Dr. med. Franjo Grotenhermen
Ein Wissenschaftler der Universität Leiden hat die Qualität von Cannabis aus niederländischen Coffee-Shops mit der von Cannabis aus niederländischen Apotheken verglichen. Die Ergebnisse, die jüngst in der neuen Zeitschrift „Cannabinoids“ auf der Internetseite der Internationalen Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (www.cannabis-med.org) veröffentlicht wurden, fielen nicht sehr schmeichelhaft für die Coffee-Shops aus, vor allem da der Cannabis offenbar nicht selten stark mit Bakterien und Pilzen verunreinigt ist.
Insgesamt waren zehn zufällig ausgewählte Coffee-Shops, eine nicht-offizielle Initiative für medizinischen Cannabis sowie die zwei Sorten, die in holländischen Apotheken erhältlich sind, in die Untersuchung einbezogen worden. Es wurden also insgesamt 13 Proben untersucht. Die Proben aus den Coffee-Shops und bei der Initiative waren gewonnen wurden, indem sich ein Mitarbeiter der Universität als ein Angehöriger eines Patienten ausgab, der an Multipler Sklerose leidet und für den er zehn Gramm Cannabis besorgen wolle. In der Studie wird ausgeführt, dass die Mitarbeiter der Coffee-Shops grundsätzlich gern bereit waren, unerfahrenen Konsumenten Hinweise zur Anwendung des gekauften Materials zu geben.
Der THC-Gehalt der Proben lag zwischen 11,7 und 19,1 Prozent. Auch die beiden Proben aus der Apotheke (12,2 und 16,5 Prozent) lagen in diesem Rahmen. Alle Proben enthielten andere Cannabinoide nur in sehr geringer Konzentration. Der Autor führt das weitgehend einheitliche Cannabinoid-Profil der verschiedenen Cannabis-Sorten auf die zahlreichen Kreuzungen mit dem Ziel eines möglichst hohen THC-Gehaltes zurück.
Die Preise der Coffee-Shop-Proben lagen zwischen 48 und 70 € pro zehn Gramm, während die Apotheken-Sorten 81,94 beziehungsweise 93,92 € kosteten. Wurden die Preise auf jeweils 100 mg THC bezogen, so ergab sich eine Preisspanne von 3,11 bis 5,16 € pro 100 mg THC für die Coffee-Shop-Sorten und von 5,72 und 6,80 € für die beiden Apotheken-Sorten, die also etwas teurer als der Cannabis aus den Coffee-Shops waren. Zum Vergleich: das THC, das in deutschen Apotheken erhältlich ist, kostet pro 100 mg etwa 80 €, ist also etwa zehn- bis 25-mal teurer als THC in Cannabis aus Coffee-Shops beziehungsweise den niederländischen Apotheken.
Bei der Untersuchung der Proben auf eine mögliche Verunreinigung fiel auf, dass alle Proben aus den Coffee-Shops mit Bakterien und Pilzen oberhalb der Grenzwerte, die vom europäischen Arzneibuch für medizinische Zubereitungen zur Inhalation zugelassen sind, verunreinigt waren. Diese Verunreinigung war zum Teil nur gering, in einigen Fällen jedoch recht deutlich. Einige der gefundenen Mikroben können Gifte bilden, die durch Temperaturen, wie sie beim Rauchen von Cannabis entstehen, nicht vollständig zerstört werden, sodass sie in die Lunge gelangen können. Vor allem bei Personen mit einem bereits beeinträchtigten Immunsystem, beispielsweise Aids- oder Krebs-Patienten, können solche Mikroben und Gifte gefährlich werden. Entsprechende Vorkommnisse scheinen jedoch trotz der Vielzahl der medizinischen Cannabis-Konsumenten, die sich mit Cannabis aus Coffee-Shops versorgen, nicht häufig zu sein.
Untersuchungen auf das Vorliegen von Schwermetallen und Pestiziden wurden bei dieser Studie nicht vorgenommen, da diese sehr kostenaufwändig sind. Untersuchungen auf Schwermetalle und Pestizide werden jedoch regelmäßig beim Apotheken-Cannabis durchgeführt. Einige Coffee-Shops geben zudem an, dass ihr Cannabis biologisch angebaut werde und daher ebenfalls frei von solchen Rückständen sei.
Die fehlende Kontrolle der Qualität von Cannabis-Produkten ist eine der negativen Konsequenzen der Illegalität der Droge. Selbst in den Niederlanden werden die Coffee-Shops nur geduldet, und der Anbau bleibt illegal. Dieser Zustand wurde wiederholt von niederländischen Politikern als schizophren und inkonsequent bezeichnet. Die Vergabe von Konzessionen zum Anbau könnte mit entsprechenden Auflagen zur Reinheit des Produktes und Qualitätskontrollen verbunden werden. Das würde die gesundheitlichen Risiken des Konsums verringern. Aber auch unter den gegenwärtigen Bedingungen könnten von den Coffee-Shops Anstrengungen zur Qualitätsverbesserung unternommen werden.
Wer in Deutschland sichergehen möchte, hochwertigen Cannabis zu verwenden, ist auf den Selbstanbau der Pflanze oder beim Kauf auf zuverlässige Quellen angewiesen. Verglichen mit der Inhalation durch Rauchen stellt die orale Aufnahme mittels Tees oder Gebäck bei Verunreinigungen mit Bakterien und Pilzen eine geringere Gefahrenquelle dar, da möglicherweise gefährliche Infektionen der Atemwege durch die Mikroben nicht auftreten.