Mittwoch, 10. Januar 2007

SPIEL’06 in ESSEN

Samstag, Rückfahrt nach Berlin. Kein Sitzplatz, also lunger’ ich zwischen zwei Abteilen – entschuldigt, zwischen zwei Waggons rum (Abteile habe der Zug nicht, hatte mir auf Nachfrage einer der Bahnangestellten erklärt) – und versuche ein erstes SPIEL’06-Resümee zu ziehen. Drei Tage Durch-große-Hallen-laufen liegen hinter mir und was in Essen so alles los war, soll in den nächsten Zeilen ein wenig beleuchtet werden.

Wie jedes Jahr können ja die Presseleute schon mittwochs nach der Pressekonferenz die Neuvorstellungen betrachten und erste Sondierungen vornehmen. Nachdem viele der Kollegen mit dem Spiel „Hameln“ unterm Arm rumliefen, bin auch ich hin zum Stand des Verlags Fragor, aber „Hameln“ war schon vor der Messe ausverkauft. Bleibt zu hoffen, dass auch dieses Spiel von einem großen Verlag im nächsten Jahr rausgebracht wird, so kann ihr letztjähriger Renner inzwischen bei Zoch unter dem Namen „Haste Bock“ erworben werden. Aber mit leeren Händen bin ich logischerweise nicht nach Hause zurückgekommen, sodass in den nächsten Ausgaben wieder etliche Spiele auf Herz und Nieren geprüft werden können.

Schon seit längerer Zeit war es der interessierten Szene klar, dass es um Eagle Games schlecht stand und ja: Eagle Games ist verkauft und das von Veit und mir lang ersehnte „Pirates“ scheint endgültig in der Schublade gelandet zu sein. Folglich wurden an diversen Ständen die Eagle Games-Klassiker verramscht und auch ich musste meine Sammlung um „Attack“ nebst „Expansion“ vergrößern. Für die Zugfahrt nach Berlin bedeutete das, zwei weitere schwere Kartons, denn beim Spielmaterial ließ sich Eagle Games ja nie lumpen. Waren ihre Markenzeichen doch große Spielbretter und unzählige Miniaturfiguren. Und das soll jetzt vorbei sein? Schade wäre das schon.

Von den Großen zu den Kleinen: Eggert-Spiele hat als Eigenverlag angefangen und es in diesem Jahr mit „Antike“ unter die besten zehn Spiele geschafft – zumindest in den Augen der Spieler. Zwar war es kein Spiel von Peter Eggert selbst, sondern Max Gerdt ist der Autor von „Antike“, dessen Spiel „Imperial“ eine strategische Fortsetzung ist. Ich habe schon am Mittwoch ein Exemplar erstanden und ein erstes Testspiel verspricht spannende Spielrunden. Mehr davon in einer der nächsten Ausgaben.

Als alter Martin Wallace-Spiele-Fan freue ich mich darauf „Tempus“ (Pro Ludo) und „Perikles“ (Warfrog) zu spielen, denn, wo Martin Wallace drauf steht, ist auch Martin Wallace drin. Und wenn ich schon bei den strategischen Spielen bin: Der kleine tschechische Verlag Czech Board Games kam gleich mit drei Spielen auf die Messe und auch dort musste ich zugreifen. „Grönland“ ging weg wie warme Semmeln, aber weder mein Geldbeutel noch mein Gepäck ließen mehr als ein Spiel zu. Die Wahl fiel auf „Trough the Ages“. Ein erster Kommentar eines anderen mir völlig unbekannten Spielers lautete: „Ein gutes Spiel“. I hope so.

