Donnerstag, 15. Juni 2006

Anthony Rother: Super Space Model

>> Datapunk / Elektro

Die Maschine hat als Sex-Objekt ausgedient. Anthony Rother arbeitet, spielt, lebt und ist Elektro. Mit “Sex With The Machines” realisierte er 1997 zum ersten Mal die für ihn so typisch werdende Synergie aus clubbigem Anspruch und Tiefgang auf Basis von Elektro-Beats. Mit “Simulationszeitalter” katapultierte er sich im Jahre 2000 an die Spitze der einflussreichsten Produzenten elektronischer Musik. Mit gefeierten, innovativen Musikvideos für Klassiker wie “Biomechanik” und “Little Computer People” konnte sich sein Label psi49net auch über die Elektronikszene hinaus enorme Aufmerksamkeit verschaffen. 2002 (nach 9/11) erschien das elektro-stilistisch klare “Hacker” und 2003 das auf Pete Namlook Fax-Label veröffentlichte “Elixier Of Life” (die Blaupause für die “Stahl”-Stilistik), ein intensiv stimmungsdichtes Dark-Ambient-Werk, auf dem Rother seinem Faible für sphärische Klänge erstmals explizit freien Lauf ließ. Im Jahre 2004 hatte Rother das Verpuppungsstadium des reinen Elektro verlassen, denn bei “Popkiller” (ein Mikrofonschutz) löste er seinen wissenschaftlich kühl-distanzierten Electro-Futurismus in klanglich direkte, funktionale Hier-und-Jetzt-Tanz-Schemen auf – vibrierend, prickelnd und mit eindeutigem Pop-Bezug. Auch vocal-inhaltlich haben emotionale Mensch-Mensch-Beziehungen den abstrakten Mensch-Maschine-Konflikt völlig verdrängt. Sein neuestes Werk “Super Space Model” ist die konsequente Weiterentwicklung der mit Rothers “Popkiller” maßgeblich kultivierten gegenseitigen Befruchtung von Techno und Elektro zu einer neuen Hybride, die den globalen Sound der Clubs in den letzten beiden Jahren wie nichts Anderes bestimmt hat. Stimmungsmäßig schwingt je nach persönlicher Interpretation eine Grundmelancholie mit, dennoch ist es von einer positiven Energie bestimmt. Die zwölf Tracks entstanden komplett auf analogen Synthies, auch hier wieder eine Analogie zu dem Begriff der Natürlichkeit, denn “Nature is a supermodel, full of beautyness and happiness”. “Datapunk flirtet als Begriff zwar mit der Idee der Digitalität, aber der Punk steht schließlich vor allem für die künstlerische Freiheit”, meint Anthony. Dass bei seinen Tracks inhaltlich auch im Clubkontext eher unübliche Themen aufgegriffen werden, zeichnen Rothers Arbeiten ohnehin seit jeher aus. Besonders “Sleep”, was er für seinen langjährigen Freund Marc Spoon geschrieben und nach dessen Tod produziert hat, geht gut unter die Haut. Anthony generiert wieder einmal unglaublich intensive Bilder mit dem idealtypischen Datapunk-Tanzflächenfüller wie “Don’t Worry”, den verspielt improvisierten Synthie-Linien von “Space Rock” und “Lucifer” oder dem epischen und die besten Zeiten des Trance reminiszierenden “God”. Mit “Who Dies” liefert er ein Outro der absoluten Spitzenklasse. Der selbstkritische Anthony pflegt dabei ein gesundes Maß an Understatement, was ihn mir sehr sympathisch macht. Sein einzigartiger Sound ist längst zum Trademark geworden. Das ist Elektro !!!

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