Mittwoch, 10. Januar 2007

Cannabis und HIV – Interview mit einem Betroffenen

„Natürlich breche ich nicht gleich zusammen …“

Irgendwo in Deutschland. Eine stinknormales Wohnhaus. Keiner ahnt, dass hier seit Jahren hochkriminelles Potenzial lauert. Nein, hier werden keine Bomben gebaut oder Kinder geschlagen, viel schlimmer: Hier baut ein AIDS-Kranker sei eigenes Gras an. Andreas (Name von der Redaktion geändert, was auch sonst), 48 Jahre alt und HIV positiv, erwartet uns schon, öffnet die Tür und bittet uns fröhlich herein.

HaJo: Hallo Andreas !
Andreas: Hallo!

HaJo: Seit wann bist du HIV-positiv?
Andreas: Wahrscheinlich seit 1990, erfahren habe ich es 1992. Damals ist der Virus ausgebrochen.

HaJo: Welche Medikamente musst du einnehmen?
Andreas: Jeden Morgen eine ganze Handvoll antiviraler Pillen und, auch auf Anraten meines Arztes, Cannabis.

HaJo: Wogegen hilft dir das Cannabis konkret?
Andreas: Zuallererst einmal gegen meine Magenprobleme, die aufgrund der starken Medikamente auftreten und gegen die damit im Zusammenhang stehende Appetitlosigkeit.
Nicht zu unterschätzen ist auch die stimmungsaufhellende Wirkung, da körperliche Schmerzen und Leiden mit Sicherheit nicht nur mir aufs Gemüt schlagen.

HaJo: Was passiert, wenn du mal keine Hanf-Blüten hast?
Andreas: Natürlich breche ich nicht gleich zusammen, das ist eher ein schleichender Prozess. Mein Magen fängt nach dem Einnehmen der Medikamente an zu rebellieren, ich habe dann keinen Hunger. Klar geht das mal ein, zwei Tage oder auch eine Woche, aber dann fängt es halt an, sich negativ auf mein Gewicht auszuwirken, manchmal muss ich dann auch mal ’nen ganzen Tag lang kotzen. Und wenn das dann soweit ist, geht es mir natürlich auch psychisch beschissen. Mit der Zeit kommt halt eins zum anderen
Na ja, deshalb mache ich mir meine Medizin ja auch selbst. Damit es gar nicht so weit kommt.

HaJo: Hast du schon einen Antrag ans BfArm (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) gestellt?
Andreas (lacht): Nachdem ich vor Jahren schon mal erwischt und trotz nachweislichem Eigenbedarfs wegen Besitzes von Drogen verurteilt wurde? Ich weiß, wie bei denen die Uhren ticken, sobald eine Rechtssicherheit besteht, hole ich mir die Genehmigung umgehend. Aber vorher werde ich sicherlich keine schlafenden Hunde wecken.
Was an der ganzen Sache viel schlimmer ist: ich habe über meinen Vertauensarzt einen Haufen anderer AIDS-Patienten kennen gelernt, von denen die meisten aus den gleiche Gründen wie ich Marihuana konsumieren. Diejenigen, die zu Hause gepflegt werden müssen, haben im Gegensatz zu mir, meist keine Möglichkeit, ihren Hanf selber anzubauen, da sie das Pflegepersonal involvieren müssten. Bringe ich denen ab und an ein Blütchen von meinem mit, bin ich juristisch gesehen ein Dealer.
Tue ich das nicht, sehe ich das persönlich als unterlassene Hilfeleistung an.
Solange die Situation so ist wie sie ist, kann man sich in meiner Lage einfach nicht an die Gesetze halten, ohne gesundheitlichen Schaden zu nehmen. Das muss ich eben in Kauf nehmen.

HaJo: Welche Sorte baust du wie an?
Andreas: Ich halte es einfach und unkompliziert, ich habe auf 1,5 Quadratmetern „New York Diesel“ stehen. Einfach auf Bio-Erde mit ein wenig Bio-Dünger. Der einzige Luxus sind Filter und Rohrlüfter, weil sich vor ein paar Jahren die Nachbarn wegen des Geruchs beschwert haben. So komme ich bei zwei Ernten im Jahr ziemlich genau auf meinen Eigenbedarf. Das sind so ungefähr 600 Gramm im Jahr, und falls es interessiert, also so zwischen einem und zwei Gramm pro Tag …

HaJo: … und hast somit auch das Problem, deine Vorratshaltung zu rechtfertigen, falls du erwischst wirst?
Andreas: Genau das ist mir vor Jahren passiert, zum Glück hatte ich einen einsichtigen Richter, der es bei einer moderaten Geldstrafe beließ.

HaJo: Wie sieht dein Tagesablauf aus?
Andreas: Morgens früh wie gesagt die Hand voll Pillen, dann eine kleine Pfeife, damit der Magen ruhig bleibt. Danach lege ich mich noch mal eine Stunde hin, weil ich so am wenigsten Probleme mit dem Bauch voller Chemie habe. Wenn ich dann aufstehe, frühstücke ich ordentlich, dann kann der Tag beginnen. Und solange ich meine Medizin habe, die legale wie die illegale, unterscheidet sich mein Tagesablauf nicht von denen anderer Menschen, ich habe eine Menge zu tun und kann seit zwei Jahren sogar wieder einem kleinem Nebenjob nachgehen.

HaJo: Andreas, wir danken dir für das Gespräch und wünschen alles Gute für die Zukunft.
Tschö.

Andreas: Macht’s gut!.

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