Und sonst: Auch in Essen gilt das Motto: „Schneller, höher, weiter”, also noch mehr Spiele, noch mehr Aussteller aus noch mehr Ländern. Glaubt man der Branche, stehen derzeit Quizspiele hoch im Kurs. Ab sofort kann jeder seine Grammatik-Kenntnisse testen, denn der literarische Verkaufsschlager „Der Dativ ist dem Genetiv sein Tod“ gibt es nun auch als Spiel. Andere Neuerscheinungen gehen in die dritte Dimension. Erstmals ist es mir vor Jahren bei „Java“ begegnet, das nicht nur in einer Ebene gebaut wird, sondern auch die Höhe über Sieg und Niederlage entscheidet. In „Taluvá“ (Hans im Glück) geht es um eine Vulkaninsel und Pfähle bilden die Basis in den „Säulen von Venedig“ (Goldsieber).

Kartenspiele nehmen wenig Platz weg, sind in der Regel billig und dauern normalerweise auch keine Ewigkeit. Ich selbst mag zwar Brettspiele lieber, nichtsdestotrotz befinden sich auch einige Kartenspiele im Gepäck. Unter anderem „Cucco“, das ursprünglich aus dem 17.Jahrhundert stammt und in Italien gespielt wurde. Der japanische Verlag Japon Brand hat es aus der Heimat mit nach Essen gebracht und „Kuckuck“ ist ein Spiel, das erst mit mehreren Leuten Spaß bringt. Wer sich noch an die Anfangszeiten der Spiele-Seite im Hanf Journal erinnert, kennt auch „Werwolf“ („lui-meme“, Herausgeber Pro Ludo), dieses Spiel hat mit „Neumond“ eine Erweiterung verpasst bekommen. Neben neuen Szenarien (eines soll mit 200 Leuten spielbar sein) und weiteren Charakteren gibt es Aktionskarten, die in dem Dorf für einigen Wirbel sorgen werden. Wer auf Sammel-Kartenspiele steht und gleichzeitig dem „World of Warcraft“-Fieber verfallen ist, konnte die Messe mit dem „World of Warcraft Starter Deck – Heroes of Azeroth“ (Upper Deck, Verlag) verlassen. Und das noch vor dem offiziellen Verkaufsstart. Das Besondere: Wer so genannte Beutekarten findet, kann seinen Online-Charakter optisch aufpeppen. Wem es gefällt …

Und ganz innovativ sind hybride Spielsysteme. Die Firma Public Solution stellte ein solches System vor. Ein Spielfeld verbunden mit einem Bildschirm: Vorrücken auf dem Spielbrett, welche Aktionen zu machen sind, erfährt der Spieler durch den Monitor. Ich weiß nicht so recht, wie ich das finden soll. Mal schauen, was da so in den nächsten Jahren auf uns zukommt.

Das soll es an dieser Stelle gewesen sein, ich sitze noch eine Weile im Zug und – da ich es bisher noch nicht geschafft habe – eine meiner Errungenschaften zu testen – kann ich es kaum erwarten heute Abend an meinem Küchentisch die ersten Testspiele zu starten. Dabei dürften Müdigkeit und mangelnde Zeit nur kurze und regeltechnisch einfache Spiele zulassen. Also waren die beiden neuen 2F-Spiele dran. In „Fürchterliche Feinde“ kann endlich die fantastische Fee Fabula – bekannt aus dem Spiel „Finstere Flure“ – aus den Händen ihrer Peiniger befreit werden und wer sich auf eine Runde „Fiji“ einlässt, bekommt für bunte Glasperlen schlussendlich Schrumpfköpfe. Ein Tauschspiel, das es in sich hat.
Außerdem hat „Gangster“ (Ludoart), das ganz edel in Holzkiste und mit vier echten Patronen daherkommt, seine erste Bewährungsprobe bestanden. Ein kurzweiliges Legespiel, bei dem jeder der Gangster versucht, der Einflussreichste oder besser gesagt Al Capone zu werden.

Das war er, der Rückblick auf die SPIEL’06 in Essen. Und ich werde auch im nächsten Jahr wieder durch die Hallen laufen, Spiele aussuchen und sie nach Berlin schleppen, um euch die vorzustellen, von denen ich der Meinung bin, dass sie nicht nach ein, zwei oder drei Runden im Regal verstauben oder euch zumindest vor solchen Spielen warnen.

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