Fast täglich erreichen uns aus dem tiefen Süden unseres Landes schlechte Nachrichten, deshalb haben wir uns am 16. Mai die Augen reiben müssen, als folgende Meldung erhielten:
„Aids-Kranker darf Haschisch besitzen“
Zwar wusste unsere Redaktion von der anberaumten Verhandlung gegen den Familienvater aus Bayern, das Urteil überraschte jedoch nicht nur uns.
Der Hintergrund: Der HIV-positive Robert G. (45, Name von der Redaktion geändert) wurde vor einem Jahr in erster Instanz vom Amtsgericht Wolfratshauen zu einer Geldstrafe von 1.350 Euro verurteilt, nachdem die Polizei bei ihm im Rahmen einer Haussuchung zehn Gramm Hanfblüten, fünfeinhalb Gramm Blütenharz und acht psilocybinhaltige Pilze gefunden hatte.
G. hatte damals schon angegeben, die Hanf-Produkte zur Linderung seiner Krankheitssymptome zu benötigen.
In der Berufungsverhandlung konnte der Richter der Argumentation der Verteidigung folgen, das Verfahren wurde mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Angeklagte wurde lediglich aufgrund des Besitzes der Pilze zu einer Geldstrafe in Höhe von 600 Euro verurteilt, für den Besitz von Hasch und Gras wurde er nicht bestraft. Das Urteil ist seit dem 22.05.2006 rechtskräftig.
„Damit hat erstmals in Bayern ein Gericht anerkannt, dass jemand Cannabis aus medizinischen Gründen braucht“ so der 45-Jährige.
Seine Anwältin wertet das Urteil als Erfolg: „In Bayern ist es schon etwas Besonderes, wenn ein Gericht bei solchen Mengen Haschisch und Marihuana sagt, wir stellen das Verfahren ein.”, sie warnt aber davor, von einem Präzedenzfall zu sprechen, es handele sich hierbei um eine Einzelfallentscheidung.
Jetzt plant Robert G. eine Klage gegen die Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, deren Praxis, alle Anträge kategorisch abzulehnen, erst kürzlich vom Bundeserwaltungsgericht in Leipzig gerügt wurde. Die Richter forderten die Behörde auf, im Falle einer Ablehnung diese genau zu begründen und stellten fest, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung im Einzelfall im öffentlichen Interesse liegen könne.
Die Chancen, Cannabis als Medizin zu legalisieren waren noch nie so gut wie nach dem Leipziger Richterspruch im letzten Jahr und steigen (hoffentlich stetig) mit der Zahl der Antragsteller. Es wird bei begründeten Fällen sehr schwierig sein, einen Bedarf zu leugnen, denn auch Dronabinol kommt laut der Bundesrichter als Alternative nicht ohne weiteres in Betracht, da die Verfügbarkeit nicht immer gewährleist sei. Außerdem sei „das individuelle Empfinden“ bei der Symptomlinderung ausschlaggebend. Wie aus Erfahrungsberichten bekannt wirkt Dronabinol oft nicht so gut wie natürliche Hanf-Blüten.
Zwar sei der Weg bis zur Einstellung des Verfahrens sehr anstrengend und nervenzehrend gewesen, aber nun die fühlt sich Robert G. in seinen Bemühungen bestärkt, irgendwann einmal Hanf-Blüten besitzen zu dürfen, die ihm niemand mehr mit staatlicher Einwilligung klauen darf. Denn das kann ihm trotz der positiven Zeichen von Justitia immer noch jeden Tag passieren. Nicht nur in Bayern.