgien hat die Verfolgung des Besitzes geringer Mengen zum Eigenverbrauch seit einiger Zeit niedrigste Priorität, der Besitz von bis zu drei Gramm Cannabis-Produkte oder einer Hanf-Pflanze wird gar nicht mehr verfolgt, ist jedoch trotzdem illegal. Da bei „Draw up your Plant“ jedes Mitglied nur eine Pflanze besitzt, sehen die Betreiber das Gesetz auf ihrer Seite.

Die Clubs stellen ein ernstzunehmendes Alternativmodell zu den holländischen Coffee Shops dar – mit einem Unterschied: beim „Club-Modell“ gelangt das Gras erst gar nicht in den Handel. Damit ist der Hauptansatzpunkt der Kritiker einer kontrollierten Abgabe von Cannabis-Produkten, die „Abgabe sei nicht kontrollierbar“, „die Droge gerate in falsche, weil zu junge Hände“ oder „Hanf sei der erste Kontakt zur Drogen-Szene (das Märchen von der Einstiegsdroge), nicht mehr existent. Jedes Mitglied besitzt seine eigene Pflanze im Zuchtraum, die Pflege wird kollektiv von kompetenten Club-Mitgliedern betrieben. Für die Ernte ihrer/seiner Blütenstände ist, wohl aus rechtlichen Gründen, jede/r selbst verantwortlich. Fürs Konsumieren dann wohl zum Glück auch. Selbst ein Mitglied des belgischen Parlaments, Stijn Bex, hat sich der mittlerweile 34 Köpfe zählenden Gärtnereigemeinde angeschlossen. In einem offenen Brief an die Tageszeitung „Der Morgen“ erklärte der Abgeordnete der Linksliberalen Partei, er werde sich einem „Cannabis Social Club“ in Antwerpen anschließen. Gesagt, getan − Bex war es auch, durch seine öffentliche Teilnahme an der ersten legalen „Stecklings-Session“ im Dezember in Belgien ein ungeheures Medieninteresse auslöste.
Das Medieninteresse war wohl auch Anlass für die Nachricht, die uns kurz vor Redaktionsschluss erreichte: Nach der öffentlichkeitswirksamen „Schneide-Session“ im botanischen Garten wurden die Pflanzen mitsamt vier Encod AktivistInnen auf den Weg vom Garten zum Pflanzraum festgenommen. Mobiltelefone und Computer wurden beschlagnahmt, Menschen gegen ihren Willen stundenlang festgehalten und befragt. Trotz Anbaugenehmigung.
Die Festgenommenen durften wieder gehen, die Pflänzchen mussten dort bleiben.
Zwar ist es nun theoretisch möglich, dass sie auf Grund eines Eilantrages des Abgeordneten Stijn Bex schnell wieder rausgerückt werden, aber selbst drei Tage reichen hier aus, um (abgestorbene) Tatsachen zu schaffen. Zumindest wird nach einer richterlichen Entscheidung
für die Clubmitglieder Rechtssicherheit bestehen. Und die Entscheidung müsste, vorausgesetzt belgische Richter nehmen ihre eigenen Gesetze ernst, zu Gunsten der Anbauclubs ausfallen.
Ob dieses Modell, eventuell mit Bezug auf die EU-Gesetzgebung, auch auf Deutschland übertragbar ist, sollte einmal genauer geprüft werden.
Resonanz- oder Nachwuchssorgen müssten sich die Clubs im Vereinsland Deutschland sicherlich nicht machen.

Mehr zum Thema: www.cannabis-clubs.eu , www.encod.org , www.cannaclopedia.be,
www.hardcoreharmreducer.be

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